WisdomTree: FED Zinspolitik - „Manche mögen`s heiß“

Kevin Flanagan, Senior Fixed Income Strategist, WisdomTree
FED

Die „guten alten Zeiten“ des vergangenen Jahres, als die Fed laufend Zinserhöhungen bekanntgab, sind vorbei, so Kevin Flanagan, Senior Fixed Income Strategist, WisdomTree.

02.05.2019 | 13:18 Uhr

Sicherlich kann niemand behaupten, dass mit dem Aufschub der geldpolitischen Prognose der US-Notenbank Fed die vielleicht bemerkenswerteste Entwicklung an den Geld- und Anleihemärkten dieses Jahres stattgefunden hat. Das Problem ist nur, dass diese Verschiebung zusätzliche Unsicherheit geschaffen hat. Die „guten alten Zeiten“ des vergangenen Jahres, als die Fed laufend Zinserhöhungen bekanntgab, sind vorbei. Bis 2020 scheint die Diskussion in Richtung weiterer Zinssenkungen zu tendieren, ich sehe das jedoch anders. Was wäre, wenn das Federal Open Market Committee (FOMC) ein "politisches Sabbatical" veranstaltet und die Zinspolitik einfach bleiben lässt? Mit anderen Worten: Lehnen Sie sich einfach zurück und lassen Sie die Wirtschaft "heiß laufen".

Die Ergebnisse der FOMC-Sitzung dieser Woche passen zu dieser Logik. Tatsächlich sehen die politischen Entscheidungsträger die Wirtschaft weiterhin in recht guter Verfassung, die Verlangsamung der Kerninflation spricht allerdings für meine These. Es besteht keine Dringlichkeit, die Zinsen zu senken oder zu erhöhen. Warum also sollte man eine gute Sache in Frage stellen? Und nicht zu vergessen ist, dass die Fed die quantitative Straffung ihrer Bilanz Ende September beendet.

Vor diesem Hintergrund liegt es am Chef der US-Notenbank Powell und seinen Kollegen, die auf Zinserhöhungen eingestellte Mentalität der Marktteilnehmer zu ändern. Man sollte sich nichts vormachen: die Perspektive steigender Zinsen wurde bereits vor Monaten verworfen. Im Vorfeld der FOMC-Sitzung zum gestrigen 1. Mai wurde der US-Terminmarkt erneut mit einer Zinssenkung für dieses Jahr und zwei weiteren Lockerungsmaßnahmen für 2020 bewertet. Ich glaube nicht, dass die Fed ganz bei ihrer selbst verkündeten geldpolitischen Perspektive angekommen ist. Die Abkoppelung von der eingeläuteten Zinsstraffung geht weiter.

Es scheint, dass der Markt trotz des viel besser als erwarteten Gesamtstands des realen BIP im ersten Quartal (plus 3,2 Prozent) seine eigene Argumentation der sinnvollen Wachstumsverlangsamung bzw. eines potenziellen Rezessionsausblicks mehr auf die Inflationsseite der Gleichung verlagert hat. Lagerbestände und Handel gaben sicherlich den Ausschlag für das Wachstum im ersten Quartal, was in den kommenden Monaten ohne weiteres ins Gegenteil umschlagen könnte. Es sieht allerdings eher so aus, als ob die Inflation die neue Obsession des Marktes ist. Die jüngsten Daten zeigen weiterhin, dass der von der Fed bevorzugte Deflator der privaten Konsumausgaben (PCE) immer noch deutlich unter dem Ziel von plus 2 Prozent bei derzeit plus 1,6 Prozent liegt.

Fazit

Wenn ich Recht behalte und die Fed sich in einem ausgedehnten Pausenmodus befindet, wird sich der Treasury-Markt mit dem Potenzial eines Wirtschaftswachsums, das heißer ist als ursprünglich gedacht, auseinandersetzen müssen. Wie reagiert beispielsweise die Rendite 10-jähriger US-Treasuries auf dieses neu geschaffene zinspolitische Umfeld? Wahrscheinlich handelt man nach der Devise des fröhlichen Stillstands, solange bis so gut wie jeder Investor schlagartig aufwacht und sich fragt, ob die Fed der Entwicklung jetzt hinterherhinkt.

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