Edmond de Rothschild-Analyse: Brexit or no Brexit – Die Eurozone kann nur gewinnen

Am 23. Juni 2016 stimmen die Briten darüber ab, ob Großbritannien in der Europäischen Union (EU) verbleibt oder austritt.

18.04.2016 | 14:52 Uhr

„Sowohl für Großbritannien als auch für die EU ist das Abstimmungsergebnis von entscheidender Bedeutung. Für die Eurozone zeichnen sich fast nur Vorteile ab – sowohl bei einem Ja als auch bei einem Nein“, sagt Mathilde Lemoine, Group Chief Economist bei der Edmond de Rothschild Gruppe.

Der von einem Brexit ausgelöste wirtschaftliche und finanzielle Schock für Großbritannien lässt sich kaum ermessen, da der britische Premierminister David Cameron bislang Stillschweigen über seine politischen Maßnahmen zur Abfederung dieses Schocks bewahrt hat. „Da die Bank of England einem Brexit mit Sicherheit nicht tatenlos gegenüberstehen würde, dürften sich seine Folgen auf einen Rückgang des britischen Bruttoinlandprodukts um minus 1 Prozent innerhalb eines Jahres beschränken, um innerhalb von drei Jahren ganz zu verschwinden“, schätzt die Volkswirtin.

Andererseits steht fest, dass sich die Struktur der britischen Wirtschaft grundlegend verändern dürfte, falls die Abstimmung zu einer Änderung des Eurosystems und einer Verlagerung der derzeit in Großbritannien ansässigen Abrechnungssysteme in die Eurozone führt. Mit einer Standortauflage würden in der Eurozone neue finanzwirtschaftliche Tätigkeiten geschaffen, die Mittelzuflüsse aus Großbritannien auf sich ziehen würden.

In diesem Szenario könnte der Euro gegenüber dem Pfund Sterling steigen. Die negativen Folgen für die europäische Exportwirtschaft ließen sich allerdings durch neue unkonventionelle Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) eindämmen.

Bei einem Verbleib Großbritanniens in der EU kann die Eurozone ab April 2017 den Standortwechsel der Abrechnungssysteme durchsetzen. „Bis zu diesem Datum wäre das Schicksal Großbritanniens innerhalb der EU ungewiss. Dies dürfte die Investitionstätigkeit und die Bewertung des britischen Pfundes belasten“, so die Chefökonomin aus dem Hause Edmond de Rothschild. 

In den aktuellen Umfragen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Brexit-Rennen ab. Aus diesem Grund und auf Basis der jüngsten ökonometrischen Studien zur Risikoaversion der europäischen Wähler veranschlagen die Experten von Edmond de Rothschild die Wahrscheinlichkeit eines britischen EU-Austritts bei 40 Prozent. In diesem Fall könnte der Europarat umgehend reagieren und die für die Abwicklung von Euro-Geschäften zuständigen Abrechnungssysteme verpflichten, sich in der Eurozone niederzulassen. Wenn sich die Mehrheit der Briten für einen Verbleib in der EU ausspricht, erhalten die Mitglieder der Eurozone erst am 1. April 2017 freie Bahn, da ihnen die neuen Vorschriften des Vertrags von Lissabon zu diesem Datum eine qualifizierte Mehrheit zusprechen.


Lesen Sie mehr zur Einschätzung von Mathilde Lemoine zum Thema Brexit.

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