Zunehmende Besorgnis über die Entwicklung im Euroraum

Leichte aber längere Rezession wird wahrscheinlicher

27.04.2012 | 15:08 Uhr

Die Finanzmärkte hatten in dieser Woche mit der zunehmenden wirtschaftlichen und finanziellen Unsicherheit im Euroraum zu kämpfen. Die Kurse von Aktien aus Industriestaaten blieben größtenteils unverändert, während Schwellenländeraktien nachgaben.

Den Anlass zur Sorge gab die politische Lage im Euroraum. Die niederländische Minderheitsregierung scheiterte mit zusätzlichen Sparplänen. Bis Ende April sollte sie der EU-Kommission einen Haushaltsplan für 2013 vorlegen, der für das kommende Jahr eine Senkung des Haushaltsdefizits auf 3 % ermöglicht. Durch die politische Krise könnte sich die Vorlage des Haushaltsplans jedoch verzögern.

Unserer Ansicht nach wäre es für die Finanzmärkte die beste Lösung, wenn sich die Übergangsregierung und die Opposition auf das Haushaltsdefizit von 3 % für 2013 und auf Maßnahmen für eine Liberalisierung des Wohnungs- und Arbeitsmarktes sowie die Anhebung des Rentenalters einigen könnten. Doch die Verhandlungen können schwierig werden, da nicht alle Parteien die Zeitvorgabe für das 3%-Defizitziel unterstützen und vermutlich zögern werden, sich vor den Wahlen im September auf ein Maßnahmenprogramm festzulegen.

Im Anschluss an die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen treten der Sozialist François Hollande und der Amtsinhaber Nicolas Sarkozy am 6. Mai zur Stichwahl an. Die Tatsache, dass sich die Ansichten der beiden Kandidaten hinsichtlich der Wirtschaftspolitik, der Umsetzung der Sparmaßnahmen und Frankreichs Rolle in der Europäischen Union stark unterscheiden, ist ein weiterer  Unsicherheitsfaktor in der Region.

Ganz allgemein haben immer mehr Länder Schwierigkeiten, ihre Zielvorgaben für das Haushaltsdefizit zu erreichen, darunter Spanien, Italien und Griechenland. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus wird derzeit viel über die optimale Geschwindigkeit der fiskalpolitischen Anpassung diskutiert. Klar ist jedoch, dass im Falle einer Anpassung der ursprünglichen Sparpläne, eine glaubwürdige Alternative vorgeschlagen werden muss. Wichtig ist auch, dass sich die Regierungen auf strukturelle Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums konzentrieren. Anderenfalls werden die Risikozuschläge für Staatsanleihen hoch bleiben.

Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus den USA und dem Euroraum fielen größtenteils enttäuschend aus. Die Daten aus den USA waren durchwachsen und folgten auf einen Zeitraum, in dem sich die Wirtschaft relativ gut entwickelt hatte, während die Daten aus dem Euroraum fast durchgehend schwach ausfielen. Die Indikatoren in den USA weisen nicht auf eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hin. Die des Euroraums hingegen machen für die nächste Zeit keine Hoffnung auf eine deutliche Verbesserung.

In den USA gingen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe nur geringfügig zurück. Die anderen Arbeitsmarktindikatoren, wie z.B. die Einstellungsabsichten, blieben jedoch im positiven Bereich. Die Aufträge für langlebige Wirtschaftsgüter waren in den USA im März deutlich rückläufig, was auf nachlassende Unternehmensinvestitionen in maschinelle Ausstattung und Software hindeutet.

Im Jahresvergleich stiegen in den USA sowohl die Verkäufe neuer und bestehender Häuser als auch der Median der Hauspreise, der durch die rückläufige Anzahl unverkaufter Häuser, verbesserte Aussichten am Arbeitsmarkt und eine bessere Erschwinglichkeit gestützt wird. Wir rechnen jedoch nicht mit einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung. Obwohl sich das Verbrauchervertrauen im Vergleich zu seinen Tiefpunkten 2009 und 2011 erholte, liegt es weiterhin relativ niedrig.

Der Einkaufsmanagerindex für den Euroraum war rückläufig. Der derzeitige Stand des Index weist auf eine leichte aber möglicherweise langwierige Rezession hin. Der deutsche Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel auf den niedrigsten Stand seit 2009. Der Ifo-Index stieg jedoch aufgrund einer leichten Verbesserung der Einschätzung der derzeitigen Lage. Der französische Einkaufsmanagerindex weist auf einen Rückgang der Industrieproduktion hin. Das Verbrauchervertrauen liegt weiterhin relativ niedrig.

Die Federal Reserve und die EZB scheinen derzeit nicht bereit zu sein, weitere Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur zu ergreifen. Aufgrund des (bescheidenen) Wirtschaftswachstums erscheint diese Haltung in den USA weniger problematisch. In ihrer letzten geldpolitischen Sitzung ließ die Fed ihre Leitzinsen ebenso wie ihre
Einschätzung der wirtschaftlichen Aussichten unverändert. Interessanter waren die Prognosen einzelner Ausschussmitglieder, was Wachstum, Inflation und die Zinsentwicklung anbelangt. Die Anzahl der Mitglieder, die die Leitzinsen ab 2014 anheben möchten, stieg von fünf auf sieben, vier Mitglieder ziehen nach wie vor 2015 vor, während inzwischen kein Mitglied des FMOC eine Anhebung der Leitzinsen bis 2016 hinauszögern möchte (das letzte Mal hatten sich noch zwei Mitglieder für diese Lösung ausgesprochen). Dieser Stimmungsumschwung ist Ausdruck der Verbesserung der Wirtschaftslage und zeigt, dass die Zusicherung der Fed, die Leitzinsen bis einschließlich 2014 niedrig zu halten, nicht in Stein gemeißelt ist.

Der Anstieg der Renditen italienischer und spanischer Staatsanleihen kam auch ohne ein Eingreifen der EZB zum Stillstand. Die EZB könnte wieder beginnen, Anleihen von Peripheriestaaten zu kaufen, jedoch nur, wenn die Renditen für spanische und italienische Anleihen sich auf die 7 %-Grenze zubewegen. Mehrere Zentralbankpräsidenten stehen einer solchen Maßnahme jedoch ablehnend gegenüber. Unserer Ansicht nach sind weitere Dreijahreskredite der EZB derzeit unwahrscheinlich.

Wir sehen daher inzwischen weniger geldpolitische Unterstützung für die  Aktienmärkte. Die (Real)Zinsen sind zwar niedrig, aber weitere Liquiditätsspritzen durch die Zentralbanken sind nicht zu erwarten.

Der Marktausblick im pdf-Dokument.

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