BNP Paribas: Der Bedarf an Energiesicherheit ist gestiegen – was heißt das für Investoren?

BNP Paribas: Der Bedarf an Energiesicherheit ist gestiegen – was heißt das für Investoren?
Energie

Abgesehen von der menschlichen Tragödie, die sich in der Ukraine abspielt, hat der Einmarsch Russlands auch die Notwendigkeit einer sicheren Energieversorgung deutlich gemacht. Steigende Energiepreise haben nicht nur den pandemiebedingt ohnehin schon vorhandenen Inflationsdruck verschärft.

04.04.2022 | 08:04 Uhr

Sie haben auch die Frage in den Fokus gerückt, wie sich schnell zuverlässige alternative Energiequellen auftun lassen. Denn westliche Regierungen wollen sich zunehmend von Importen aus Russland unabhängig machen.

Angesichts der Bemühungen vieler Länder um eine sichere Energieversorgung sind Befürchtungen laut geworden: Könnte der Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien in dieser Situation in den Hintergrund rücken oder sich gar umkehren? Hier stellt sich die grundlegende Frage, ob grüne Energie in Zeiten des Krieges eine Zukunft hat. Wie sollten Anleger darauf reagieren?

Europas Abhängigkeit von russischer Energie

Der Konflikt in der Ukraine hat den Zusammenhang zwischen Klimawandel, nationaler Sicherheit und Energieabhängigkeit verdeutlicht. Europa bezieht etwa 40 Prozent seines Erdgases aus Russland – dies zum Teil über Pipelines, die durch die Ukraine verlaufen – und zudem etwa 25 Prozent seines Rohöls1. Angesichts des Risikos erheblicher Lieferstörungen bei Öl und Gas sind die Preise in die Höhe geschnellt. Daraufhin wuchs die Sorge in ganz Europa, welche Konsequenzen die Abhängigkeit im Energiesektor noch nach sich ziehen könnte.

Auch Länder außerhalb der Europäischen Union importieren Energie aus Russland – allerdings deutlich weniger. Deswegen können etwa Großbritannien und die USA ihre russischen Energieimporte einfrieren und Wirtschaftssanktionen aussprechen.

Die Europäische Union steckt offensichtlich in der Falle – denn sie braucht russischen Kraftstoff. Trotzdem hat sie bereits angekündigt, die Gasimporte aus Russland innerhalb eines Jahres um zwei Drittel herunterzufahren, um diese Abhängigkeit zu reduzieren.

Legt die Energiewende an Tempo zu?

Der hohe Energiebedarf bleibt – egal wie sich die geopolitischen Konflikte entwickeln. Es ist extrem wichtig, die Versorgungslücke schnell zu schließen. Die Frage ist: Wie lässt sich das bewerkstelligen?

Viele Länder haben Pläne vorgelegt, mit denen sie die Umstellung auf grüne Energie beschleunigen möchten.

Deutschland verfolgt in einer historischen Entscheidung das Ziel, die Energiewende schneller umzusetzen und bereits 15 Jahre früher, nämlich 2035, zu hundert Prozent erneuerbare Energien zu nutzen. Damit hat das Land mit den USA und Großbritannien gleichgezogen. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, dass bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen sollen. Dies soll durch den Ausbau von Onshore-Windkraftanlagen erreicht werden, die ab 2027 eine Leistung von zehn Gigawatt erreichen sollen (vor einem Jahr waren es nur zwei Gigawatt), sowie von Solaranlagen, die ab 2028 20 Gigawatt Strom produzieren sollen (gegenüber fünf Gigawatt vor einem Jahr). Darüber hinaus beabsichtigt die neue Regierung, die Genehmigung von Onshore-Windanlagen zu beschleunigen. Denn die langwierigen Genehmigungsprozesse stellen ein erhebliches Hindernis für den Ausbau erneuerbarer Energien dar.

Der neue EU-Energieplan zielt ebenfalls darauf, die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien zu fördern und die Nachfrage durch Effizienzsteigerungen zu senken. Allerdings plant die EU auch, mehr Flüssigerdgas zu fördern und, wenn nötig, Kohle länger zu nutzen.

Kurzfristige Lösungen auf Basis fossiler Brennstoffe

Der Aufbau einer neuen, umweltfreundlicheren Energieinfrastruktur wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die EU ist also nicht die einzige Region, die darüber nachdenkt, fossile Brennstoffe länger zu nutzen, um kurzfristige Versorgungsprobleme zu lösen.

Man fordert globale Kraftstoffproduzenten (außer Russland) dazu auf, ihr Angebot aufzustocken. Man diskutiert über die Aufhebung der Sanktionen für iranisches und venezolanisches Rohöl. Und nicht zuletzt geben viele Länder ihre strategischen Kraftstoffvorräte frei.

Zudem erwartet man in den USA von Schieferölproduzenten, dass sie kurzfristig zur Deckung der Nachfrage beitragen. In Großbritannien haben die Bemühungen um mehr Autarkie dazu geführt, dass Forderungen laut wurden, die Öl- und Gasproduktion in der Nordsee nach oben zu schrauben und die Restriktionen beim Fracking zu lockern.

Die deflationäre Wirkung erneuerbarer Energien

Die Welt kämpft mit steigender Inflation. Daher sollte man die Möglichkeit, dass grüne Energie zu niedrigeren Energie- und Strompreisen beitragen kann, nicht außer Acht lassen. Derzeit liegen die Öl- und Gaspreise in der Nähe von Allzeithochs oder sogar bereits darüber. Demgegenüber sind erneuerbare Energien, allen voran Solar- und Windenergie, kostengünstig. Tatsächlich sind die Kosten für die Erzeugung von Strom aus Solar- und Windenergie erheblich gesunken, während die Effizienz drastisch gestiegen ist. Dieser deflationäre Aspekt erneuerbarer Energien steht in deutlichem Gegensatz zu fossilen Brennstoffen – so sind beispielsweise die Ölpreise seit 1970 etwa um das 30-Fache gestiegen.2

In seiner Rede zur Lage der Nation betonte Präsident Biden, dass die Bekämpfung des Klimawandels dazu führen werde, dass US-amerikanische Haushalte weniger Energie verbrauchen. Er versprach, „Investitionen und Steuervergünstigungen bereitzustellen, um Ihr Zuhause und Ihre Unternehmen energieeffizienter aufzustellen“ und die US-Produktion von sauberer Energie aus Solar- und Windkraft zu verdoppeln. Außerdem stellte er eine Senkung der Preise für Elektrofahrzeuge in Aussicht, womit sich weitere 80 Dollar pro Monat für Benzin einsparen ließen.

Engpässe bei Elektroautos

Inzwischen haben die Verbraucher das Sparpotenzial erkannt, das in der Umstellung auf umweltfreundliche Technologien steckt. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen ist angesichts der steigenden Kosten für fossile Kraftstoffe stark gewachsen. Im Februar 2022 stiegen die Zulassungen von Plug-in-PKWs in Großbritannien um 127 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und machten mehr als ein Viertel der Autoverkäufe im gesamten Monat aus.3

Mehrere namhafte Automobilhersteller haben angekündigt, die Produktion von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen. Außerdem hat der weltweit führende Hersteller von Elektrofahrzeugen die Baugenehmigung für seine erste Automobil- und Batteriefabrik in Europa erhalten.4

Leider übersteigt inzwischen die Nachfrage das Angebot, da plötzlich immer mehr Verbraucher Elektrofahrzeuge attraktiv finden. Hinzu kommt, dass die Lagerbestände aktuell besonders niedrig sind, weil die Produktion von Elektrofahrzeugen durch die weltweite Halbleiterknappheit und weitere Verzögerungen in der Lieferkette beeinträchtigt ist. Einige Unternehmen nehmen keine Bestellungen mehr für neue Elektrofahrzeuge entgegen, und bei einigen beliebten Modellen beträgt die Wartezeit inzwischen bis zu einem Jahr.

Handeln statt reden

Die aktuellen Versorgungsengpässe lassen Regierungen zwar kurzfristig wieder fossile Brennstoffe in Betracht ziehen. Aber die Situation in der Ukraine unterstreicht die Dringlichkeit der Dekarbonisierung, Digitalisierung und Beschleunigung der globalen Energiewende. Heute geht es nicht mehr nur um ökologische Herausforderungen – die Welt ist aufgewacht und hat die erheblichen geopolitischen Risiken rund um die Energiesicherheit erkannt und die Konsequenzen, die diese Risiken global haben können.

Der beste Weg, um unabhängig von Energieimporten zu werden, besteht darin, die Produktion grüner Energie hochzufahren. Dazu braucht es aber mehr als Worte und langfristige Planung. Man muss jetzt damit anfangen, Infrastrukturprojekte für grüne Energie aufzusetzen. Dabei sollte man berücksichtigen, dass sich die geopolitischen Strukturen weltweit verändern.

Kurz gesagt, die Welt muss mehr tun und schneller handeln

Das Environmental Strategies Team von BNP Paribas Asset Management geht davon aus, dass es im Energiesektor noch nie so gute Anlagechancen gab wie heute – gerade weil Energiesicherheit und Energiewende in Einklang gebracht werden müssen.

Sie denken, dass die Bewertungen angesichts der Volatilität der Aktienmärkte und makroökonomischer Risiken ein attraktives Niveau erreicht haben und dass auch die wachsenden M&A-Chancen im Sektor die Annahme der Werthaltigkeit unterstützen.

Unser Team zielt darauf, heute schon rund um Klimawandel, Biodiversität und Ökosysteme diejenigen Unternehmen zu identifizieren, die die Gewinner von morgen sein werden. Unsere konzentrierten Portfolios sind über alle Marktkapitalisierungen hinweg diversifiziert, weswegen sie besser gegen die aktuelle Volatilität besser geschützt sind.

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