William Blair: Asiens Kapital kehrt zurück

Während Investoren und Schlagzeilen sich auf die Zollpolitik und Handelsgespräche konzentrieren, haben asiatische Währungen an Stärke gewonnen.

23.06.2025 | 08:30 Uhr

Seit Jahren verzeichnen viele asiatische Volkswirtschaften anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse und investieren ihre Gewinne in US-Vermögenswerte. Mit dem Rückgang des US-Dollars könnten sich die Kapitalströme jedoch verlagern.

Starke asiatische Währungen signalisieren einen Wandel der Anlegerstimmung

Nach vier Jahren, in denen der US-Dollar gegenüber asiatischen Währungen weitgehend stark war, scheint sich das Blatt zu wenden: Im letzten Monat haben asiatische Währungen wieder die Aufmerksamkeit globaler Investoren auf sich gezogen. Der taiwanesische Dollar führte diese Entwicklung an und legte gegenüber dem US-Dollar um bis zu 7 % zu. Auch der südkoreanische Won verzeichnete mit einem Anstieg von 3 % deutliche Gewinne.

Zwar dürften die Sorgen um die Handels- und Fiskalpolitik der USA zur Schwäche des Dollars beigetragen haben, doch das Tempo und das Ausmaß der jüngsten Entwicklungen in Asien sind ungewöhnlich. Die asiatischen Währungen nehmen nicht nur an der allgemeinen Erholung der Währungen der Schwellenländer teil, sondern sind sogar führend.

Die Stärke dieser Währungen könnte auf eine Verlagerung der Kapitalströme und eine mögliche Veränderung der Anlegerstimmung in der gesamten Region hindeuten.

Top-Performing Emerging Market Currencies in Mai 2025
Top-Performing Emerging Market Currencies in Mai 2025


Kapitalverlagerungen sind wahrscheinlich

In den letzten Jahren haben viele asiatische Länder – darunter China, Japan, Südkorea, Taiwan und Malaysia – dank ihrer starken Exportwirtschaft Leistungsbilanzüberschüsse erzielt. Diese Überschüsse haben es der Region ermöglicht, erhebliche Auslandsvermögen anzuhäufen, wie die nachstehende Grafik zeigt.

Ein erheblicher Teil dieses Kapitals scheint in US-Vermögenswerte investiert worden zu sein. Die asiatischen Bestände an US-Aktien überstiegen im vergangenen Jahr 4 Billionen US-Dollar, und das Gesamtkapital, das in US-Wertpapieren angelegt ist, erreichte 7,5 Billionen US-Dollar. Diese Konzentration deutet darauf hin, dass bei einer Eskalation der Besorgnis über die US-Politik die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalrückführung nach Asien – durch Rückführung oder Diversifizierung – hoch ist.

Diese Dynamik ist besonders relevant für Länder mit hohen Nettoauslandsvermögen wie Taiwan, Südkorea und Malaysia, wo die Fremdwährungseinlagen deutlich gestiegen sind. In Malaysia beispielsweise schätzen wir, dass die Fremdwährungseinlagen in den letzten fünf Jahren um 75 % gestiegen sind.

Ein Umfeld mit niedriger Inflation könnte die Portfoliozuflüsse in die Region weiter ankurbeln.

Darüber hinaus sind in einigen asiatischen Volkswirtschaften wie Taiwan viele Auslandsaktiva nicht abgesichert, wodurch die Wirtschaft empfindlicher auf Veränderungen der Währungsstimmung reagiert. Ohne Absicherung tragen die Anleger die vollen Auswirkungen von Währungsschwankungen – wenn also der US-Dollar schwächer wird, haben diese Länder einen stärkeren Anreiz, Kapital zurückzuführen oder ihre Absicherungsquoten zu erhöhen, um weitere Wechselkursverluste zu vermeiden. Dies kann die Nachfrage nach dem Taiwan-Dollar verstärken und dessen Aufwertung beschleunigen.

Diese Faktoren erklären die jüngsten starken Bewegungen des Taiwan-Dollars und des südkoreanischen Won, die einen Vorgeschmack darauf geben könnten, wie schnell sich die Positionen auflösen können, wenn sich die Stimmung gegenüber US-Vermögenswerten verschlechtert. Eine Kombination aus Onshore-Absicherungen durch institutionelle Anleger, Rückführung von ausländischem Kapital und der Rückführung von Fremdwährungseinlagen in die Landeswährung durch Exporteure könnte einen erheblichen Aufwärtsdruck auf die asiatischen Währungen ausüben.

Darüber hinaus könnten in einem Niedriginflationsumfeld, wie es derzeit in den meisten asiatischen Ländern herrscht, geringere Währungsrisikoprämien für Anleihen in Landeswährung dazu führen, dass Anleiheinvestoren ihre Portfoliomittel weiter in die Region lenken.

Asia#s Accumulation of Foreign Assets
Asia#s Accumulation of Foreign Assets

Wie haben sich Handel und Investitionen in Asien entwickelt?

Die Auswirkungen der US-Zollpolitik sind ungewiss, unter anderem weil zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts die Rechtmäßigkeit der im Rahmen des International Emergency Economic Powers Act verhängten Zölle fraglich ist.

Im Mai fanden jedoch bilaterale Handelsgespräche zwischen den Vereinigten Staaten und mehreren asiatischen Ländern statt, darunter China, Südkorea und Indien. Die Vereinigten Staaten und China haben sich auf eine 90-tägige Senkung der Zölle geeinigt, während die bilateralen Handelsgespräche fortgesetzt werden. Die Vereinigten Staaten und Südkorea haben über Handelsungleichgewichte und Währungsdynamiken diskutiert. Die Vereinigten Staaten und Indien haben einige Fortschritte in den Handelsgesprächen erzielt, aber eine Einigung wurde noch nicht erzielt.

Obwohl der endgültige Ausgang der Zollentwicklungen unklar ist, gehen wir davon aus, dass Asien bei der Ausfuhr von Waren und der Anziehung ausländischer Investitionen wettbewerbsfähig bleiben wird. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil Asiens an den weltweiten Warenexporten um fast 20 Prozentpunkte gestiegen – von unter 40 % im Jahr 2015 auf etwa 60 % im letzten Jahr, wie die nachstehende Grafik zeigt.


Share of Global Merchandise Exports
Share of Global Merchandise Exports

Südostasien hat bei den weltweiten Exporten an Boden gewonnen, was wahrscheinlich auf die Verlagerung der Produktionskapazitäten in diese Region zurückzuführen ist. In den letzten Jahren hat die Region einen wachsenden Anteil an ausländischen Direktinvestitionen (ADI) angezogen, wobei ihr Anteil an den weltweiten ADI-Zuflüssen von weniger als 6 % im Jahr 2015 auf 17 % im Jahr 2023 gestiegen ist, wie die nachstehende Grafik zeigt.


Asia's Share of Global FDI Inflows
Asia's Share of Global FDI Inflows

Südostasien hat diese Zuflüsse wahrscheinlich angezogen, da Unternehmen ihre Lieferketten über China hinaus diversifizieren. Relativ niedrige Löhne im verarbeitenden Gewerbe und ausländische Direktinvestitionen begünstigende Anreize – wie die Ausweitung von Sonderwirtschaftszonen – haben die Attraktivität der Region zusätzlich erhöht. Auch wenn künftige Handels- und Investitionsströme durch Zölle und andere politische Veränderungen beeinflusst werden könnten, scheint die Wettbewerbsfähigkeit Asiens strukturell bedingt und nicht leicht umkehrbar zu sein.

Fazit

Viele Jahre lang haben sich die politischen Entscheidungsträger in Asien angesichts des starken US-Dollars darauf konzentriert, einer übermäßigen Schwäche ihrer lokalen Währungen entgegenzuwirken. Angesichts der sich verändernden Kapitalströme müssen die politischen Entscheidungsträger in der Region möglicherweise die Auswirkungen einer Aufwertung ihrer lokalen Währungen bewerten. Die Volatilität dürfte im weiteren Verlauf hoch bleiben. Anleger sollten darauf vorbereitet sein.

Johnny Chen, CFA, ist Portfoliomanager im Emerging Markets Debt Team von William Blair.

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