Schroders: Fünf wichtige Faktoren für Schwellenländer

Emerging Markets

Für Anleger, die mit Schwellenländern nicht vertraut sind, lohnt es sich, sich mit einigen wichtigen Faktoren und der Rolle dieser Länder in der Weltwirtschaft auseinanderzusetzen.

07.11.2018 | 13:44 Uhr

Anleger sind sich generell der wirtschaftlichen Bedeutsamkeit von Schwellenländern bewusst. Jedoch tun sie sich oft schwer, dieses Bewusstsein auch in ihren Portfolios umzusetzen. Vielleicht fehlt es in manchen Fällen einfach an den nötigen Kenntnissen.

Diese Anleger haben Finanzmärkte ignoriert, die seit der Jahrtausendwende zu denen mit der besten Wertentwicklung weltweit gehören. Die Abneigung der Investoren gegenüber diesen Ländern ergibt sich in manchen Fällen aus einer Fehleinschätzung der involvierten Wertschwankungen.

Mit den folgenden Abbildungen illustrieren wir einige Statistiken, um zu zeigen, dass sich die Investition in Schwellenländer lohnen kann.

Risiken und Erträge

Ob Aktien oder Anleihen – einige der größten Renditen werden seit Ende 1999 in den Schwellenländern erwirtschaftet.

Die Aktienmärkte der Schwellenländer sind auf annualisierter Basis um nahezu das Dreifache der Märkte in Westeuropa gestiegen. Außerdem haben sie US-Aktien überflügelt, und dies trotz der unglaublich langen Haussephase der vergangenen zehn Jahre in den USA.

Jedoch waren Anleger in den Schwellenländern, während sie die wesentlich höheren Renditen einstrichen, keineswegs extremeren Wertschwankungen ausgesetzt als in Europa.

Auch bei den Anleihen lagen die Schwellenländer vorn, wobei diese Anlageklasse jedoch auch die größten Wertschwankungen aufwies.

Natürlich sollten sich Investoren der Tatsache bewusst sein, dass die Wertentwicklung in der Vergangenheit keinen Hinweis auf die Entwicklung in der Zukunft gibt. Wir verweisen auch darauf, dass es sich bei diesem Zeitraum um eine außergewöhnlich starke Phase für Schwellenländer handelte. Im Vergleich dazu belasteten in den 1990er Jahren die Tequila-Krise (1994), die Asienkrise (1997) und die Russlandkrise (1998) die Renditen.

Die untenstehende Abbildung zeigt die Renditen, die seit der Jahrtausendwende erwirtschaftet wurden, sowie die seitdem verzeichneten Wertschwankungen.

Risiken und Renditen

Historische Renditen und Wertschwankungen seit Ende 1999

Historische Renditen und Wertschwankungen seit Ende 1999

Quelle: Schroders, Thomson Datastream, Daten per Ende Juni 2018, in US-Dollar. Stellvertretend für Anleihen sind der BD Benchmark 10Y Datastream Govt Index, der United States Benchmark 10Y Datastream Government Index und der JPM EMBI + Composite. Stellvertretend für Aktien sind der MSCI EMU, S&P 500 und die Emerging Markets-Datastream Market und Total Return Indizes. Die vorstehende Nennung von Sektoren, Regionen, Wertpapieren und Ländern dient ausschließlich zur Veranschaulichung und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Die in der Vergangenheit erzielte Performance gilt nicht als zuverlässiger Hinweis auf künftige Ergebnisse. Anteilspreise und das daraus resultierende Einkommen können sowohl steigen als auch fallen; Anleger erhalten eventuell den investierten Betrag nicht zurück. 

Sehen wir uns zunächst die Aktienmärkte an. Schwellenländeraktien haben seit der Jahrtausendwende um durchschnittlich 7,9 % pro Jahr zugelegt, was gemessen am MSCI EMU Index weit über den 3,5 % der Eurozone und gemessen am breit angelegten S&P 500 Index über den 5,4 % der Wall Street liegt.

Alle drei Regionen haben in diesem Zeitraum beträchtliche Auf- und Abschwünge verzeichnet. Die Wertschwankungen der Schwellenländer lagen mit 20,9 % pro Jahr jedoch leicht unter den 21,1 % der Eurozone. Die Renditeunterschiede waren hingegen enorm. US-Aktien waren mit 14,4 % weniger volatil.

Anleger, die in Anleihen aus den Schwellenländern investierten, strichen Renditen von 8,5 % pro Jahr ein. Dies liegt etwas über den Renditen von Schwellenländeraktien, womit diese Anleihen unter den hier beschriebenen Anlageklassen die beste Wertentwicklung aufwiesen. US-Anleihen (repräsentiert durch zehnjährige US-Staatsanleihen) rentierten jährlich 5,0 % und Anleihen der Eurozone 5,9 %.

Die Wertschwankungen von Schwellenländeranleihen waren mit 9,2 % am ausgeprägtesten, gefolgt von 7,3 % für US-Anleihen und 5,5 % für Anleihen der Eurozone.

Schwellenländer unterliegen im Allgemeinen einem größeren politischen, rechtlichen, operativen und gegenparteilichen Risiko. Aktienmärkte in Schwellenländern können höhere Wertschwankungen aufweisen als Aktienmärkte in ausgereiften Volkswirtschaften. Anlagen in Fremdwährungen unterliegen Wechselkursrisiken. 

Ungleichgewicht zwischen Volkswirtschaften und Märkten

Das schlagkräftigste Argument für die Investition in Schwellenländer ist die Größe ihrer Volkswirtschaften im Vergleich zu ihren Finanzmärkten.

Ein wichtiger Grund dafür, dass Schwellenländer keinen größeren Anteil an Portfolios ausmachen, ist, dass die Finanzmärkte dieser Länder im Vergleich zu ihrer wirtschaftlichen Macht klein sind.

Beispielsweise tragen Schwellenländer auf Basis des nominalen Bruttoinlandsprodukt inzwischen 45 % zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei. Ihre Aktienmärkte machen insgesamt jedoch nur 29 % des weltweiten Gesamtmarkts aus, während ihre Anleihemärkte mit 16 % noch weiter zurückliegen. Sieht man sich die Indizes an, denen die Anleger die größte Aufmerksamkeit schenken, ist das Gefälle noch größer, wie die untenstehende Abbildung zeigt. Es ist offensichtlich, dass sich die Kapitalmärkte der Schwellenländer nicht vollständig geöffnet haben, obwohl die Globalisierung die Integration dieser Länder in die Weltwirtschaft vorangetrieben hat. China ist hierfür ein Paradebeispiel. Die chinesischen Aktien- und Anleihemärkte sind die zweit- bzw. drittgrößten der Welt. Bis vor Kurzem hatten internationale Anleger jedoch kaum Zugang zu ihnen. Mit dem China Stock Connect-Programm, das die Börsen in Hongkong und Shanghai miteinander verknüpft, hat sich das geändert. Der Zugang für ausländische Investoren ist jedoch immer noch nicht problemlos.

Größe der Volkswirtschaften und Kapitalmärkte der Schwellenländer
Die Kapitalmärkte der Schwellenländer stehen in keinem Bezug zu ihrer wirtschaftlichen Schlagkraft

Größe der Volkswirtschaften und Kapitalmärkte der Schwellenländer

Quelle: Globale BIP-Daten des IWF für 2017, Stand: September 2018. Daten zu globalen Aktienmärkten von FactSet, Stand: September 2018. Daten zu globalen Anleihemärkten von BIS, Stand: Dezember 2017 (aktuellste zur Verfügung stehende Daten). MSCI AW World, Stand: August 2018. Daten zum Bloomberg Barclays Global Aggregate von FIA, Stand: September 2018. Benchmarkunabhängige Klassifikationen der Schwellen- und Industrieländer, die bei der Berechnung von prozentualen Anteilen herangezogen werden, werden durch einen Filter bestimmt, der in einem ersten Schritt Länder mit einem hohen Bruttonationaleinkommen pro Kopf (über 12.476 US-Dollar nach Definition der Weltbank) aussortiert. Wird eines dieser Länder von MSCI, Bloomberg Barclays, UNPD oder IWF als Schwellenland oder Frontier-Markt eingestuft, wird es aussortiert, sodass nur noch Länder verbleiben, die konsequent als Industrieländer klassifiziert werden. Alle anderen Länder werden als Schwellenländer eingestuft. * einschließlich MSCI Frontier Markets.

Passiv oder aktiv in Schwellenländern investieren?

Wenn sich ein Anleger dafür entscheidet, einen beträchtlichen Anteil seines Portfolios in Schwellenländer zu investieren, welche Möglichkeiten stehen ihm offen?

Die erste Entscheidung, die getroffen werden muss, betrifft die „passive“ oder „aktive“ Anlage. Anders gesagt: Kauft man einen einfachen, kostengünstigen Fonds, der einen Index nachbildet, oder zahlt man für das Know-how eines aktiven Managers?

Überzeugende Argumente gibt es auf beiden Seiten. Bei Schwellenländern sprechen zwei Aspekte jedoch eher für einen aktiven Ansatz.

Erstens ist hier die Prävalenz von staatseigenen Unternehmen in Schwellenländern wie China zu nennen. Die Daten zeigen, dass sich staatliche Unternehmen, insbesondere in den vergangenen Jahren, wesentlich schlechter entwickelt haben als Privatunternehmen. Dies zeigt in einem weltweiten Kontext die untenstehende Abbildung.

Sie macht jedoch auch deutlich, dass sich für Anleger die Investition in solche Unternehmen gelegentlich lohnen kann, wobei es aber auch Zeiten gibt, in denen man sie am besten vermeidet. Natürlich kann man nicht alle diese Unternehmen über einen Kamm scheren. Letztlich muss der größere Einfluss der Regierung auf das Geschick solcher Unternehmen und das Risiko, dass sie als politisches Instrument eingesetzt werden könnten, sorgfältig abgewogen werden. Ein aktiver Fondsmanager hat dafür die notwendige Flexibilität.

Wertentwicklung von 100 US-Dollar investiert in staatliche und nicht-staatliche Unternehmen1

Wertentwicklung von 100 US-Dollar investiert in staatliche und nicht-staatliche Unternehmen

1 Quelle: UBS, IBES, Datastream, Schätzungen von UBS, September 2018. Die in der Vergangenheit erzielte Performance gilt nicht als zuverlässiger Hinweis auf künftige Ergebnisse. Anteilspreise und das daraus resultierende Einkommen können sowohl steigen als auch fallen; Anleger erhalten eventuell den investierten Betrag nicht zurück.

Zweitens geht es um die Leistung von Unternehmen der Schwellenländer im Hinblick auf ESG-Aspekte (Umwelt, Soziales und Corporate Governance).

Gemäß einer Analyse einer großen Anzahl an Studien2 zum Einfluss dieser Aspekte auf die Wertentwicklung von Anlagen ist der Zusammenhang zwischen guten ESG-Praktiken und Anlagerenditen insbesondere in Schwellenländern sehr ausgeprägt, wie in der untenstehenden Tabelle gezeigt. In den USA ergab eine sehr knappe Mehrheit von Studien eine positive Korrelation, während 70,8 % der Research-Projekte eine Korrelation der beiden Faktoren in Schwellenländern feststellten. 

Gute ESG-Praktiken korrelieren mit größeren Renditen, insbesondere in Schwellenländern2

Gute ESG-Praktiken korrelieren mit größeren Renditen, insbesondere in Schwellenländern

2 Quelle: Gunnar Friede, Timo Busch & Alexander Bassen (2015): ESG and Financial Performance – Aggregated Evidence from more than 2000 Empirical Studies excluding those based on Portfolios. Journal of Sustainable Finance and Investment. Die in der Vergangenheit erzielte Performance gilt nicht als zuverlässiger Hinweis auf künftige Ergebnisse. Anteilspreise und das daraus resultierende Einkommen können sowohl steigen als auch fallen; Anleger erhalten eventuell den investierten Betrag nicht zurück.

Ein aktiv verwalteter Schwellenländerfonds kann sich auf Unternehmen mit guten ESG-Praktiken konzentrieren. Der genaue Ansatz bei der Bewertung von ESG-Aspekten kann je nach Fonds variieren; unseres Erachtens sollte die qualitative Bewertung von ESG-Aspekten jedoch einer der wichtigsten Bestandteile jeder Analyse sein. 

Attraktive Bewertungen

Attraktive Bewertungen

Quelle: Schroders, Thomson Reuters Datastream, MSCI. Daten zum Mittelwert von 1995 bis August 2018.

Auf den ersten Blick scheint die Bewertung von Schwellenländeraktien im Vergleich zu ihrer langfristigen Geschichte und zu ihren Pendants der Industrieländer günstig zu sein, wie die obenstehende Tabelle zeigt. Das dunkelste Grün steht für den besten Wert, während das dunkelste Rot die teuersten Bewertungen anzeigt.

Das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis zeigt den aktuellen Indexpreis von Schwellenländern im Vergleich zu den Gewinnen der vergangenen zwölf Monate für alle Indexunternehmen. Je niedriger das Verhältnis, desto günstiger der Markt.

Schwellenländer weisen ein relativ gutes Verhältnis auf, das nur knapp unter ihrem langfristigen Durchschnitt liegt.

Das Kurs-Buch-Verhältnis zieht den Buchwert bzw. Nettoinventarwert im Vergleich zu den Unternehmenswerten heran. Auch hier steht ein niedrigeres Verhältnis für einen besseren Wert. Dieser Kennzahl zufolge liegt die Bewertung von Schwellenländeraktien mit 1,7 in etwa auf Höhe ihres langfristigen historischen Durchschnitts.

Die Dividendenrendite ist das Einkommen, das Anlegern als Prozentanteil des aktuellen Aktienkurses ausgezahlt wird. In diesem Fall geht eine niedrigere Dividendenrendite mit schwächeren zukünftigen Renditen einher. Schwellenländeraktien bieten gegenwärtig eine Dividendenrendite von 2,6 %, was über ihrem langfristigen Durchschnitt von 2,4 % liegt.

In unserer Tabelle bietet nur Europa auf Basis dieser historischen Vergleiche den gleichen Wert wie die Schwellenländer. 

Natürlich reicht diese einfache Analyse für eine Anlageentscheidung nicht aus. Die meisten analytischen Werkzeuge haben gewisse Nachteile, und die Analyse berücksichtigt weder die Verschuldung der Unternehmen noch die verschiedenen Risiken. Weitere Analysen sind daher notwendig, um zu verstehen, ob Schwellenländer eine günstige Gelegenheit darstellen oder ob sie aus einem bestimmten Grund so billig sind. Attraktive Bewertungen sind nicht immer mit guten Renditen gleichzustellen. Diese Indikatoren sprechen jedoch dafür, dass sich ein genauerer Blick auf Schwellenländer lohnen könnte.

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Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 31.10.18 auch auf schroders.com veröffentlicht.

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