Schroders: Neuer Glanz für Gold?

Die Aktienbewertungen sind extrem hoch, und an den Märkten macht sich Sorglosigkeit breit. Wir erläutern, warum dies das Anlageargument für Gold untermauern könnte.

13.09.2017 | 12:59 Uhr

Trotz der deutlichen US-Dollar-Schwäche hat sich der Goldpreis in jüngster Zeit noch verhalten entwickelt.

Zurückzuführen ist das unter anderem auf die Erholung der Realzinsen und die stabilere chinesische Währung Yuan, wodurch die kurzfristige Nachfrage chinesischer Anleger nach Gold gesunken ist.

Diese Faktoren sind allerdings vorübergehender Natur und ändern nichts an unserer Überzeugung, dass für Gold eine neue Hausse angebrochen ist. Unsere Einschätzung beruht auf vier Hauptargumenten:

  1. Die globalen Zinsen müssen niedrig bleiben.

  2. Die Aktienbewertungen sind insgesamt extrem hoch und an den Finanzmärkten macht sich Sorglosigkeit breit.

  3. Dem US-Dollar könnte eine Baisse bevorstehen.

  4. Die chinesische Nachfrage nach Gold könnte ansteigen (tatsächlich ist die chinesische Nachfrage nach Goldbarren und -münzen dem World Gold Council zufolge im ersten Quartal 2017 bereits um mehr als 30 % gestiegen).

Derzeit halten wir vor allem den zweiten Faktor für ausschlaggebend.

Das hängt mit den aktuell erhöhten geopolitischen Risiken zusammen: In Venezuela herrscht seit Monaten Chaos, während sich die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA zusehends verschärft haben. Es ist also möglich, dass in den kommenden Monaten ein Ereignis eintritt, das die Anleger dazu veranlasst, die Risiken in ihren Portfolios zu reduzieren.

Wir sind überzeugt, dass sich Gold in einem solchen Fall als unterkauft und günstig bewertete „Versicherung“ erweisen könnte.

Wie kommen wir zu der Einschätzung, dass die Anleger sorglos sind? 

In der englischen Sprache wird das von uns beobachtete Phänomen als Complacency bezeichnet. Ins Deutsche übersetzt man diesen Begriff zumeist mit Sorglosigkeit oder Selbstgefälligkeit. Herrscht an den Märkten Complacency, übersehen die Anleger häufig potenzielle Gefahren oder Probleme.

Schauen wir uns zunächst den US-Aktienmarkt an. Im August stieg der S&P 500 Index auf ein Allzeithoch von 2.480 Punkten. Seit Jahresbeginn hat er einen Anstieg von knapp 9,5 % verzeichnet (Quelle: Bloomberg, 11. September 2017).

Der Index ist mit Blick auf zahlreiche Messgrößen teuer bewertet. Egal, ob wir das einfache Kurs-Buchwert-Verhältnis1 betrachten, das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis oder das Verhältnis von Unternehmenswert zu Cashflow2 (jeweils verschiedene Methoden zur Bewertung eines Unternehmens): Der S&P 500 Index notiert zu Bewertungen, die 60 bis 100 % über den historischen Mittelwerten der vergangenen 90 Jahre liegen.

Und egal, welche Kennzahl man bevorzugt: Die historische Regressionsanalyse deutet darauf hin, dass vom derzeitigen Ausgangspunkt aus mit sehr niedrigen Aktienrenditen zu rechnen ist.

In letzter Zeit wurden die aktuell hohen Bewertungen durch zwei Argumente begründet: das Vorhaben Trumps, die Unternehmenssteuer zu senken, und die Überzeugung, dass die historisch niedrigen Kapitalkosten der Unternehmen das künftige Gewinnwachstum stützen werden.

Es ist durchaus möglich, dass US-Unternehmen von niedrigeren Steuersätzen profitieren werden, doch das Argument der geringen Kapitalkosten halten wir für nicht stichhaltig. Steigende Zinsen werden den (im historischen Vergleich) bereits erhöhten Aktienbewertungen nicht zugutekommen, während die Kapitalkosten der Unternehmen steigen. Da die Arbeitslosigkeit sinkt, wird die Inflation insgesamt ansteigen, wenn auch mit einer Verzögerung. Ob es den Anlegern gefällt oder nicht: Wir befinden uns eindeutig in einer Phase steigender nominaler (nicht realer) Zinsen.

Lässt sich bei schwachen Aktienmärkten mit Gold tatsächlich eine gute Wertentwicklung erzielen?

Aus historischer Perspektive betrachtet sind wir der Ansicht, dass Gold in Zeiten schwacher Aktienmärkte durchaus sehr gut abschneiden kann.

Es gibt eindeutige Belege für den Status von Gold als „sicherer Hafen“. So zeigt die Wertentwicklung des Goldpreises zwischen 1961 und Juli 2017, dass die jährlichen Renditen vor allem in Phasen mit hoher Inflation3 positiv ausfielen, während die Aktienmärkte negative Ergebnisse verbuchten.

Wir sehen keinerlei Grund zur Annahme, dass dieser Trend künftig gebrochen wird. Das spricht für eine Mindestallokation in Gold oder Goldaktien, um Portfolios zu diversifizieren. Allerdings müssen wir darauf hinweisen, dass die Wertentwicklung in der Vergangenheit nicht als Maßstab für künftige Ergebnisse betrachtet werden sollte.
Hohe Aktienbewertungen allein sind noch kein Grund, um das Aufwärtspotenzial von Gold anzupreisen. Doch wenn sich zusätzlich die Anlagemärkte allgemein sorglos zeigen, erscheint das Rendite/Risiko-Verhältnis vielversprechend.

Es ist weithin bekannt, dass der beste Zeitpunkt für den Kauf einer Versicherung dann ist, wenn die Versicherer es für unwahrscheinlich halten, dass das betreffende Risikoereignis eintreten wird. In Großbritannien beispielsweise stiegen die Versicherungsprämien zur Absicherung von Privathaushalten gegen Überschwemmungen nach den Flutkatastrophen von 2007 und 2014 um bis zu 550 %.

Genau hier lässt sich eine Brücke zum VIX schlagen: Der Index spiegelt die implizite Volatilität4 des S&P 500 Index für die jeweils kommenden 30 Tage wider. Der VIX basiert auf der impliziten Volatilität, die in die börsengehandelten Optionen auf die Aktien im S&P 500 eingepreist ist.

Aktuell notiert der VIX in der Nähe eines 27-jährigen Tiefstands. Die Anleger preisen derzeit nicht nur ein stabiles Preisumfeld für den S&P 500 Index in den kommenden Monaten ein, sondern gehen im Wesentlichen von dem günstigsten Risikoumfeld in der Geschichte des Index aus.

Uns erscheint das aus vielerlei Gründen merkwürdig. Einer davon ist die alarmierende Tatsache, dass den extrem hohen Aktienbewertungen die allmähliche Normalisierung der Geldpolitik der Zentralbanken weltweit gegenübersteht, die nun die umfassendsten Maßnahmen in der Geschichte zurückfahren. Zudem lauern tiefer verwurzelte externe Risikofaktoren im Hintergrund.

Für uns ist es schwierig, nachzuvollziehen, warum der Markt davon ausgeht, dass die Volatilität in den kommenden Monaten nicht ansteigen wird: Ein jeglicher externer Schock wird zu einem Anstieg der impliziten Volatilität führen, da die Aktienbewertungen am breiten Markt ausgereizt erscheinen. Die Ausnahme: Goldaktien. Wir halten sie für günstig bewertet und unsere Positionen preisen derzeit einen Goldpreis von weniger als 1.200 US-Dollar je Feinunze ein.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags lag der Goldpreis bei 1.291 US-Dollar.

 

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

 

Der Beitrag wurde am 11.09.17 auch auf schroders.com veröffentlicht.

 



1 Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) gibt das Verhältnis zwischen dem Kurswert der Aktien eines Unternehmens (Aktienkurs) und dem Buchwert der Aktien an. Der Buchwert der Aktien entspricht wiederum dem bilanziell ausgewiesenen Wert der Vermögenswerte des betreffenden Unternehmens. Dieser ist definiert als die Differenz zwischen dem Buchwert der Aktiva und dem Buchwert der Passiva des Unternehmens. Das KBV soll verdeutlichen, zum Wievielfachen des Buchwertes eine Aktie an der Börse gehandelt wird.

2 Nettozufluss liquider Mittel (= positiver Cashflow) bzw. Nettoabfluss (= negativer Cashflow) während einer Periode, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens.

3 Messgröße für den Anstieg der Preise von Waren und Dienstleistungen im Zeitverlauf.

4 Kennzahl für die Häufigkeit und Intensität der Preisschwankungen eines Werts (z. B. Wertpapier- oder Devisenpreise, Index) innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

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