Dr. Markus Elsässer: Warum sich der Besuch einer Hauptversammlung lohnt!

Dr. Markus Elsässer: Warum sich der Besuch einer Hauptversammlung lohnt!
Börse

Einen schönen guten Morgen meine lieben Freunde und Freundinnen des unabhängigen Kapitals. Nun ist es wieder Zeit für: „Elsässers 8 Uhr Früh“ mit dem heutigen Thema: Lohnt sich der Besuch einer Hauptversammlung?

03.08.2021 | 07:59 Uhr

Die Hauptversammlung ist für mich als Aktionär immer ein Termin gewesen, der jährlich in meinem Terminkalender zu finden war, denn 1-mal im Jahr kommen bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft die Aktionäre zusammen. Es ist nicht relevant, ob Sie eine Einzelaktie besitzen oder 10 % am gesamten Kapital der Gesellschaft, denn Sie können schon mit dem Besitz einer Aktie an der Hauptversammlung teilnehmen. Ich empfehle Ihnen sehr, die Termine für die Hauptversammlung wahrzunehmen, denn für mich war das immer eine sehr gewinnbringende Unternehmung.

Worauf sollte man bei dem Besuch achten? Zunächst noch ein anderer Trick: Wenn eine Aktiengesellschaft bisher nur Ihre Aufmerksamkeit gewonnen hat, Sie aber noch nicht investiert haben, dann lohnt es sich manchmal, eine sehr kleine Menge Aktien zu erwerben, um dieses Teilnahmerecht an der Hauptversammlung zu erwirken. Falls Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Ihnen auf der Hauptversammlung die Aktiengesellschaft als Unternehmen doch nicht zusagt, stoßen Sie die Aktie wieder ab, aber Sie haben an Erfahrung gewonnen. Ich habe die Hauptversammlungen immer genutzt, um tiefer an die Quelle der Information zu kommen und ein Gespür für die Firma entwickeln zu können. Wie macht man das am besten?

Zu Hauptversammlungen bin ich immer sehr frühzeitig erschienen. Erkundigen Sie sich, wann es losgeht und vor allen Dingen wann die Türöffnung ist. Ich würde versuchen, als Erstes in der Schlange zu stehen. So können Sie schon von Beginn an nett und unverfänglich mit dem dort anwesenden Personal sprechen und feststellen, ob es sich um Mitarbeiter des Unternehmens handelt. Wenn das der Fall ist, können Sie interessante Details beispielsweise über das Betriebsklima oder die Mitarbeiterzufriedenheit erfahren. Ich empfehle Ihnen einen Sitzplatz in der ersten Reihe, denn so können Sie den Aufsichtsrat, den Vorstand und den Notar von Angesicht zu Angesicht erleben. Von dort haben Sie einen guten Beobachtungspunkt und können auf Mimik, Gestik und körperliches Befinden achten. Manchmal sind die ersten Reihen allerdings für Familiengesellschaften reserviert. Auch hier lohnt sich eine akribische Analyse sehr, denn die Großaktionäre haben wesentlichen Einfluss auf das Geschehen im Unternehmen. Beobachten Sie während der Hauptversammlung alles sehr genau! Werden Fragen gerne beantwortet? Ist der Vorstand in der Lage, Fragen auch eigenständig zu beantworten, oder wird nur abgelesen, was das Backoffice vorgibt? Wenn ein Vorstand und der Aufsichtsrat nicht begreifen, die Zusammenkunft wie eine Eigentümerfamilie zu sehen, sondern die Versammlung als einen lästigen Termin abwickeln, dann ist das kein gutes Zeichen. Ich achte sehr auf die persönliche Chemie und die Stimmung im Podium und finde es sehr gut, wenn Vertreter von Großaktionären oben im Gremium sitzen und nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Sie als Aktionär stellen über das gesamte Jahr hinweg dem Unternehmen Ihr Kapital zur Verfügung, Sie bestimmen den Aufsichtsrat, der Aufsichtsrat wacht über den Vorstand und der Vorstand steuert das gesamte Personal. Daher ist der Umgang mit den Eigentümern äußert wichtig. Für Aktionäre besteht ein gewisser Schutz nur in Form der Hauptversammlung. Entwickeln Sie dort ein Gespür dafür, ob Sie den richtigen Menschen Ihr Kapital anvertrauen.

Teilweise erleben Sie sehr aktive Aktionäre, die nach dem Vortrag des Vorstandes und des Finanzvorstandes an das Podium treten und dort Fragen stellen. Von diesen Fragen können Sie ebenfalls viel lernen. Merken Sie sich das Gesicht des Fragestellers und schauen Sie, wo besagter Aktionär seinen Sitzplatz hat. Schauen Sie, wie der Vorstand und der Aufsichtsrat auf den Fragesteller reagieren. Bei der Hauptversammlung ist es völlig normal, dass Sie zu einem Fragesteller gehen und auch ihm eine Frage stellen können. Sie können aber auch zum Notar gehen und fragen, ob Sie das Teilnehmerverzeichnis einsehen dürfen. Bei meinen Besuchen war das juristisch kein Problem, sodass ich feststellen konnte, wer wie viele Aktien besitzt. Schauen Sie, ob Sie an eine interessante Adresse kommen, um zu diesem Aktionär im späteren Zeitablauf Kontakt aufzunehmen. Es gibt keinen Grund, sich vor Fragen zu scheuen! Wenn Sie 2 – 3 Mal Fragen gestellt haben, sind Sie sehr gut gerüstet, falls andere Fragesteller aus ihrer Sicht ungerechtfertigt oder mit falschen Argumenten niedergebügelt werden, vor den Vorstand zu treten und sich für Ihren Vorredner einzusetzen! Sitzen Sie nicht dort wie eine Marionette! Sie sind Miteigentümer! Das A & O ist hier die Eigeninitiative!

Erschwerend kommt hinzu, dass manche Banken auch Geld für das Besorgen des Tickets für die Hauptversammlung verlangen. Dennoch würde ich die Mühe und den Aufwand auf mich nehmen und die Hauptversammlung besuchen. Einen weiteren sehr großen Mehrwert bietet die informelle Zusammenkunft der Aktionäre nach der Hauptversammlung. Hier sollten Sie möglichst lange verweilen, denn ich hatte dort schon sehr interessante Begegnungen. Oft sind unter den Aktionären frühere Mitarbeiter, und so habe ich nach der Hauptversammlung beispielsweise den früheren Europa-Vertriebschef der Aktiengesellschaft getroffen. Sollten Sie zu einer solchen Gelegenheit kommen, stellen Sie auch hier gerne Fragen! Fragen Sie, wie der Aufbau des Europanetzes durchgeführt wurde und welche Veränderungen in der Zukunft anstehen.

Schließlich kann ich Ihnen versprechen, dass wenn Sie die Hauptversammlung zum zweiten oder dritten Mal besuchen, Sie immer mehr bekannte Gesichter wiedersehen und Sie fast schon automatisch in ein Gespräch kommen. Abschließend möchte ich noch eine lustige Anekdote anbringen: So stand die Hauptversammlung einer damaligen Aktiengesellschaft an und ich wusste vorab schon, dass eine sehr lange Versammlung auf mich zukommt, da die Gesellschaft eine Krise durchlitt. Um später keinen flauen Magen zu haben, entschied ich mich dazu, Obst einzupacken. Dieses wurde mir von den Sicherheitskontrollen am Empfang abgenommen, da man Angst hatte, ich würde dieses als Wurfgeschosse auf den Aufsichtsrat und Vorstand verwenden. Wenn Ihnen so etwas passiert, dann deutet dies ebenfalls nicht auf ein gutes Bild der Gesellschaft hin. Am Tag der Hauptversammlung haben Sie eine sehr gute Möglichkeit viel über Ihre Aktiengesellschaft in Erfahrung zu bringen – nutzen Sie dies!

Vielen Dank und bis bald!

Der Autor Dr. Markus Elsässer ist seit 1998 selbstständiger Investor und Fondsberater sowie Gründer der ME-Fonds, die er seit dem Jahr 2002 betreut. In seinem Buch, im "Des klugen Investors Podcast" und auf seinem YouTube-Channel geht er regelmäßig auf Handwerkszeug zum Value-Investing, psychologische Gefahren beim Investieren und wertvolle Tipps zum Vermögensaufbau ein.


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