Bellevue: Biotechnologie mit Zu­kunfts­po­ten­zi­al

Schon heute stammt jedes zweite zugelassene Medikament aus den Laboren der Biotechindustrie. Zu Recht hat sie deshalb den Ruf als Innovationsmotor der Medizin. Dr. Christian Lach, Portfolio Manager Biotechnologie-Fonds bei Bellevue Asset Management über seine R & D Highlights.

20.12.2017 | 09:07 Uhr

Einer der grössten Durchbrüche in der Biotechnologie der letzten 20 Jahre war sicherlich die Etablierung der medizinischen Verwendung monoklonaler Antikörper. Mit ihnen gelang der Auftakt der modernen personalisierten Medizin. Dies erfolgte 1997 mit der Zulassung des Antikörpers Rituxan (Idec Pharma / Genentech – Roche) für CD20 positive Lymphome (NHL) und Leukämie (CLL) sowie im Jahr darauf mit Herceptin (Genentech – Roche) für die aggressive Form von Brustkrebs (HER2+). Mit beiden Antikörpern gelang es erstmals, Tumore gezielt mit rekombinanten Antikörpern zu bekämpfen. Die gentechnologische und biotechnologische Meisterleistung war dabei, Moleküle, die normalerweise im Körper von Menschen als Abwehrreaktion gegen Fremdkörper gebildet werden, ausserhalb des Körpers in grosser Menge und in grosser Reinheit herzustellen. Der zweite Meilenstein war sodann die Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Rahmen des Humanen Genom-Projektes im Jahr 2000. Mit der daraus entwickelten Genkarte gelang es erstmals, einen Überblick über die an spezifischen Krankheiten beteiligten Gene aufzustellen. Damit wurde der Grundstein dafür gelegt, Krankheiten systematisch auf der Ebene der Gene und nicht nur aufgrund des äusseren Erscheinungsbildes (Phänotyp) zu klassifizieren und geeignete Therapien auf dieser Grundlage zu entwickeln. Im Bereich Onkologie zeigte sich der Erfolg in der personalisierten Medizin mit den sogenannten Targeted Kinase Inhibitors. Im Bereich der AIDS (HIV) oder Hepatitis C (HCV) Therapie gelang dies mit immer spezifischer wirkenden Hemmstoffen der Virenenyzme. Und seit einigen Jahren fliesst beides zusammen im Bereich der Behandlungsmethoden für Autoimmunkrankheiten und auch für immunonkologische Therapien für Krebserkrankungen. Bei den ersten nutzt man Antikörper gegen Entzündungsmediatoren wie den Tumor Necrosis Factor (TNF), bei den letzteren ermöglichen die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren eine gezielte Unterstützung des Immunsystems.  

In Zukunft wird sich die Forschung vermehrt mit dem Verständnis der Krankheiten auf molekularer und genetischer Ebene beschäftigen. Umso wichtiger werden damit immer gezieltere Methoden, um Gene spezifisch an- oder abzuschalten. Da im Krankheitsfall häufig Gene dauerhaft angeschaltet sind und die natürlichen Abschaltmechanismen nicht mehr greifen, spielen vor allem künstliche Abschaltmechanismen eine Rolle. Die biotechnologischen Methoden mit denen dies gelingt, sind einerseits das Gene Editing (CRISPER Cas9 und ähnliche) sowie, die Antisense Technologie oder Silencing RNAs. Erste Medikamente auf Basis der zuletzt genannten Technologien sind bereits auf dem Markt (Biogens Spinraza). Das Gene Editing ist kommerziell bisher lediglich in der Pflanzenzüchtung etabliert, da damit zielgerichtet Gene abgeschaltet werden können, ohne dass dauerhaft fremdes Erbgut eingeschleust wird. In der Medizin ist diese Methode noch nicht etabliert, mit ihrer Hilfe könnten aber defekte Gene zielgenau repariert, aktiviert oder abgeschaltet werden. Mit Gene Editing könnte sich auch der Einsatz moderner Krebstherapien wie der CAR-T-Zellen verbessern lassen. Durch die einfache und kostengünstige Sequenzierung des gesamten Erbguts (Genom) sollte auch die Analyse des Mikrobioms immer wichtiger für die Behandlung von Krankheiten werden. Das Mikrobiom umfasst das Erbgut des Menschen und aller Mikroorganismen, die in oder auf seinem Körper (Haut, Darm, Mundhöhle) in teilweise komplexen Beziehungen untereinander leben. Das Mikrobiom kann die Wirkung von Medikamenten beeinflussen und spielt auch für das Immunsystem eine grosse Rolle.  Daher steigt das Interesse in letzter Zeit stark an und wird zukünftig noch mehr zunehmen. Neben diesen technischen Konzepten kommt der Analyse genetischen Information und ihrer dynamischen Aktivitätsmuster eine wichtige Bedeutung zu. Hierfür gewinnen Datenbanken und Algorithmen der künstlichen Intelligenz zukünftig grosse Bedeutung.

Diesen Beitrag teilen: