Schroders: Sind die Anleger sorglos?

Angesichts steigender Aktienmärkte und niedriger Wertschwankungen stellt sich die Frage, ob Anleger sorglos werden, insbesondere wenn man die sinkenden Anleiherenditen und erhöhte politische Unsicherheit berücksichtigt.

14.07.2017 | 10:18 Uhr

  • Was die Wertentwicklung der Märkte seit Jahresbeginn betrifft, so stellen wir fest, dass Aktien von allen Anlageklassen am besten abgeschnitten haben. Auch Gold und Unternehmensanleihen haben sich gut entwickelt. Rohstoffe schnitten hingegen am schlechtesten ab. 
  • Die Schwellenländer haben von einem extrem entgegenkommenden Umfeld profitiert. Da die US-Notenbank Fed und China beide eine restriktivere Geldpolitik signalisieren und die Europäische Zentralbank EZB ihr quantitatives Lockerungsprogramm zurückfährt, ist das Liquiditätsumfeld inzwischen weniger entgegenkommend. Wir analysieren mögliche Schwachstellen.

Marktüberblick zur Jahresmitte

2017 stellte für die Anleger bislang ein interessantes Jahr dar. Die Versprechen des US-Präsidenten Trumps zu Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und Deregulierung waren für den Reflationshandel Ende vergangenen Jahres verantwortlich. Obwohl er bis Anfang 2017 anhielt, sind die Anleger inzwischen nicht mehr davon überzeugt, dass der Präsident seine Versprechen einhalten wird. Die Rallye hat somit in den vergangenen Monaten nachgelassen.

Aktien haben in diesem Jahr von allen Anlageklassen am besten abgeschnitten. Rohstoffe schnitten am schlechtesten ab. Öl befand sich trotz der Produktionsdrosselungen der OPEC erneut in einer Baisse, während sich Gold als relativ widerstandsfähig erwies. Bei den Aktien waren die Märkte Europas und der Schwellenländer führend, wozu eine größere Risikobereitschaft und ein schwächerer US-Dollar beitrugen (bislang zählte der Dollar in diesem Jahr zu den schwächsten Währungen).

Bei den Staatsanleihen erreichten britische Gilts die beste Wertentwicklung, da eine Abschwächung der Wirtschaft und die Unsicherheit rund um den Brexit diesen sicheren Anlagehafen attraktiver machten. Auch US-Treasuries entwickelten sich positiv, wobei dies vor allem auf die Auflösung des „Trump-Handels” zurückzuführen war. Was die Kreditmärkte betrifft, so konnten die US-Märkte ihre europäischen Pendants angesichts sinkender Anleiherenditen und steigender Aktienmärkte mühelos überflügeln.

Bei den Währungen entwickelten sich der Euro und der Yen auf handelsgewichteter Basis positiv, während der US-Dollar abwertete. Die meisten anderen Währungen blieben stabil.

Sind die gegenwärtigen Trends von Dauer?

Die sinkenden Renditen der Staatsanleihen und die anhaltende Rallye der Aktien deuten darauf hin, dass die Anleger geteilter Meinung sind, was den aktuellen Ausblick betrifft. Die Wertschwankungen sind trotz der restriktiveren Haltung der US-Notenbank weiterhin sehr niedrig. Die reichliche Liquidität war in der Vergangenheit für niedrige Wertschwankungen verantwortlich und sorgte dafür, dass sich diese Märkte in die gleiche Richtung bewegten. Historische Daten zeigen jedoch, dass diese Tendenz in der Regel nicht von Dauer ist.

Möglicherweise haben sinkende Ölpreise zur aktuellen Marktlage beigetragen. Obwohl niedrigere Ölpreise den Energiesektor belasten werden, könnten einige Zentralbanken wie die Fed und die Bank of England angesichts einer wohl nachlassenden Inflation bei der Straffung der geldpolitischen Zügel weniger ehrgeizig vorgehen. Andere, wie die EZB, könnten gezwungen sein, konjunkturfördernde Maßnahmen wieder verstärkt einzusetzen. Dies deutet darauf hin, dass Risikoanlagen bei anhaltend niedriger Inflation weiterhin gut abschneiden könnten, insbesondere da das Wachstum ungebrochen anhält.

Sind die Anleger sorglos?

Die starke Performance von Aktien angesichts sinkender Anleiherenditen und erhöhter politischer Unsicherheit lässt die Frage aufkommen, ob Anleger inzwischen zu sorglos sind. Dafür sprechen die neuen Tiefststände des Chicago Board Options Exchange (CBOE) Volatility Index, der als „Angstbarometer” gilt.

Man könnte sagen, dass die Wertschwankungen niedrig sind, weil sich Anleger inzwischen an die drei Hauptfaktoren gewöhnt haben, die für die niedrigen Wertschwankungen der vergangenen Jahre verantwortlich waren: Die Befürchtungen zur restriktiveren Geldpolitik der Fed, zur Währungspolitik Chinas und den Ölpreisen haben allesamt nachgelassen. Unserer Meinung nach spielt auch die günstige politische Entwicklung in Europa eine Rolle, wo eine weitere Hinwendung zum Populismus ausgeblieben ist.

Risiken für die niedrigen Wertschwankungen

Der nächste Schock könnte jedoch unter Umständen nicht von der Fed, dem Öl oder China ausgehen, sondern geopolitischen Ursprungs sein: Die politischen Risiken haben zwar in Europa nachgelassen, in Asien nehmen sie jedoch zu. Von den drei hier angesprochenen Faktoren bietet die chinesische Währungspolitik den geringsten Grund zur Sorge, obwohl der Ölpreis weiter nachzugeben droht. Am meisten Sorge bereiten die Zinsen in den USA, wo der Markt das Potenzial für Zinserhöhungen zu unterschätzen scheint. Das Bedürfnis nach Normalisierung ist weiterhin hoch und die Zinsen liegen nach wie vor deutlich unter dem Niveau, das die meisten Prognosemodelle angesichts des Stadiums der USA im Konjunkturzyklus angesetzt hätten. Gegenwärtig preist der Markt bis Ende 2018 nur eine oder möglicherweise zwei Zinserhöhungen ein. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses sehen die Leitzinsen Ende 2018 bei knapp über 2 %.

Der Sorglosigkeit lässt sich nur schwer widerstehen

Solche Belastungen werden jedoch erst in Zukunft offensichtlich. Die niedrige Inflation wird die Fed zur Vorsicht anhalten, und der Übergang zur Verkürzung der Bilanz wird voraussichtlich dazu führen, dass die US-Notenbank von Zinserhöhungen in den nächsten sechs Monate absieht, um zu beobachten, ob es zu einer allgemeinen Verschärfung der Finanzbedingungen kommt. Sofern die Fed nichts anderes verlauten lässt, wird sich die unterschiedliche Meinung von Markt und Offenmarktausschuss wohl nicht vor dem nächsten Frühjahr auflösen. In der Zwischenzeit sieht es danach aus, dass die Wertpapierkäufe der Zentralbanken noch weiter zunehmen werden. Vor diesem Hintergrund wird es Anlegern unter Umständen nicht schwerfallen, gelassen zu bleiben, da die Liquidität die Märkte weiter vorantreibt – mit dem Risiko, dass sie sich auf eine Blase zubewegen.

Globale Liquidität und Schwellenländer: Wo liegen die Gefahren?

Zentralbanken überdenken inzwischen ihre unkonventionellen Maßnahmen in der expansiven Geldpolitik. Die EZB prüft eine Drosselung der quantitativen Lockerung, während die Fed eine Verkürzung ihrer Bilanz in Betracht zieht und die Geldpolitik in China restriktiver wird. Obwohl die Fed ihre Bilanz wohl verkürzen dürfte, gehen wir immer noch davon aus, dass sich die Bilanzen der Zentralbanken insgesamt weiter aufblähen werden. Dies spricht dafür, dass die Anlagemärkte weiterhin gestützt werden; die Verknappung der Dollar-Liquidität könnte jedoch für jene Schwellenländer mit hoher Abhängigkeit vom US-Dollar eine Belastung darstellen.

Heutzutage haben die meisten der Schwellenländer, die aufgrund ihrer Abhängigkeit vom US-Dollar unter dem „Taper Tantrum” von 2013 litten, ihre externen Positionen deutlich verbessert, sodass bei einer eventuellen Liquiditätsverknappung von einer gewissen Gelassenheit am Markt ausgegangen werden kann. Die Abhängigkeit von externer Finanzierung bleibt jedoch weiterhin hoch und ist in einigen Volkswirtschaften sogar angestiegen. Unseres Erachtens sind auf Basis dieser Kennzahl Südafrika, die Türkei, Peru, Chile, Kolumbien und Malaysia weiterhin gefährdet.

Neben der Abhängigkeit von ausländischen Mitteln kann allerdings auch ein starkes heimisches Kreditwachstum bei einer globalen Liquiditätsverknappung ein Risiko darstellen. Die Zentralbanken der Schwellenländer könnten gezwungen sein, ihre Geldpolitik zu straffen, um sich vor den inflationären Auswirkungen der Wechselkurse zu schützen und große Kapitalabflüsse zu verhindern. Seit der Krise kam es in Lateinamerika und den asiatischen Schwellenländern (selbst ohne China) relativ schnell zu einer Neuverschuldung durch den Privatsektor. Die EMEA-Länder (Europa, Nahost und Afrika) waren wesentlich zurückhaltender, obwohl je nach Region erhebliche Unterschiede bestehen.

Globale Liquidität in diesem Jahr wahrscheinlich keine Bedrohung für die Schwellenländer

Unter dem Strich stellt das weltweite Liquiditätsumfeld für die Schwellenländer in diesem Jahr wohl keine Bedrohung dar. Wir gehen davon aus, dass die Bilanzausweitung der Zentralbanken insgesamt anhalten wird und dass selbst die Verkürzung der Bilanz der Fed voraussichtlich frühestens im September eintreten wird. Da wir jedoch gleichzeitig damit rechnen, dass die Fed den Markt mit aggressiveren Zinsanhebungen überraschen wird, gehen wir für 2018 insbesondere für die anfälligeren Schwellenländer von Risiken aus. Hierzu zählen wir Südafrika, die Türkei und bestimmte lateinamerikanische Länder. Im Gegensatz dazu erscheinen die europäischen und zum Großteil auch die asiatischen Schwellenländer durch ihre niedrigere Verschuldung und Inflation sowie ihren höheren Realzins geschützt.

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