Die beispiellosen fiskalpolitischen Reaktionen auf die Covid-19-Pandemie haben in Verbindung mit den konzertierten Maßnahmen der globalen Zentralbanken sichergestellt, dass der Bankensektor die Gesamtwirtschaft auch weiterhin mit dringend benötigten Krediten versorgt hat.
07.06.2021 | 07:40 Uhr
Nun sinken die Risikokosten zwar, die Aussichten für die Banken sind jedoch weltweit durchwachsen. Die globale Finanzkrise (GFK) könnte fast eine Art „Trockenübung“ für die Covid-19-Pandemie gewesen sein.
Ihre Auslöser mögen komplett unterschiedlich sein, die Krisen selbst weisen aber auffällige Ähnlichkeiten auf: Bei der einen handelte es sich um eine Finanzkrise, die die Realwirtschaft beeinträchtigte, bei der anderen um eine Krise in der Realwirtschaft, die die Finanzmärkte belastete.
Tatsächlich wurden einige fiskalpolitische Maßnahmen, die sich schon während der Finanzkrise als erfolgreich erwiesen hatten – vor allem die umfassenden quantitativen Lockerungsmaßnahmen – von Zentralbanken überall auf der Welt rasch wiederbelebt, als die Volkswirtschaften im Zuge der pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen ins Wanken gerieten.
Bei dieser zweiten Krise wurden wertvolle Lehren aus der ersten berücksichtigt. Insbesondere wurden die fiskalpolitischen Reaktionen auf die Covid-19-Pandemie schnell und in beispiellosem Umfang umgesetzt. Regierungen brachten umfangreiche Programme zur Arbeitsplatzerhaltung auf den Weg und gewährten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) Steuererleichterungen. Kreditgarantien in Form von Initiativen wie dem Paycheck Protection Program in den USA stellten sicher, dass der Unternehmenssektor nach wie vor mit den von vielen Unternehmen dringend benötigten Krediten versorgt wurde.
Die fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen hatten den erfreulichen Nebeneffekt, dass die Bilanzen der Banken gestützt wurden. Die Europäische Zentralbank schätzt in ihrem Finanzstabilitätsbericht („Financial Stability Review“), dass die Eigenkapitalquoten der Banken in den großen europäischen Volkswirtschaften durch diese fiskalpolitischen Maßnahmen bis Ende dieses Jahres um rund 300 Basispunkte gestärkt werden¹, was zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Kapitalpuffer beigetragen hat und ihnen die nötige Zuversicht gibt, um weiterhin Kredite zu gewähren.
Tatsächlich
hatten Unternehmen – ganz anders als während der GFK – auch während der
Pandemie guten Zugang zu Liquidität, denn die Banken haben die
Gesamtwirtschaft weiterhin mit Krediten versorgt: Im Gesamtjahr 2020
nahm die Kreditvergabe an Unternehmen um beeindruckende 6 % in Europa
und 10 % in den USA zu.² Darüber hinaus wurden in Ländern wie Italien
und Spanien, in denen das Risiko von Kreditausfällen am höchsten ist,
viele dieser Kredite an KMUs vergeben. Dadurch sollte die Zahl der
Kreditausfälle zurückgehen, was wiederum die Finanzstabilität vieler
europäischer Banken zusätzlich stärken dürfte.
Wir
sollten auch nicht vergessen, dass das Emissionsniveau am globalen
Anleihenmarkt 2020 ein Rekordniveau erreichte³, die Kapitalmärkte
spielten somit eine gleichermaßen wichtige Rolle bei der Versorgung des
Unternehmenssektors mit Fremdkapital. Diese verstärkte Kreditvergabe hat
nicht nur Unternehmen in einer sehr schwierigen Zeit mit
überlebenswichtiger Liquidität versorgt, sondern hat zudem Banken mit
einer Investment-Banking-Sparte auch einen erheblichen antizyklischen
Ertragsstrom beschert.Allerdings
darf man auch die Risiken nicht übersehen.
Die bessere Verfügbarkeit
von Krediten und die rückläufigen Unternehmensgewinne führten dazu, dass
sowohl in den USA als auch in Europa die Unternehmensschulden im Jahr
2020 gemessen am BIP sprunghaft stiegen.4 Wir gehen jedoch
davon aus, dass dieses Verhältnis im Zuge einer Erholung des
Wirtschaftswachstums im Jahr 2021 wieder sinken wird.Eine
Finanzkrise wurde verhindert, indem Regierungen praktisch dafür gesorgt
haben, dass die Verluste nicht in den Bilanzen der Banken, sondern in
den Staatsbilanzen angefallen sind. Die Folge sind deutliche höhere
Staatsschulden. Da Banken zu den größten Käufern von Staatsanleihen
gehören, schwächt ein Renditeanstieg bei Staatsanleihen die
Bankbilanzen.
Die Risiken aus dem Staaten-Banken-Nexus sind etwas zurückgegangen, denn die Zentralbanken tragen mit ihren umfassenden Anleihekäufen dazu bei, die Kreditkosten niedrig zu halten. Da jedoch in Italien und Spanien die Staatsverschuldung in Relation zum BIP in diesem Jahr die Marke von 160 % bzw. 120 % übersteigen könnte5, sind Warnsignale für den Finanzsektor zu erkennen.
Bisher
mussten nur wenige große Unternehmen Insolvenz anmelden, doch überall
auf der Welt haben Banken im Jahresverlauf 2020 vorsorglich
Rückstellungen gebildet, um sich gegen mögliche Zahlungsausfälle
abzusichern. Diese „Risikokosten“ gehen nun stark zurück. Wenn man
bedenkt, welchen Schaden die Lockdown-Maßnahmen in den einzelnen
Volkswirtschaften angerichtet haben, ist dies bemerkenswert.
Außerdem
gehen wir davon aus, dass sich diese wichtigen Risikokostendaten nach
der Covid-19-Pandemie weit schneller normalisieren werden als nach der
GFK.Betrachtet
man die Gesamtzahlen für mehr als 50 der von uns analysierten
weltweiten Großbanken, dann sieht man, dass die Risikokosten während der
GFK ihren Höchststand bei etwa 150 Basispunkten erreicht hatten.
Anschließend dauerte es noch fünf Jahre, bis sie wieder auf ihr normales
Niveau von etwa 45 Basispunkten gesunken waren.
Diesmal sind die Risikokosten während der Pandemie bis auf ein Hoch von etwa 90 Basispunkten gestiegen und dürften unseres Erachtens in nur zwei Jahren wieder auf rund 45 Basispunkte nachgeben.6 Kurz gesagt: Dank der breit angelegten Anreize der Zentralbanken und der beispiellosen fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen sind die Sorgen hinsichtlich der Solvenz der Banken, die viele Anleger Mitte 2020 hatten, inzwischen weitgehend beschwichtigt. Wir prognostizieren nun vielmehr, dass die Eigenkapitalquoten der Banken 2021 und 2022 solide bleiben werden.
Da die Risikokosten sinken und die Bilanzen der Zentralbanken wachsen, verfügt der globale Bankensektor über erhebliche Mengen an Überschusskapital und Liquidität. Dies ist großartig für Anleihegläubiger, und die Kreditaufschläge für Unternehmenskredite liegen wieder auf dem Vorkrisenniveau. Die Hoffnungen auf eine Reflation und darauf, dass ein Teil dieses Kapitals in den kommenden Quartalen in Form von höheren Dividenden an die Aktionäre zurückgeführt werden könnte, haben ebenfalls zur Erholung der Aktienkurse beigetragen.
Allerdings
leiden die Margen nach wie vor unter Zinssenkungen und dem Zufluss von
Einlagen. Investitionen in Technologie zur Effizienzsteigerung können
dies etwas abmildern. Darüber hinaus hat unter den Banken in Spanien und
Italien bereits eine beträchtliche Konsolidierungswelle eingesetzt, da
die dortigen Institute ihre Kosten senken wollen. Dieser Trend dürfte
sowohl in Europa als auch bei den kleineren und mittelgroßen US-Banken
anhalten.
Insgesamt ist der Rentabilitätsdruck in Europa stärker. Wir gehen weiterhin davon aus, dass hier die Gesamtrenditen deutlich unter den Eigenkapitalkosten liegen werden. In den USA sind die Rentabilitätsaussichten hingegen erheblich besser. Dies zeigt sich auch an unseren globalen fundamentalen Investment-Grade-Rankings, bei denen die US-Banken zu denen mit den weltweit besten Ratings gehören.
1 Europäische Zentralbank, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/fsr/ecb.fsr202011~b7be9ae1f1.en.pdf, November 2020
2 Statistical Data Warehouse der EZB, Federal Reserve Financial Accounts z.1, März 2021
3 The Financial Times, „Corporate debt sales to shrivel in 2021 after record boom“, Dezember 2020
4 BIS/Bloomberg, Januar 2021
5 Citi Global Economic Outlook & Strategy, Januar 2021
6 Analyse von Columbia Threadneedle, April 2021
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