Schroders: Was ist Stagflation? Und was sind mögliche Folgen?

Seit dem Brexit macht der Begriff „Stagflation“ die Runde. Aber worum handelt es sich hier, nach welchen Anzeichen sollte man Ausschau halten und wie wird sich eine Stagflation auf verschiedene Anlagen auswirken?

07.07.2016 | 15:33 Uhr

Während niemand definitiv sagen kann, was die wirtschaftlichen Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union sein werden, wird mittlerweile über die Gefahr einer „Stagflation“ spekuliert: Denn offenbar steht die Wirtschaft vor einer unsicheren Zukunft. Und Unsicherheit ist der größte Feind des Marktes.

Allerdings halten wir es für hilfreich, wenn man die Eigenheiten der britischen Wirtschaft besser verstehen lernt und sich vor Augen hält, dass diversifizierte Portfolios mit vielen verschiedenen Anlagen eine bewährte Möglichkeit sein können, einen potenziellen Sturm zu überstehen.Was ist Stagflation?

Stagflation beschreibt eine Wirtschaft in ernsten Schwierigkeiten. Sie ist eine Kombination aus Stagnation und Inflation. Damit handelt es sich um Zeiträume, in denen eine hartnäckig hohe Inflation (Preissteigerung von Gütern) mit einer hohen Arbeitslosigkeit und einer rückläufigen (stagnierenden) Nachfrage oder niedrigem Wirtschaftswachstum einhergeht.

Großbritannien erlebte eine solche Stagflation zuletzt in den 1970er-Jahren, als ein sprunghafter Anstieg der Ölpreise die Wirtschaftsleistung des Landes praktisch abwürgte und zu einer höheren Inflationsrate führte.

Wie hängen Brexit und Stagflation zusammen?

Analysten und die britische Regierung warnten im Vorfeld, der Brexit würde zumindest kurzfristig die Wirtschaft des Landes beeinträchtigen: Das Brexit-Szenario von Schroders lief auf einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0,9 % gegenüber unserem Basisszenario und einen Anstieg der Verbraucherpreisinflation um 0,6 % bis zum Ende des Jahres 2017 hinaus.

Weshalb könnte die britische Wirtschaft ins Taumeln geraten?

Es besteht Anlass zur Sorge, dass britische Unternehmen künftig unter erschwerten Bedingungen mit ihren internationalen Handelspartnern Geschäfte betreiben werden. Es herrscht auch große Unsicherheit, welche Märkte Großbritannien bei einem Austritt aus der EU offenstehen werden. Als Dominoeffekt könnten Arbeitgeber keine neuen Stellen mehr schaffen und private Haushalte ihre Ausgaben senken – denn sowohl Unternehmen als auch Konsumenten könnten sich zurückziehen und wegen ihrer Sorge über die abkühlende Wirtschaft ihre Barmittel möglichst nicht ausgeben.

Ferner besteht die Sorge, dass die Inflation steigen könnte, da das britische Pfund seinen Abwärtstrend fortsetzt. Damit würden zunächst die Kosten für Importgüter und dadurch die Lebenshaltungskosten ansteigen. Dies wiederum würde ziemlich genau mit jenem Zeitpunkt zusammentreffen, an dem die britische Regierung Steuerhöhungen und Ausgabensenkungen erwägt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Rating-Agenturen haben bereits jetzt die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft. Im Grunde genommen weisen sie damit auf das Risiko hin, dass die Regierung unter Umständen künftig nicht in der Lage sein wird, ihren Verpflichtungen als Schuldner nachzukommen.

Leider handelt es sich dabei um eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale, und das Umfeld erscheint dafür reif – jedoch alles andere als sicher –, dass Großbritannien kurzfristig eine Art von Stagflation erleben könnte. Dies gilt es im Auge zu behalten.

Vier Indikatoren sind aus unserer Sicht beachtenswert:

Stagflationsgeschützte Anlagen wie Rohstoffe, Gold und Energieaktien steigen, während Aktien aus den Sektoren Personalvermittlung und Hausbau sowie von Anleihen fallen.

Ein Anstieg der zugrunde liegenden Inflation, welche Lebensmittel- und Energiepreise ausschließt. Dieser könnte sich vor einem Anstieg der sogenannten Headline-Inflation (Inflation inkl. Lebensmittel- und Energiekosten) ereignen.

Eine Abschwächung der Konsumausgaben und negative Ergebnisse von Einzelhändlern.

Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und düstere Prognosen von Unternehmen aus dem Personalwesen.

Sind weltweit Konsequenzen zu befürchten?

Während sich Großbritannien im Zentrum des Sturms befindet, besteht andernorts das Risiko einer Ansteckung. Der Brexit könnte andere euroskeptische Nationen dazu verleiten, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen und ähnliche Volksabstimmungen abzuhalten. Insgesamt sehen wir eine mögliche Gefährdung für das gesamte Projekt Europa.

Außerdem ist unklar, welche Folgen die fortlaufenden Maßnahmen von Regierungen und Zentralbanken zum Ankurbeln der Weltwirtschaft haben könnten. Derzeit gibt es kaum Anzeichen, dass die eingesetzten Billionen Euro zu einem plötzlichen Inflationsanstieg führen werden. Doch dies ist keineswegs auszuschließen. Und sollte es dazu kommen, könnte es sich um eine plötzliche und verheerende Entwicklung handeln, bei der globale Konsequenzen nicht auszuschließen sind.

Wie kann eine mögliche Reaktion aussehen?

Aus unserer Sicht bleibt ein diversifizierender Ansatz entscheidend. Die Stagflation ist noch keine Realität geworden und tritt unter Umständen auch gar nicht auf den Plan. Ein Portfolio also einzig und allein auf dieses Risiko auszurichten, könnte sich also durchaus kontraproduktiv auswirken. Zudem könnten einige der Anlagen, die als Stagflationsabsicherung gelten, mit einer Risikoprämie einhergehen: Mit anderen Worten könnte man für sie viel mehr bezahlen als sonst.

Einerseits das Worst-Case-Szenario absichern und andererseits mit aktzeptablen Risiken eine potenziell höhere Rendite erzielen: Ein ausgewogenes Portfolio sollte eine praktikable Antwort auf eine mögliche Stagflation darstellen.

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