Janus Henderson: Weltwirtschaftliche Abkühlung spricht für flexible Anleiheportfolios

Nick Maroutsos ist Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors.
Anleihen

Die Zinsstraffungen der Währungshüter bleibe möglicherweise wegen der weltwirtschaftlichen Abkühlung hinter den Erwartungen zurück, so Nick Maroutsos, Portfoliomanager bei Janus Henderson. Ein nicht mehr ganz so synchroner Konjunkturverlauf könne jedoch Anlagechancen zutage fördern.

15.06.2018 | 09:04 Uhr

Wie schätzen Sie die Zentralbanken auf ihrem Pfad zu einer geldpolitischen Normalisierung ein?

Unserer Einschätzung nach reagieren die meisten Zentralbanken eher auf wirtschaftliche Entwicklungen in ihren jeweiligen Ländern, statt sie vorwegzunehmen. Eine geldpolitische Normalisierung ist für sie kein Selbstzweck. Diese abwartende Haltung ist durchaus angebracht, denn die Weltwirtschaft steht auf wackligeren Füßen, als es auf den ersten Blick erscheint. Verschiedene Indikatoren deuten auf eine Verlangsamung des weltwirtschaftlichen Wachstums hin. Inflationsängste halten wir daher für übertrieben. Außerdem verspricht die US-Notenbank Fed gerne viel, was sie aber letztlich oft nicht hält. Und genau das dürfte auch dieses Mal der Fall sein. Wenn Wachstum oder Inflation sich beschleunigen, können die Zentralbanken immer noch mit mehr Tempo bei den Zinserhöhungen gegensteuern.

Worin könnten die Märkte in ihrer Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage von den Notenbanken abweichen?

In einem Klima des Wachstums geben Anleger in Erwartung von Zinserhöhungen oft Risikoanlagen den Vorzug. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass die Fed ihr Inflationsziel dieses oder nächstes Jahr erreicht. Welche Vorteile die US-Steuerreform mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten. Zudem geht vom Teilrückzug aus dem globalen Handelssystem, das den Volkswirtschaften über Jahrzehnte zu ansehnlichem Wachstum verholfen hat, ein nicht zu unterschätzendes Risiko aus. Zu Recht konzentriert sich die Fed zur Bestimmung ihres künftigen Kurses auf die Lage am Arbeitsmarkt und die Inflation. Aber in letzter Zeit halten sich die Währungshüter bei ihren Äußerungen zum steigenden Preisdruck eher zurück. Die Zentralbanken werden unseres Erachtens keine geldpolitische Fehlentscheidung riskieren, indem sie die Zinszügel zu schnell anziehen. Wir erwarten daher, dass sich die Zinsen in den USA innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen werden und darüber hinausgehenden Zinsschritte mit Bedacht erfolgen. Für eine Begrenzung dieser Bandbreite nach oben dürften renditehungrige Anleger außerhalb der USA sorgen, denn US-Treasuries sind verglichen mit anderen Staatsanleihen attraktiv.

Wie können Bond-Anleger in einem Klima mit weniger entgegenkommender Geldpolitik die anvisierten Renditen erzielen?

Wir halten es für besonders wichtig, geografisch und in Bezug auf die Duration attraktive Chancen unabhängig von Benchmarks zu nutzen. Das derzeitige Anlageumfeld scheint für Absolute-Return-Strategien günstig, da sich verschiedene Länder in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden. Die Fed wird die Zinsen unseres Erachtens zwar möglicherweise nicht so schnell wie geplant erhöhen, Australiens Notenbank hat jedoch definitiv eine Pause eingelegt und könnte sogar eine Zinssenkung vornehmen. In diesem Kontext ist die Flexibilität, die Duration in Australien zu erhöhen und gleichzeitig einen vorsichtigeren Ansatz in den USA zu verfolgen, eine taktische Möglichkeit, mit der flexible, benchmark-unabhängige Anleger ihr Portfoliorisiko reduzieren können. Empfehlenswert könnte in diesem Umfeld auch ein gewisser Abstand von den globalen Benchmarks sein, indem man das Engagement auf europäische Unternehmensanleihen begrenzt. Unseres Erachtens entschädigen die Renditen in Europa Anleger einfach nicht ausreichend für das politische und wirtschaftliche Risiko, das sie mit einer Anlage auf dem alten Kontinent eingehen. Im Bereich Unternehmensanleihen täuschen Strategien, die am unteren Ende der Kapitalstruktur nach Rendite suchen, defensive Merkmale von festverzinslichen Anlagen nur vor und bieten daher in einem Klima mit Risikoscheu kaum Schutz.

Glossar:

Normalisierung der Geldpolitik – Seit der Finanzkrise von 2008/09 verfolgen die Zentralbanken eine unkonventionelle Geldpolitik. So wurden beispielsweise die Zinsen auf oder nahe null gesenkt und quantitative Lockerungen auf den Weg gebracht. Diese beinhalten eine Erhöhung der Geldmenge, um direkt Anleihen zu kaufen und so die Finanzierungskosten zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln. Mit der Normalisierung der Geldpolitik wollen die Währungshüter diese ungewöhnlich entgegenkommende Politik beenden und zu einer normaleren Geldpolitik zurückkehren.

Risikoanlagen – Anlagen, die sich in einem optimistischen Konjunktur- und Marktklima in der Regel besser entwickeln, wie etwa Aktien und Anleihen geringerer Bonität. Risikoscheu - Bezeichnet ein Umfeld, in dem die Bedingungen für Risikoanlagen ungünstig sind und sich defensive Werte meist besser entwickeln.

Duration - Sie gibt Aufschluss darüber, wie zinssensitiv ein festverzinsliches Wertpapier oder Portfolio ist, gemessen anhand sämtlicher restlicher, gewichteter, durchschnittlicher Zahlungsströme (Zinsen und Kapitalrückzahlungen) aller Wertpapiere bzw. des gesamten Portfolios. Die Duration wird in Jahren angegeben. Je höher die Zahl, desto größer ist die Empfindlichkeit gegenüber Zinsveränderungen.

US-Treasuries - Eine andere Bezeichnung für US-Staatsanleihen.

Absolute Return – Die absolute Rendite eines Portfolios im Gegensatz zur relativen Rendite gegenüber einer Benchmark. Ein Absolute-Return-Ansatz zielt vor allem auf eine langfristig positive Rendite ab und weniger darauf, eine Benchmark zu übertreffen.

Benchmark - Eine Standardgröße, an der sich die Wertentwicklung eines Portfolios messen lässt. Die Performance eines britischen Aktienfonds kann zum Beispiel mit einem Marktindex wie dem FTSE 100 verglichen werden, in dem die 100 größten an der Londoner Börse gelisteten Unternehmen enthalten sind. Eine Benchmark wird häufig als Index bezeichnet.

Kapitalstruktur - Bezeichnet die Zusammensetzung des Gesamtkapitals eines Unternehmens aus Eigen- und Fremdkapital. Dabei müssen Schuldtitel am unteren Ende der Kapitalstruktur als Erste Verluste auffangen, wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät.


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