BNP Paribas: Chinesische Anleihen – In schwierigen Zeiten die Zukunft im Blick behalten

BNP Paribas: Chinesische Anleihen – In schwierigen Zeiten die Zukunft im Blick behalten
Anleihen

Allgemein sagt man, dass die Entwicklungen der US-Wirtschaft Auswirkungen auf die ganze Welt haben. In diesem Jahr sollte Marktbeobachtern jedoch aufgefallen sein, dass die Ereignisse in China weltweite Auswirkungen hatten.

24.11.2021 | 07:10 Uhr

Die wachsende Dominanz Chinas wird zu einem zentralen Anlagethema – doch worauf sollten sich Anleger dabei konzentrieren?

Im Börsenlatein heißt es: Wenn die US-Wirtschaft einmal niest, fängt sich der Rest der Welt eine Erkältung. Allerdings dürfte Marktbeobachtern in diesem Jahr aufgefallen sein, dass sich vor allem Befürchtungen wegen den Entwicklungen in China weltweit ausgewirkt haben. Die Entwicklung im Credit-Bereich weist Parallelen zu vergangenen Krisen auf, so etwa zur US-Subprime-Krise im Jahr 2008, plötzliche regulatorische Eingriffe haben internationale Investoren beunruhigt und nicht zuletzt hat die Erholung nach Covid-19 den Trend zur Deglobalisierung beschleunigt und dazu geführt, dass Chinas Zentralbank auf einen Kurs eingeschwenkt ist, der den anderen Notenbanken weltweit zuwiderläuft.

Im Zeitalter der Transformation wird die wachsende Dominanz Chinas auf der globalen Bühne zu einem zentralen Anlagethema. Dadurch dürften Ereignisse in China eine größere Reichweite haben und sich einschneidender auswirken. Sollten Anleger also auf die kurzfristigen Turbulenzen schauen oder sich auf die längerfristigen Wachstumschancen konzentrieren?

Regulatorische Eingriffe mit positiven Folgen?

Im vergangenen Jahr hat die chinesische Regierung in mehreren Schlüsselsektoren, darunter Bildung und Technologie, strengere Vorschriften erlassen, um Marktmissbrauch zu verhindern und die Marktaufsicht zu stärken. Zwar hat sich diese Verschärfung der Regulierung negativ auf die Anlegerstimmung ausgewirkt, man sollte dabei aber nicht vergessen, dass die Regulierung in China zuvor weniger streng war als in anderen Märkten. Hinzu kommt, dass die chinesischen Maßnahmen mit Blick auf den Technologiesektor ähnlichen Bemühungen der EU und der USA entsprechen und darauf zielen, die Vormachtstellung großer Technologieunternehmen in Schach zu halten. Bedeutet also die Verschärfung der Regulierung im Kartellwesen, in der Finanztechnologie und an den Kapitalmärkten sowie bei Datensicherheit und sozialer Gleichstellung nur, dass die Behörden sich bemühen, mit anderen gleichzuziehen? Und werden diese Maßnahmen dazu beitragen, systemische Risiken einzudämmen und eine unregulierte Kapitalausweitung zu verhindern?

Es ist nicht das erste Mal seit der Amtsübernahme von Präsident Xi Jinping im Jahr 2013, dass die Behörden eingreifen, um das Schulden- und Produktivitätswachstum zu stabilisieren sowie Korruption zu unterbinden. Wenn der Verlauf den früheren Ereignissen entspricht, dürften sich chinesische Vermögenswerte nach diesen kurzfristigen Rückgängen auf lange Sicht erholen. Sollte dies der Fall sein, wäre der Zeitpunkt günstig für Investitionen in chinesische Unternehmen aus der Technologie- und Biotechnologiebranche und dem Luftverkehr sowie solchen, die sich auf die Bereitstellung von E-Mobilität, Künstlicher Intelligenz und hochwertigen Konsumgütern konzentrieren.

Ausfälle im Immobiliensektor aussitzen

Angesichts der jüngsten Schuldenkrisen großer chinesischer Bauunternehmen sind eine Reihe von Herabstufungen der Kreditwürdigkeit erfolgt und die Risikoprämie für angeschlagene Unternehmen ist auf Rekordhöhe gestiegen. Insbesondere die finanziellen Schwierigkeiten eines großen Bauträgers mit Verbindlichkeiten in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar und 1.300 Immobilien1 haben die Märkte erschüttert und Bedenken hinsichtlich systemischer Auswirkungen und Dominoeffekte aufkommen lassen. Vor dem Hintergrund, dass der chinesische Immobiliensektor mit 5 Billionen US-Dollar2 rund ein Viertel der Wirtschaft ausmacht – scheinen diese Sorgen berechtigt?

Der Hinweis auf Risiken in Verbindung mit Chinas wachsendem und oft hoch verschuldetem Immobiliensektor ist nicht unbegründet. Aber auch hier deutet die Tatsache, dass die chinesischen Behörden hier bislang wenig eingegriffen haben, darauf hin, dass sie bereit sein könnten, diese Chance zu nutzen und strengere Maßnahmen zu ergreifen. Sollte es zu einer systemischen Krise kommen, weiß die chinesische Zentralbank damit umzugehen: In der Vergangenheit haben die Währungshüter bewiesen, dass sie mit internem finanziellem Druck zurechtkommen. Es ist anzunehmen, dass sie selektiv Hilfe leisten werden, um die Kontrolle über das Finanzsystem zu behalten. Diese Entwicklungen sollte man allerdings sehr genau im Auge behalten.

Deglobalisierung, oder etwa nicht?

Neben diesen internen Belastungen sind auch die Spannungen zwischen China und den USA unter der Biden-Regierung nicht weniger geworden. Die nach der Pandemie diskutierten Pläne der Heimholung von Produktionsstätten haben die Bedenken der Anleger verstärkt, dass China beim Trend zur Deglobalisierung auf der Verliererseite stehen könnte.

Für Anleger, die in Darlehen investieren, lohnt es sich zu prüfen, welcher Teil der Kapitalstruktur unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten am attraktivsten ist. Bei Unternehmens- oder Infrastrukturprojekten ist es nicht erforderlich, sich ausschließlich auf vorrangiges Fremdkapital zu konzentrieren. Oft können nachrangige Anleihen attraktive Renditen auf einem Risikoniveau bieten, das auf der Basis des relativen Wertes überzeugt.

Dafür gibt es bisher allerdings kaum Belege. Anstatt zu schrumpfen, sind die ausländischen Direktinvestitionen in China in diesem Jahr bis September im Vergleich zum Vorjahr um 19,6 Prozent gestiegen3. Insbesondere die Sparte der Hightech-Dienstleistungen und das Verarbeitende Gewerbe haben stark zugelegt – die Angst vor der Deglobalisierung scheint also aktuell etwas überzogen. Auch der bilaterale Handel zwischen den USA und China hat zugenommen, obwohl China seine in Phase eins vereinbarten Verpflichtungen nicht erfüllt hat.

Dabei bleibt allerdings zu bedenken, dass sich die Lieferketten auf den gesamten asiatischen Markt verteilt haben. Das heißt, die „Fabrik der Welt“ steht jetzt in Asien und nicht mehr allein in China, auch wenn das Reich der Mitte der dominierende Akteur bleibt. Alles in allem besteht die Strategie der meisten Unternehmen nicht etwa darin, weniger zu kaufen und/oder sich vollständig von China abzukoppeln, sondern sie setzen zur Risikodiversifizierung auf ein China-plus-1-Konzept, das heißt, sie produzieren weiterhin in China für den Heimatmarkt, verlagern aber einige ihrer Ressourcen in andere Länder (meist im ASEAN-Raum).

Zentralbanken gehen unterschiedliche Wege

In der Geldpolitik verhält China sich allerdings tatsächlich eigenartig im Vergleich zu anderen großen Nationen weltweit. Die Wachstumsdynamik des Landes hat in diesem Jahr nachgelassen, was zum Teil auf die strengere staatliche Regulierung zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu anderen Zentralbanken, die in Zeiten steigender Inflation verzweifelt versuchen, die Ängste vor einer bevorstehenden Straffung der Geldpolitik zu dämpfen, hat die People’s Bank of China (PBoC) auf geldpolitische Lockerung umgestellt und sich dazu entschlossen, mehr Liquidität in die chinesische Wirtschaft zu pumpen. Wahrscheinlich wird die chinesische Zentralbank diesen Kurs einer selektiven Lockerung beibehalten und ihren erheblichen geldpolitischen Spielraum nutzen, um makroökonomische Risiken zu bewältigen und politische Ziele zu realisieren.

Der divergente makroökonomische Kurs von China und anderen großen Ländern (insbesondere den USA) hat die Marktvolatilität beflügelt, insbesondere weil viele befürchteten, dass die Verlangsamung des Wachstums in China auf andere asiatische Länder übergreifen könnte. Aber die Maßnahmen der chinesischen Zentralbank sollten ausreichen, um die derzeitigen Abwärtsrisiken abzufedern, das Wachstum zu stabilisieren und die Region insgesamt zu unterstützen. Trotzdem: Entwicklungen laufen nicht immer wie geplant. Chinas geldpolitische Wende könnte das Wachstum unerwartet dämpfen oder die US-Inflation könnte höher ausfallen und länger anhalten als prognostiziert. Anleger sollten hier aufmerksam bleiben.

Anlegen in China: selektiv und langfristig

Voraussichtlich werden chinesische Vermögenswerte in nächster Zeit eine höhere Markvolatilität erleben, insbesondere, weil Peking die Umstrukturierung der Märkte vorantreibt. Trotzdem gibt es wenig Anlass, an der Stärke Chinas als langfristigem Anlagethema zu zweifeln.

Zwar ist bei traditionellen Branchen noch keine endgültige Aussage möglich. Aber Sektoren, die die kontinuierliche Nachfrage aus China befriedigen oder aber von den Veränderungen in der Lieferkette profitieren, sowie das Verarbeitende Gewerbe und der Hightech-Sektor mit hoher Wertschöpfung dürften weiterhin florieren. Zudem öffnet China seine Wirtschaft und seine Kapitalmärkte zunehmend für internationale Investoren, sodass der Einfluss des Marktes auf die Wertentwicklung chinesischer Vermögenswerte tendenziell zunehmen wird.

Was chinesische Anleihen anbelangt, so haben internationale Anleger erst vor kurzem Zugang zu diesem rund 15 Billionen Dollar schweren Markt, dem zweitgrößte Anleihenmarkt der Welt, erhalten. Da die drei großen Rating-Agenturen chinesische Anleihen jetzt bewerten dürfen, könnte dies mehr ausländische Investoren zum Kauf ermutigen. Die jüngste Flut von Ausfällen bei Anleihen könnte sich zudem als Segen erweisen, denn sie zeigt, dass die Behörden nicht mehr bereit sind unrentable oder Zombieunternehmen zu unterstützen.

In China für China investieren

2021 konnten wir miterleben, dass China sich zu einer Chance entwickelt hat, die sich nicht mehr ignorieren lässt. Allerdings müssen alle Anleger, die Investitionen in China in Betracht ziehen, zuerst ihre Hausaufgaben machen. Dieses Jahr hat gezeigt, dass der chinesische Markt zwar zweifellos gereift ist, aber nicht so stabil wie stärker entwickelte Märkte und dass es immer noch Raum für unangenehme Überraschungen gibt.

Beim Researchprozess lotet BNP Paribas Asset Management möglichst viele Perspektiven aus, um die besten Anlagemöglichkeiten für unsere Kunden zu finden. Unsere Anlageexperten haben drei langfristige strukturelle Trends in China identifiziert, die unabhängig von der Pandemie oder fortgesetzten Handelsspannungen zwischen China und den USA Bestand haben sollten:

  • Der Fokus liegt bei Technologie und Innovation auf dem wirtschaftlichen Wandel und dem technologischen Fortschritt in China. Wir sehen Chancen in den Bereichen Investitionsgüter, Technologie und industrielle Aufrüstung.
  • Der Konsum dürfte von steigenden Haushaltseinkommen, Innovationen im Finanzbereich und breiter ausdifferenzierten Verbraucherprofilen profitieren. Dieses Thema dürfte in den nächsten fünf bis zehn Jahren zunehmend Fahrt aufnehmen.
  • Die Konsolidierung der Industrie wird durch strenge Vorschriften, umweltbedingten Kostendruck und industrielle Modernisierungen vorangetrieben. Wir bevorzugen Unternehmen, die sich stärker auf Forschung und Entwicklung, Produktivität und Kosten konzentrieren.

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