
Passives Investieren ist nicht mehr nur eine Strategie – es verändert still und leise die Märkte, treibt die Bewertungen in die Höhe und schafft systemische Risiken, die die meisten Anleger nicht kommen sehen.
13.11.2025 | 08:10 Uhr
“Because something is happening here / But you don’t know what it is / Do you, Mister Jones?” Bob Dylan
Nur wenige Trends haben die moderne Finanzwelt so tiefgreifend verändert wie der Trend hin zum passiven Investieren. Mit seinen Versprechungen von niedrigen Kosten, Diversifizierung und zuverlässigen langfristigen Renditen ist er zur Standardstrategie für Millionen von Privatanlegern und institutionellen Investoren geworden. In den vergangenen zehn Jahren haben Indexfonds und ETFs von unaufhaltsamen Kapitalzuflüsse profitiert, während aktive Manager mit stetigen Abflüssen, konfrontiert waren.
Heute machen passive Anlageinstrumente schätzungsweise etwa die Hälfte der globalen Aktienmarktkapitalisierung aus – und diese Zahl steigt weiter an. Der tatsächliche Anteil dürfte noch höher sein, wenn man die „Closet Indexer“ unter den institutionellen Managern mit einbezieht.
Diese Kapitalflüsse sind nicht in erster Linie das Ergebnis bewusster Anlageentscheidungen, sondern das Ergebnis eines komplexen Geflechts aus politischen Anreizen, regulatorischen Rahmenbedingungen und automatisierten Standardeinstellungen, die von den meisten Anlegern – privaten wie professionellen – kaum wahrgenommen werden.

Fig. 1: Prozentsatz der in amerikanischen Aktienfonds verwalteten Vermögen
Quelle: Research Affiliates, Morningstar
Passives Investieren bietet unbestreitbare Vorteile. Es demokratisiert den Zugang zu den Finanzmärkten und ermöglicht es Anlegern, zu minimalen Kosten diversifizierte Portfolios zu besitzen. Sein rasantes Wachstum veranschaulicht jedoch ein klassisches wirtschaftliches Paradoxon: den Fehlschluss der Zusammensetzung – die irrtümliche Annahme, dass das, was für den Einzelnen rational ist, zwangsläufig auch für das System als Ganzes gut ist.
Für einen einzelnen Anleger ist der Kauf eines Indexfonds sinnvoll. Wenn jedoch die Mehrheit dies tut, beginnt der Mechanismus, der die Effizienz der Märkte aufrechterhält – die aktive Preisfindung –, zu erodieren. Wenn eine Person bei einem Konzert steht, hat sie eine bessere Sicht. Wenn alle stehen, verbessert sich die Sicht für niemanden. Ebenso kann es zu einer verminderten Effizienz und verzerrten Preisen kommen, wenn alle passiv investieren.
Passive Strategien sind zwar auf individueller Ebene effizient, aber ihre kollektive Dominanz birgt tiefgreifende, oft versteckte Risiken, die die Grundlagen moderner Märkte bedrohen.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie als PDF.
Diesen Beitrag teilen: