Schroders: Von Neugewichtungs-Tricks der Profis lernen

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Anlageberatung

Damit Anleger vernünftige langfristige Renditen erzielen – und aufrechterhalten – können, ist ein aktiver Neugewichtungsansatz unabdingbar.

27.08.2018 | 11:04 Uhr

Bei Anlagen an den Aktienmärkten die Nerven zu behalten, kann mitunter herausfordernd sein. Kursschwankungen, plötzliche Markteinbrüche und die Angst, Chancen zu verpassen, können selbst die routiniertesten Anleger beunruhigen.

Solche Schwierigkeiten können die Disziplin untergraben, die für regelmäßige Ersparnisse nötig ist, mit denen sich ein finanzielles Polster für die Zukunft schaffen lässt. Wie können also langfristig orientierte Anleger die notwendigen Renditen erzielen und aufrechterhalten?

Kein seriöser Anleger kann unseres Erachtens ignorieren, dass eine Diversifikation, also die Streuung des Kapitals, unabdingbar ist. Durch die Konstruktion eines Portfolios mit verschiedenen Anlageklassen, wie etwa Aktien und Anleihen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest eine dieser Anlagen herausragt, auch wenn sich andere einmal nicht so gut entwickeln. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Diversifikation von Anlagen sollte jedoch nicht dem Zufall überlassen werden. Unsere Analysen deuten darauf hin, dass erfolgreiche Anleger gelegentlich eingreifen müssen, um das richtige Gleichgewicht zwischen den von ihnen ausgewählten Anlageklassen beizubehalten.

Warum ist dieses Gleichgewicht so wichtig?

Professionelle Anleger erkannten schon vor Jahren, dass sich höhere Renditen häufig nur dann erzielen lassen, wenn auch hohe Risiken eingegangen werden. Mit anderen Worten sind die Risiken genauso wichtig wie die Renditen. Oder wie der milliardenschwere Anleger Warren Buffett sagen würde: „Regel Nr. 1: Verlieren Sie niemals Geld. Regel Nr. 2: Vergessen Sie niemals Regel Nr. 1.”

In der Tat sollten Anleger bereit sein, niedrigere Renditen in Kauf zu nehmen, wenn diese zugleich zuverlässiger sind. Das Problem ist, dass viele Anleger häufig die Risiken unterschätzen, die sie eingegangen sind, um höhere Renditen zu erzielen. Gute „risikobereinigte” Renditen zu erwirtschaften bedeutet, den richtigen Anteil solcher Vermögenswerte zu halten, die Wachstum bieten, und zugleich den richtigen Anteil an Anlagen im Portfolio zu haben, die Sicherheit bieten.

Was geschieht ohne Neugewichtungsmaßnahmen?

Der nächste Schritt besteht darin zu erkennen, wie wichtig es ist, ein diversifiziertes Portfolio immer wieder anzupassen, d. h. neu zu gewichten. Angenommen, Aktien machen 75 % eines Portfolios aus und verzeichnen eine gute Entwicklung, während andere Anlagen zurückbleiben. Der Aktienanteil könnte dann etwa auf bis zu 80 % des Portfolios anwachsen. Die Idee der Neugewichtung besteht darin, dass Sie verkaufen, bis Sie wieder bei 75 % angelangt sind.

Damit trennen Sie sich von Vermögenswerten, die gut abgeschnitten haben, und kaufen solche, die zurückgeblieben sind, was umsichtig erscheint.

Wir haben dazu einige Szenarien getestet und herausgefunden, welche Auswirkungen es für die Anlageergebnisse, d. h. die Renditen im Vergleich zu den eingegangenen Risiken hätte, wenn eine Neugewichtung vorgenommen oder eben nicht vorgenommen wird. Dafür griffen wir auf eines der einfachsten diversifizierten Portfolios zurück, das aus 60 % Aktien (Wachstumskomponente) und 40 % Anleihen (Sicherheitskomponente) besteht. Ein derart aufgeteiltes Portfolio mag für einen Anleger den Ausgangspunkt darstellen. Allerdings können Entwicklungen an den Aktienmärkten dazu führen, dass diese ursprüngliche Aufteilung von „60/40” mit ziemlicher Sicherheit nicht beibehalten wird. Wir untersuchten, wie sich ein solches Portfolio über zwei zehnjährige Zeitabschnitte, nämlich von 1990 bis 2000 und von 2000 bis 2010, ohne Eingriffe entwickelt hätte.

Im Ergebnis hätte ein 60/40-Portfolio aus dem Jahre 1990 bis 2000 eine Aufteilung von 75/25 erreicht. Andererseits hätte sich eine 60/40-Aufteilung im Jahr 2000 bis zum Ende des Jahrzehnts zu einem Portfolio mit 45 % Aktien und 55 % Anleihen entwickelt. In beiden Fällen dominierte letztlich die besser abschneidende Anlageklasse im Portfolio. Im Hinblick auf die Renditen mögen sie sich durchaus gut entwickelt haben, allerdings wäre es auch zu einer dramatischen Risikoverlagerung gegenüber der ursprünglichen Vermögensaufteilung gekommen.

Weshalb ist ein nicht ausgewogenes Portfolio riskanter?

Ein von den höheren Renditen verleiteter Anleger könnte ein Portfolio unvermindert auf die besser abschneidenden Aktien oder Aktienfonds ausrichten, um noch mehr Wachstum zu erwirtschaften. Das Problem bei einem solchen Ansatz ist jedoch, dass die Anlagen dadurch möglicherweise einem viel höheren Risiko ausgesetzt sind. Die Konsequenzen können sowohl schnell als auch schmerzhaft sein.

Das vielleicht traumatischste Beispiel hierfür ereignete sich 1974, als der britische FTSE All-Share Index um mehr als 70 % einbrach – was sehr schlecht für all diejenigen war, die britische Aktien hielten. Der sogenannte Schwarze Montag im Oktober 1987 war ebenfalls alles andere als hervorragend: Bis zum Monatsende hatten der US Dow Jones Industrial Average 22 % und der britische Markt 26 % eingebüßt. Im Jahr 2008, als die Finanzkrise ihren Anfang nahm, fiel der FTSE 100 um 31 %. Und auch Anleihen können in Mitleidenschaft gezogen werden, obgleich sie im Allgemeinen sicherer sind als Aktien: Im Jahre 1994 führten unerwartete Zinserhöhungen der US-Notenbank zu einem Verlust von sage und schreibe 1,5 Bio. US-Dollar an den weltweiten Anleihemärkten.

Sicherlich erholen sich die Märkte von solchen Verlusten. Aber es bedarf oft sehr guter Nerven, um nicht vorher auszusteigen. Wenn ein Anleger nicht alles auf eine Karte setzt, kann er damit sein Vermögen schützen und im Hinblick auf den weiteren Verlauf zuversichtlich bleiben.

Wie funktioniert die Neugewichtung?

Die wichtigsten Ansätze bei der Neugewichtung von Portfolios sind entweder „periodisch” (basierend auf Zeitintervallen wie vierteljährlich) oder an der unterschiedlichen Wertentwicklung ausgerichtet, die dazu führen, dass die Vermögensaufteilung von ihrem Ziel um mehr als einen bestimmten Prozentsatz abdriftet. Letzterer Ansatz ist bekannt als Neugewichtung rund um eine „Bandbreite” oder „Spanne”.

Um zu bewerten, wie sich diese Strategien auf die langfristigen Renditen auswirken, haben wir ein 60/40-Portfolio über einen Zeitraum von fast 80 Jahren seit 1940 überprüft, indem wir unterschiedliche Strategien der Neugewichtung durchspielten – oder aber gar keine Neugewichtung vornahmen. (Hierbei handelte es sich um die längste zuverlässige Datenreihe, die wir finden konnten.)

Wir testeten neun verschiedene Portfolios mit Neugewichtung und eines ohne (unser „Drift”-Portfolio). Gemessen an den absoluten Renditen schnitt das Drift-Portfolio mit einer jährlichen Rendite von 10 % am besten ab. Risikobereinigt, d. h. unserer Definition gemäß nach Division der annualisierten Renditen durch die annualisierte Wertschwankung (Volatilität), entwickelte sich dieses Portfolio allerdings am schlechtesten. In der Tat erzielte jedes Portfolio mit einem Ansatz der Neugewichtung, ob nun periodisch oder basierend auf einer Spanne, gemessen an den risikobereinigten Renditen eine überlegene Entwicklung gegenüber dem abdriftenden Portfolio (siehe Grafik).

Zumindest in risikobereinigter Hinsicht existiert ein „Neugewichtungsaufschlag”

risikobereinigter Hinsicht existiert ein „Neugewichtungsaufschlag”

Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse und lässt sich möglicherweise nicht wiederholen. Aktienrenditen basieren auf denen des S&P 500 Index TR, einem Aktienindex, der die Wertentwicklung der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen widerspiegelt. Anleiherenditen basieren auf zehnjährigen US-Staatsanleihen. Der abgedeckte Zeitraum erstreckt sich von Januar 1940 bis März 2018. Gegebenenfalls sind die Portfolios wieder auf die angestrebte Vermögensaufteilung von 60/40 zurückgewichtet. Die in der Tabelle angegebenen Renditen entsprechen dem durchschnittlichen Wertzuwachs pro Jahr über den gesamten Zeitraum. Der Begriff „Volatilität“ ist ein Gradmesser für die durchschnittliche jährliche Intensität der Wertschwankungen des jeweiligen Portfolios. Beim Rendite-Risiko-Verhältnis wird die erwirtschaftete Rendite in ein Verhältnis zum eingegangenen Risiko gesetzt. Je höher der sich daraus ergebende Wert, desto erfolgreicher ist das Portfolio in risikobereinigter Hinsicht. Quelle: Schroders, Robert Shiller, Global Financial Data und Thomson Reuters Datastream.

Ist eine regelmäßige Neugewichtung nicht mit Kosten verbunden?

Sicherlich verursachen regelmäßige Käufe und Verkäufe von Anlagen mehr Kosten als ein sich selbst überlassenes Portfolio. Abgesehen von den Maklerprovisionen besteht im Allgemeinen eine Differenz zwischen Geld- und Briefkurs, die häufige Transaktionen kostspielig werden lässt.

Für die Zwecke unseres Beispiels haben wir diese Kosten ausgeklammert. Allerdings räumen wir ein, dass sie hoch genug ausfallen können, um die Vorteile einer Neugewichtung auszumerzen. Die optimale Neugewichtungsstrategie geht daher mit einem Kompromiss zwischen den besten risikobereinigten Renditen und den niedrigsten Kosten zur Erzielung dieser Renditen einher.

Handelt es sich bei der Neugewichtung um einen rein automatischen Prozess?

Kurz gesagt: nein. Unsere Analysen zeigen eindeutig, dass eine Neugewichtung zwar vorgegebenen Regeln folgen sollte, jedoch auch Urteilsvermögen gefragt ist. Die Anleger müssen nicht nur entscheiden, ob eine Neugewichtung stattfinden soll, sondern unter anderem auch, wie häufig sie durchgeführt werden soll, wie die angestrebte Vermögensaufteilung auszusehen hat und wie die diesbezügliche Strategie umzusetzen ist. Die Expertise, Strategien basierend auf dem wirtschaftlichen Umfeld zeitgerecht einer Neugewichtung zu unterziehen, ist eine komplexere Fähigkeit. Unserer Erfahrung nach lohnt es sich aber durchaus, in Zeiten von Marktstress eine derartige Anlagepolitik zu verfolgen.

Unser Fazit lautet, dass Neugewichtungen selbst in einem positiven Marktumfeld zu überlegenen risikobereinigten Renditen führen. Als integraler Bestandteil des Anlageprozesses sollte eine Neugewichtung daher für eine stringentere und diszipliniertere Portfoliokonstruktion sorgen und als Nebeneffekt ein kostenloses langfristiges Risikomanagement bieten. Diese Kombination dürfte sich allen Anlegern als geeignet erschließen und sie eventuell etwas ruhiger in der Gewissheit schlafen lassen, dass sie damit weiterhin mit Zuversicht ihre Ersparnisse ausbauen können.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 22.08.18 auch auf schroders.com veröffentlicht.


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