NN IP: Alternative Credit - Vorteile und Herausforderungen

Alternative Credit Anlagen sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich gewachsen. Worin liegen die Vorteile und Herausforderungen von Investitionen in diesem breiten Anlagesegment?

23.10.2017 | 15:32 Uhr

Gabriella Kindert: „Die Anlagekategorie Alternative Credit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Sie umfasst eine breite Palette von Krediten an Unternehmen, Organisationen und Projekte, die außerhalb des regulierten Bankensystems vergeben werden. Beispiele sind privat vergebene Kredite für Wohn- oder Gewerbeimmobilien, Infrastrukturdarlehen oder die Export- und Unternehmensfinanzierung. Die Laufzeiten decken die gesamte Bandbreite von sehr kurz bis sehr lang ab, die Kreditqualität reicht von AAA bis hin zu hoch verzinslichen Darlehen. Innerhalb der Anlagekategorie lassen sich klar zwei Untersegmente unterscheiden: Zum einen treten aktive Asset Manager wie NN Investment Partners (NN IP) und institutionelle Anleger als Kreditgeber auf – sei es direkt oder über ihre Kunden, wie Pensionsfonds, Versicherer, Family Offices oder Stiftungen. Zum anderen bieten Fintechs alternative Darlehen über neue Geschäftsmodelle wie Crowd-Funding oder Peer-to-Peer-Lending an.“


Zahlreiche Unternehmen und Projekte benötigen Finanzmittel, können diese aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht bei Banken oder am Kapitalmarkt aufnehmen. Diese Finanzierungslücke tut sich vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) auf, spielt aber auch bei großen Infrastrukturprojekten eine Rolle. Bei Banken wird die Kreditvergabe vor allem durch die Eigenkapitalanforderungen gedämpft. Dies führt insofern zu Problemen, als KMU eine wichtige Säule des Wirtschaftswachstums sind und weltweit zwei Drittel aller Erwerbstätigen beschäftigen. Zudem kann eine private Kreditaufnahme gegebenenfalls einer Finanzierung über den öffentlichen Kapitalmarkt vorzuziehen sein. So können Kreditgeber und Kreditnehmer den Kredit entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen ausgestalten. Alternative Credit-Darlehen werden bi- oder multilateral ausgehandelt, und die Vereinbarungen werden in einer maßgeschneiderten Dokumentation festgehalten.

Maureen Schlejen: „Banken stehen unter regulatorischem Druck. Sie müssen die Verschuldung in ihren Bilanzen senken. Die Bilanzsumme des Sektors ist seit 2009 nahezu jedes Jahr gesunken. Dasselbe gilt für die Anzahl und den Wert von verbrieften Instrumenten. Verbriefungen sind für Banken relativ komplex, die regulatorischen Vorgaben streng, und die Kapitalanforderungen können für Anleger unattraktiv sein. Institutionelle Anleger können diese Lücke schließen. Weil ihre Verbindlichkeiten langfristiger Natur sind und sie einen langen Anlagehorizont haben, bietet es sich für sie regelrecht an, in Kredite zu investieren. Sie können es sich leisten, dass Darlehen eine geringere Liquidität aufweisen.“

Gabriella Kindert: „Wir befolgen dieselben oder sogar noch schärfere Standards bei der fundamentalen Analyse, der Compliance und dem Risikomanagement wie Banken. Insofern bieten wir dieselben Produkte wie Banken an, allerdings innerhalb eines Asset-Management-Rahmens und auf unsere Kunden zugeschnitten. Alternative Credit bietet den Anlegern interessante Möglichkeiten, z.B. eine geringe Korrelation mit traditionelleren Anlagekategorien, eine bessere Diversifizierung, attraktive Renditen und relativ hohe Spreads. Die erwarteten Renditen hängen natürlich von der Art der Investition ab. Relativ selten wird erwähnt, dass Alternative Credit-Darlehen auch zum Asset-Liability-Matching von Pensionsfonds und Versicherern dienen können. Konservativere Alternative Credit-Strategien bieten vorhersehbare Cashflows, stabile Erträge, eine hohe Kreditqualität und nicht zuletzt eine Prämie gegenüber den traditionell für ein Matching-Portfolio verwendeten Instrumenten.“

Spreads und Prämien

Gabriella Kindert: „Die Preise von Anlagen hängen von Angebot und Nachfrage ab, allerdings herrscht am privaten Markt eine eigene Dynamik. Wir müssen Kredite mit Anleihen vergleichen. Bei Krediten konzentrieren wir uns vor allem auf die Abwärtsrisiken. Wie sieht die Struktur des Kredits aus? Sieht der Vertrag Absicherungen wie z.B. Sicherheiten, Hypotheken und Ausübungsrechte vor? Kredite weisen häufig eine komplexe Struktur auf. Als Ausgleich für diese Komplexität bieten sie einen Renditeaufschlag. Außerdem verlangen die Anleger auch für die geringere Liquidität einen Aufschlag. Darüber hinaus wird der Spread von Marktineffizienzen – d.h. der Frage, wie leicht oder schwierig es ist, Käufer und Verkäufer zusammenzubringen – sowie von der Ausfallwahrscheinlichkeit und der Recovery-Rate im Falle eines Ausfalls der Kredite beeinflusst. Alternative Credit bietet in der Regel einen Spread bzw. eine Privatplatzierungsdifferenz (PPD) in Höhe von 50 bis 500 Basispunkten.“

Maureen Schlejen: „Der Spread ist im Zeitablauf nicht stabil. Wir beobachten jedes einzelne Untersegment und verfügen über spezialisierte Teams für die einzelnen Strategien. Mehrere Pensionsfonds wollen derzeit ein besser diversifiziertes Portfolio aus Alternative Credit-Anlagen aufbauen, wobei wir sie dabei unterstützen können, indem wir ihnen Alternativen mit einem besseren Profil aufzeigen. NN IP investiert in eine große Zahl von Alternative Credit Untersegmenten, weshalb wir die Attraktivität der einzelnen Segmente gut einschätzen können. Wir bieten sowohl einzelne Anlagen als auch Komplettlösungen an und verfügen über umfangreiche Erfahrung in diesem Segment, da wir hier seit Anfang der Neunzigerjahre für unsere Muttergesellschaft, einen Versicherer, aktiv sind.“

Defensive Strategie

Die meisten privaten Kredite sind derzeit in einer günstigen Position in der Kapitalstruktur angesiedelt. Sie werden in der Regel durch Vermögenswerte und/oder Aktien der jeweiligen Unternehmen besichert. Viele Kredite sind außerdem variabel verzinslich und bieten dadurch eine Absicherung gegen eine Inflationsbeschleunigung. Außerdem ermöglichen sie eine Diversifizierung.

Maureen Schlejen: „In unsicheren Zeiten können die Anleger ihr Engagement in kürzer laufenden Krediten wie Handelsfinanzierung oder Factoring ausbauen. Anleger diversifizieren nicht nur stärker innerhalb des Alternative Credit-Segments, sondern erhöhen auch ihre Allokation in Alternative Credit auf Kosten von z.B. Aktien (weil die Aktienkurse stärker schwanken) oder Staatsanleihen (weil deren Renditen zu niedrig sind und die Papiere für Zinserhöhungen anfällig sind). Dies gilt nicht nur für Pensionsfonds, sondern auch für Versicherer. Seit kurzem interessieren sich auch unabhängige Vermögensverwalter und Family Offices für unsere Lösungen. Das Anlagesegment wird für immer breitere Anlegergruppen interessant. Um den Informationsbedarf dieser neuen Anleger zu befriedigen, haben wir speziell den umfassenden Leitfaden ‚Alternative Credit and its asset classes‘ verfasst, der sehr stark nachgefragt wird.“

Gabriella Kindert: „Aufklärung ist wichtig. Wir müssen erklären, welche positiven und negativen Entwicklungen am Alternative Credit-Markt insgesamt und in den einzelnen Untersegmenten möglich sind. Dadurch tragen wir auch zur Entwicklung des Marktes bei. In Europa scheint die Strategie verfolgt zu werden, den Kapitalmarkt über die nicht öffentlichen Kreditmärkte zu stärken. Auch die jüngsten Stellungnahmen der EU-Kommission sprechen sich für eine stärkere Kreditvergabe aus. Die EU hat sogar einen Aktionsplan für die Kapitalmarktunion verabschiedet, um Kapital in Europa zu mobilisieren und für Unternehmen – nicht zuletzt KMU – sowie für Infrastrukturprojekte zur Verfügung zu stellen, damit diese wachsen und Stellen schaffen können. Diese Entwicklungen bestätigen, welches Potenzial Alternative Credit birgt.“

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