Schroders: 10 Jahre seit der Lehman-Pleite: sieben aussagekräftige Grafiken

Aktienmarkt

Der Kollaps der US-Investmentbank am 15. September 2008 erschütterte die Finanzmärkte. Schroders erläutert die Folgen in den vergangenen zehn Jahren.

24.09.2018 | 13:33 Uhr

Vor zehn Jahren meldete die US-Investmentbank Lehman Brothers Konkurs an und markierte damit den symbolischsten Moment der globalen Finanzkrise. Ihr Konkursantrag bleibt bis heute der größte in der US-Geschichte.

Der Niedergang von Lehman am 15. September 2008 war allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Auch wenn wir nicht alles genau wussten: Doch damals stand das gesamte globale Finanzsystem vor dem Kollaps.

Ursache hierfür war der Einbruch am US-Immobilienmarkt, insbesondere im Subprime-Hypothekensektor, der Gläubigern mit geringer Bonität Kredite gewährte.

Diese Subprime-Hypotheken wurden mit anderen, herkömmlichen Hypotheken neu verpackt und an die Anleger als Anlageprodukt verkauft. Lehman war wie viele andere Investmentbanken der Ansicht, das Risiko sei dadurch gestreut worden, und investierte in diese Papiere.

Leider wurden diese neu verpackten Hypothekeninvestments mit dem Einbruch des Immobilienmarktes aber toxisch. Niemand wusste, wer eigentlich die notleidenden Kredite hielt, weshalb die Banken bei der Kreditvergabe misstrauisch wurden.

Was darauf folgte, wird den meisten auf immer in Erinnerung bleiben. Die Welt stand vor dem Abgrund. Lediglich beispiellose Maßnahmen der Politik und der Zentralbanken verhinderten einen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems.

Haben wir seitdem unsere Lektion in Sachen Verschuldung gelernt?

Auslöser für die damalige Krise war der Niedergang am US-Immobilienmarkt. Die Ursache dafür bestand jedoch im leichten Zugang zu günstigem Geld. Ermutigt durch die politischen und geldpolitischen Entscheidungsträger sowie durch Finanzinstitute, die günstige Kredite boten, gingen die Anleger immer riskantere Wetten ein und griffen dabei auf eine exzessive Fremdmittelaufnahme zurück.

Nach einem Jahrzehnt steigt die Verschuldung in vielen Ländern wieder rapide an. Die Zinsen verharren vielerorts auf oder nahe Rekordtiefs, auch wenn sie in den USA und in Großbritannien im Anstieg begriffen sind.

Seit der Finanzkrise ist der globale Schuldenstand laut dem Internationalen Finanzinstitut (IIF) um mehr als 70 Bio. USD auf 247 Bio. USD bzw. 318 % des globalen BIP angestiegen.

Matthew Dobbs, bei Schroders verantwortlich für Aktien mit geringer Marktkapitalisierung und ein erfahrener Fondsmanager, der bereits während der asiatischen Schuldenkrise und während der globalen Finanzkrise 2008 investierte, meint hierzu: „Dem Anschein nach haben wir in Sachen Verschuldung nichts dazugelernt. In den Jahren seit der Krise waren außergewöhnlich niedrige Zinsen zu verzeichnen. Die Kosten des Schuldendienstes sind derart niedrig, dass die Menschen leichtsinnig geworden sind und sich überschulden.

„Die Mittelflüsse aus günstigen Krediten dienten zunehmend als Notpflaster für die Krise, ebneten aber auch den Weg für einen fortlaufenden Anstieg der Schulden. Im Grunde genommen wurde das Problem damit nur auf die lange Bank geschoben.“

Ist das globale Wirtschaftswachstum von der quantitativen Lockerung (QE) abhängig geworden?

Die Welt erfreut sich seit zehn Jahren niedriger Zinsen und einer Geldpolitik der quantitativen Lockerung (QE).

Bei der QE pumpen die Zentralbanken im Grunde genommen Geld direkt in das Finanzsystem, indem sie Wertpapierkäufe (vor allem Anleihen) vornehmen, um eine fortgesetzte Kreditvergabe der Banken und kontinuierliche Ausgaben der Unternehmen sicherzustellen. Damit soll das Geldangebot für die Wirtschaft (auch bekannt als „broad money“ oder „breit gefasste Geldmenge“) erhöht werden.

Dank dessen konnte die Weltwirtschaft auch stabilisiert werden. Bis Ende 2017 betrug das jährliche Wachstum der größten Volkswirtschaften (USA, Großbritannien, Japan und die Eurozone) 2 %. Allerdings wurden infolge dessen die Bilanzen der Zentralbanken aufgebläht und die QE machte eine immer größere Komponente des globalen Wachstums aus.

Wie die nachstehende Grafik zeigt, wird dies nirgends stärker ersichtlich als in Japan, wo die Bilanz der japanischen Notenbank (BoJ) sich auf 96,3 % des BIP beläuft. Zum Vergleich: Im Juni 2008 lag dieser Anteil noch bei 19,3 %.

In der Eurozone beläuft sich die Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 36,6 % des BIP, gegenüber 14,5 % zur Jahresmitte 2008. Die Bank of England weist eine Bilanz in Höhe von 24,4 % des britischen BIP auf, gegenüber zuvor 1,6 %. Für die US-Notenbank Fed beläuft sich diese Zahl auf 22,3 % gegenüber 6 %.

Letztere beendete ihr Programm der quantitativen Lockerung im Jahr 2014, als sich in ihrer Bilanz 4,5 Bio. USD an Vermögenswerten befanden. Im Oktober 2017 begann die Fed damit, ihre Bestände zu reduzieren, indem sie jeden Monat 10 Mrd. USD an fällig werdenden Wertpapieren nicht mehr reinvestierte. Die Bank of England häufte zwischen 2009 und 2012 in ihrer Bilanz 375 Mrd. GBP an. Nach dem Brexit-Referendum wurde das Programm der quantitativen Lockerung wieder aufgenommen und die Wertpapierkäufe stiegen auf insgesamt 445 Mrd. GBP. Bislang hat die Bank of England noch nicht mit dem Verkauf ihrer Bestände begonnen.

In Japan und in Europa bleiben die QE-Programme weiterhin aktiv. Die Auswirkungen dessen lassen sich eindeutig in der Grafik erkennen.

Bilanzen der Zentralbanken als Prozentanteil am BIP

Robin McDonald, Fondsmanager im Multi-Manager-Team von Schroders: „Die quantitative Lockerung hat der Realwirtschaft zumindest kurzfristig geholfen. Eine wichtige Lektion aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre war, nicht zuzulassen, dass das Wachstum der breit gefassten Geldmenge negativ wird. Mit der QE konnte das verhindert werden. Sollte es erneut zu einem Börsencrash kommen, dann dürften die Zentralbanken wohl wieder auf die gleichen Hilfsmittel zurückgreifen.“

Sind die Märkte mittlerweile von der QE abhängig?

Nicht nur das globale Wachstum wurde von der QE beeinflusst. Das primäre Ziel der QE bestand darin, die Kosten der Kreditaufnahme der Wirtschaft zu verringern, indem die Renditen auf Staats- und Unternehmensanleihen gedrückt wurden. Infolge dessen stiegen aber die Anleihekurse. Dieser Effekt war derart ausgeprägt, dass er auch auf die Preise an den Aktienmärkten bis hin zu Immobilien und Oldtimern übergriff.

Nachstehende Grafik zeigt, dass der Anstieg der Vermögenspreise, in diesem Falle bei den globalen Aktien, direkt auf die Expansion der Zentralbankbilanzen folgte, sobald sich deren Auswirkungen 2009 erstmals bemerkbar machten.

Anstieg globaler Aktien aufgrund expandierender Zentralbankbilanzen

Was passiert, wenn die Zentralbanken den Geldhahn abdrehen?

Bislang bleibt der Großteil der Unterstützung durch die Zentralbanken, dank der die Wirtschaft stabilisiert werden konnte und die Vermögenspreise stiegen, intakt.

Fondsmanager Robin McDonald: „Leider haben die Zentralbanken mit ihrer zögerlichen Haltung bei der Normalisierung der Geldpolitik einmal mehr Anreize geschaffen, dass im gesamten Finanzsystem Schulden in Rekordhöhe angehäuft wurden, weshalb die Abhängigkeit von anhaltend niedrigen Zinsen so hoch wie nie zuvor ist.

„Noch ist unklar, wie die langfristigen Auswirkungen einer Rückführung dieser Politik aussehen werden. Regierungen, Privathaushalte und Unternehmen sind heutzutage stärker verschuldet als vor der Krise. Daher ist das System potenziell sehr anfällig bei höheren Zinsen und somit fragiler.

„Vorerst sind meines Erachtens jedoch die meisten der Ansicht, dass die Vorteile der QE stärker zu gewichten sind als die potenziellen Kosten und Risiken. Abzuwarten bleibt, ob dies bei Auflösung des Programms auch weiterhin der Fall sein wird.“

Andrew Lyddon, Fondsmanager im Team für werthaltige Aktien Team von Schroders: „Das Geschehen an den Märkten wird von Menschen bestimmt, und leider zeigt sich immer wieder, dass wir ein kurzes Gedächtnis haben.

„Wir werden in guten Zeiten übermütig und in schlechten verängstigt. Derzeit haben wir das Gefühl, dass die guten Zeiten wesentlich deutlicher überwiegen, da die Anleger dazu bereit sind, immer höhere Bewertungen für Unternehmen zu akzeptieren, bei denen sehr optimistische Erwartungen eingepreist werden.“

Gibt es Anzeichen für anstehende Probleme?

Wann und ob es zu einem Börsencrash kommen wird, lässt sich unmöglich mit Genauigkeit prognostizieren. Allerdings können wir nach Anzeichen potenzieller Schwäche am Markt oder eines nachlassenden Anlegervertrauens bzw. eines überschwänglichen Optimismus unter den Anlegern Ausschau halten.

Der sogenannte Angstindex, auch bekannt als VIX, deutet bislang darauf hin, dass die Anleger ruhig bleiben und keine Hinweise auf Probleme bestehen, welche die gegenwärtige Hausse aus der Bahn werfen könnten. Der VIX befindet sich mit rund 10 % derzeit auf Mehrjahrestiefs und deutlich unter den Hochs von über 80 %, die während der Finanzkrise zu verzeichnen waren. Ein höherer Stand deutet darauf hin, dass die Anleger mit einem kurz bevorstehenden marktrelevanten Ereignis rechnen.

Der VIX – das „Angstbarometer“, das keine Angst zeigt

Die Sorglosigkeit scheint die Zuversicht am Aktienmarkt zu unterstützen. Während jedoch die Aktienkurse weiter steigen, hat sich die Dynamik 2018 bislang abgeschwächt.

Ein potenzieller Handelskrieg zwischen den USA und China bedroht das globale Wachstum, und ein aufgrund steigender Zinsen aufgewerteter US-Dollar sowie die unternehmensfreundliche Politik von Präsident Trump setzen bestimmte Regionen unter Druck. Infolgedessen tun sich Schwellenländer wie die Türkei schwer. Sie weisen in der Regel hohe Schuldenstände in US-Dollar auf, deren Tilgung bei einem höheren US-Dollar kostspieliger wird.

Wie die nachstehende Grafik zeigt, sind die 2018 bis dato erzielten Zugewinne deutlich geringer als die von 2017. US-Aktien haben mit rund 10 % die bisher stärksten Renditen erzielt, während Aktien aus Schwellenländern mit mehr als 5 % im Minus liegen.

Aktienmarktrenditen 2017 ggü. 2018

Fondsmanager Matthew Dobbs: „Wir durchleben momentan eher knifflige Zeiten. Dieses Jahr war für Aktien nicht wirklich überragend. Die Krise in der Türkei ist besorgniserregend, scheint aber ein Einzelfall zu sein. Die Handelsspannungen sind höher als erwartet und hinter Chinas Wachstum stehen Fragezeichen. Unterdessen steigen die Zinsen in den USA und im globalen Finanzsystem haben sich immense Schuldenberge aufgetürmt. Es scheint, als ob wir uns auf dünnem Eis befinden.“

Andrew Lyddon: „Mittlerweile können wir an den Aktienmärkten auf neun Jahre mit fast kontinuierlichen Zugewinnen zurückblicken. Sollten wir uns tatsächlich in der Endphase einer Hausse befinden, dann sind etwaige Zugewinne nur bei denjenigen Anlegern zu erzielen, die verkaufen. Für die übrigen sind diese Zugewinne nur vorübergehend.

„Unseres Erachtens fühlen sich die meisten Anleger heutzutage im Hinblick auf die Wirtschaft und Unternehmensgewinne nicht nur verhältnismäßig optimistisch. Vielmehr sind sie auch der Ansicht, dass die Bewertungen angemessen sind und die Anleihemärkte kaum mehr eine Bedrohung darstellen.

„Wir sorgen uns, dass die Anleger allzu sorglos vorgehen.“

Wie bereitet man sich darauf vor, dass sich die Vergangenheit wiederholen könnte?

Jeder Crash geht mit seinen eigenen Herausforderungen einher. Im Jahr 2008, also zum Höhepunkt der Krise, wurden sogar die defensivsten Sektoren (Aktien, die am wahrscheinlichsten eine stetige Dividende und stabile Erträge bieten) in Mitleidenschaft gezogen.

Dabei wurden Banken erwartungsgemäß stark abgestraft. Wie jedoch die unten aufgeführte Grafik zeigt, verloren auch Sektoren wie das Gesundheitswesen und die Tabakindustrie jeweils mehr als 30 %. Der Abverkauf war wahllos, was ebenfalls für die Endphase einer Hausse bezeichnend ist.

Sektorperformance (in %) zwischen Oktober 2007 und März 2009

Matthew Dobbs: „Wer sich mit den einzelnen Titeln gründlich auseinander setzt, hat in solchen Momenten die Möglichkeit, die langfristigen Gewinner zu kaufen, die es unter Umständen nie mehr wieder zu derart günstigen Preisen geben wird. Genau das haben wir damals gemacht, und ich hoffe, wir haben auch künftig die Nerven dazu, wieder so vorzugehen.“

Gewinner und Verlierer seit der Krise

Es kann sich auch bezahlt machen, sich treu zu bleiben, solange man die richtigen Anlagen vornimmt. Nachstehende Grafik zeigt, welchen Wert 1.000 USD, die zum Höhepunkt des Marktes vor der globalen Finanzkrise im Oktober 2007 investiert waren, heute hätten, wären an der Anlage keine Veränderungen vorgenommen worden.

Lediglich drei Sektoren – Banken, Grundstoffe und Grundrohstoffe – hätten Ihnen auf investierte 1.000 USD einen Verlust beschert. Die Zahlen wurden nicht um die Inflation oder etwaige Gebühren angepasst. Jeder andere Sektor hätte einen Zugewinn erzielt.

Was 1.000 USD nach einer Anlage im Oktober 2007 heutzutage wert wären

Die Bedeutung einer breiten Streuung Ihres Kapitals

Eine Diversifizierung Ihres Portfolios hätte geholfen, die immensen Hochs und Tiefs in den Jahren seit der Krise zu glätten.

Nachstehende Grafik gibt Aufschluss über zwei Anlagen. Bei einer wurde 2006 ein Betrag von 1.000 USD ausschließlich in globale Aktien (gemessen am MSCI World Index) investiert. Bei der anderen wurden im gleichen Zeitraum zu gleichen Teilen 500 USD in globalen Aktien und 500 USD in Staatsanleihen (gemessen an den Gesamtrenditen zehnjähriger US-Staatsanleihen) angelegt.

Wie ersichtlich wird, erzielte die zu gleichen Teilen auf Aktien und Anleihen verteilte Anlage während des Zeitraums seit 2006 eine niedrigere Rendite, musste aber auch nicht die während der Krise zu verzeichnenden immensen Verluste verbuchen.

Streuung könnte den Schmerz lindern: Renditen von 2005 – 2017

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 21.09.18 auch auf schroders.com veröffentlicht.


Diesen Beitrag teilen: