Schroders: Sechs Gründe, warum Aktienrückkäufe für Sie relevant sind

Aktien

Aktienrückkäufe haben die Investitionslandschaft zuletzt grundlegend verändert. Anleger sollten deshalb die langfristigen Auswirkungen kennen, die mit Aktienrückkäufen einhergehen, meint Duncan Lamont, Head of Research and Analytics bei Schroders.

09.01.2019 | 10:30 Uhr

Multi-Milliardär und Investor Warren Buffett kam kürzlich mit der Ankündigung in die Schlagzeilen, von seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway Aktien im Wert von fast 1 Mrd. US-Dollar zurückkaufen zu wollen. Solche Praktiken sind in den vergangenen Jahren immer geläufiger geworden – mit weitreichenden Folgen.

Rückkäufe haben die Investitionslandschaft in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Dabei bleiben langfristige Folgen natürlich nicht aus. Höhere Ausschüttungen an Aktionäre bergen das Risiko eines geringeren langfristigen Wachstums. Anleger sollten sich daher genau überlegen, was ihnen wichtig ist.

Aktienrückkäufe bedeuten, dass eine Gesellschaft ihre eigenen Aktien an der Börse zurückerwirbt. Unternehmen nutzen sie ähnlich wie Dividenden als Mittel, um ihren Aktionären Beträge auszuzahlen. Aktionäre können wählen, ob sie ihre Anteile gegen eine Auszahlung an die Gesellschaft verkaufen möchten, oder sie einfach weiter halten. Entscheiden sie sich für die zweite Option, erhöht sich nach dem Rückkauf ihre Beteiligung am Unternehmen (da sich die Anzahl der Unternehmensanteile im Gegensatz zum persönlichen Anteil der Anleger um die zurückgekauften Aktien reduziert).

Privatanleger sollten auch die steuerlichen Folgen berücksichtigen: Während Dividenden in den USA als Einkommen besteuert werden, werden Aktienverkäufe in einem Rückkaufprogramm als Kapitalgewinne (zu einem möglicherweise geringeren Satz) versteuert.

Verglichen mit Dividenden sind Rückkäufe für Unternehmen ein wesentlich flexibleres Auszahlungsmittel. Dividenden stellen eine fortlaufende Verpflichtung dar, da Kürzungen ein Signal für negative Unternehmensaussichten sind. Bei Rückkäufen hingegen endet das Engagement, sobald das angekündigte Programm abgeschlossen ist.

1. Rückkäufe lassen Dividendenausschüttungen hinter sich

Rückkäufe rückten erstmals in den 1980er-Jahren in den Fokus, als sie durch eine Gesetzesänderung in den USA legalisiert wurden (zuvor herrschten Bedenken, dass sie ggf. als Insiderhandel gelten könnten). Heutzutage sind sie bei Unternehmen wesentlich beliebter als Dividenden, um Mittel an Aktionäre zurückfließen zu lassen.

Die Grafik unten zeigt, dass US-Unternehmen in diesem Jahr bis zum 30. Juni 2018 rund 200 Mrd. US-Dollar für Rückkäufe und rund 100 Mrd. US-Dollar für Dividenden aufwendeten. Im Vergleich dazu lagen die Beträge vor 20 Jahren noch bei jeweils 30 Mrd. US-Dollar.

Rückkäufe haben Dividenden in den vergangenen Jahren klar hinter sich gelassen

Rückkäufe haben Dividenden in den vergangenen Jahren klar hinter sich gelassen

Quelle: S&P, Daten bis 30. Juni 2018

2. Hohe Ausschüttungen an Aktionäre als Warnsignal für schlechte Unternehmensstimmung

Unternehmen können Mittel entweder behalten und für künftiges Wachstum reinvestieren, oder aber an die Aktionäre zurückfließen lassen.

Ob die Entscheidung, beträchtliche Summen über Rückkäufe an Aktionäre auszuzahlen, nun gut oder schlecht ist, hängt von der Sichtweise ab:

Ohne ausreichend attraktive Chancen ist es besser, wenn Unternehmen Geld an die Aktionäre auszahlen, statt es nutzlos zu investieren. Diese Vorgehensweise zeugt von Verantwortungsbewusstsein.

Da hohe Ausschüttungen jedoch auch einen Mangel an Investitionsmöglichkeiten bedeuten, haben sie einen bitteren Beigeschmack. Die Tatsache, dass Unternehmen in den vergangenen Jahren rund 100 % ihrer Gewinne mittels einer Kombination aus Dividenden und Rückkäufen ausgezahlt haben (Ausschüttungsquote), könnte ein Anlass zur Sorge sein. Im Juni 2009 lag die Ausschüttungsquote beispielsweise noch bei rund 60 %.

Markanter Anstieg der Ausschüttungsquoten

Markanter Anstieg der Ausschüttungsquoten

Quelle: S&P, Schroders. Daten bis 30. Juni 2018

Solche hohen Auszahlungsniveaus sind umso besorgniserregender, als sie auch vor dem Hintergrund eines starken US-Wachstumszyklus und Steueranreizen, die Unternehmen zu Investitionen animieren sollen, weiter hoch bleiben. Eine mögliche Deutung wäre, dass Unternehmen in Bezug auf den längerfristigen Ausblick wenig zuversichtlich sind.

3. Solche hohen Auszahlungen ziehen zwangsläufig schwerwiegende langfristige Folgen nach sich

Hohe Ausschüttungen mögen für Anleger attraktiv sein, lassen Unternehmen jedoch wenig Raum für künftige Investitionen.

Höhere Ausschüttungsquoten könnten eine Verringerung der langfristig tragfähigen Wachstumsraten zur Folge haben.

Die tragfähige Wachstumsrate ist die langfristig höchstmögliche Umsatzsteigerung, die ein Unternehmen ohne zusätzliche Kapitalaufnahme bzw. höhere Verschuldung erreichen kann.

Mathematisch gesehen ist die tragfähige Wachstumsrate der Rücklagebetrag eines Unternehmens (Wert = 1 abzüglich der Ausschüttungsquote) multipliziert mit dem prozentualen Ertrag, den ein Unternehmen mit diesem Betrag erwirtschaften kann (auch als Eigenkapitalrendite bzw. ROE bekannt).

Die Grafik unten zeigt die langfristig tragfähige Wachstumsrate des US-Marktes auf der Grundlage verschiedener Ausschüttungsquoten, ausgehend von der Annahme, dass die Kapitalrendite etwa dem langfristigen Durchschnitt seit 1975 entspricht.

Schütten Unternehmen 20 % ihrer Gewinne aus, beträgt die langfristig tragfähige Wachstumsrate des Marktes rund 11 %.

Bleiben die Ausschüttungsquoten jedoch langfristig nahe 100 %, so sinkt auch die tragfähige Wachstumsrate gegen 0 %. Ein solches Ergebnis wäre katastrophal.

Mit steigenden Auszahlungen sinkt die tragfähige Wachstumsrate

Mit steigenden Auszahlungen sinkt die tragfähige Wachstumsrate

Annahme: Eigenkapitalrendite entspricht etwa dem Durchschnitt seit 1975. Quelle: MSCI, Schroders.

4. Aktienkäufe wurden in den vergangenen Jahren in erster Linie von Unternehmen getätigt. Vor allem in den USA könnte jetzt eine Trendwende anstehen

Die Umsetzung erfolgte über eine Kombination aus Rückkäufen und Fusionen und Übernahmen zu etwa gleichen Teilen (ca. 50:50).

Aktienkäufe wurden in erster Linie von Unternehmen getätigt

Aktienkäufe wurden in erster Linie von Unternehmen getätigt

Quelle: Federal Reserve, Schroders.

Das ist problematisch. Obgleich Aktien sich im vergangenen Jahrzehnt größtenteils auf einer steilen Bergfahrt befanden, sind sie bei den meisten Anlegern unbeliebt. Die Finanzkrise hat tiefe Narben hinterlassen. Darüber hinaus haben viele institutionelle Anleger wie beispielsweise Pensionsfonds ihre Aktienallokationen mit der Zeit reduziert, um Risiken zu senken und ihre Verbindlichkeiten besser zu erfüllen. Anleihen und alternative Anlagen erfreuen sich größerer Beliebtheit.

Ohne die Käufe von Unternehmen hätten US-Gesellschaften wohl kaum die Renditen erzielen können, die sie in den vergangenen Jahren ausweisen konnten.

Das wirft die Frage auf, was wohl passieren wird, wenn dieser Rückenwind abflaut. Und wer springt in diesem Fall ein?

Die Liquiditätsbestände sind weiterhin hoch, sodass Unternehmen Rückkaufprogramme mittelfristig weiter unterstützen können. Auf lange Sicht sind solche hohen Ausschüttungsquoten jedoch nicht tragbar. Da Rückkäufe vor allem in den USA beliebt sind, herrscht dort auch ein höheres Risiko.

Obgleich das überdurchschnittliche Abschneiden des US-Markts in den vergangenen Jahren vor allem auf die Fundamentaldaten zurückzuführen ist, hat eine stetige Nachfrage dem Aufwärtskurs wohl kaum geschadet. Ein Kurswechsel könnte bewirken, dass künftig eher die Märkte außerhalb der USA profitieren.

5. Rückkäufe wurden durch niedrige Anleiherenditen unterstützt – werden steigende Renditen das Gegenteil bewirken?

Ein Grund für das erhöhte Aufkommen von Rückkäufen war, dass Anleihen eine relativ attraktive Finanzierungsquelle für Unternehmen darstellten, und zwar in dem Maße, dass sie mit dem geliehenen Kapital Aktien zurückkauften. Ein Paradebeispiel für dieses Phänomen ist das Unternehmen Apple, das zu diesem Zweck Milliarden US-Dollar aufgenommen und in Rückkäufe investiert hat. Ob höhere Zinsen dem Aktienmarkt diese Unterstützung nehmen, bleibt abzuwarten. In einem solchen Fall sind Schwierigkeiten für die Anleger vorprogrammiert.

Niedrigzinsen bedeuten, dass über Fremdkapital finanzierte Rückkäufe aus Gründen der Kapitalstruktur sinnvoll waren. Ist inzwischen aber der Wendepunkt erreicht?

Fremdkapitalkosten vs.Eigenkapitalkosten

Der Fremdkapitalkostensatz ist die Rendite des ICE BAML US Corporate Master, als Grundlage für den Eigenkapitalkostensatz dient die Gewinnrendite des MSCI USA Index. Quelle: ICE Bank of America Merrill Lynch, MSCI, Schroders, Thomson Reuters Datastream. Daten bis 31. Oktober 2018.

6. Rückkäufe lassen Unternehmen in besserem Licht dastehen (und stützen die Vergütung von Führungskräften)

Da sich die Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien durch Rückkäufe reduziert, kann mit Rückkäufen ein Gewinnwachstum je Aktie „herbeigezaubert“ werden – selbst wenn eigentlich gar kein Wachstum vorliegt. Veranschaulichen wir dies anhand eines stilisierten Beispiels: Ein Unternehmen hat fünf ausstehende Aktien und weist einen Unternehmensgewinn von 100 US-Dollar aus. Dies entspricht einem Gewinn je Aktie in Höhe von 20 US-Dollar (100 geteilt durch 5). Gehen wir nun davon aus, dass der Gewinn nach einem Jahr noch immer 100 US-Dollar beträgt, das Unternehmen jedoch eine Aktie zurückgekauft hat. Der Gewinn je Aktie liegt nun bei 25 US-Dollar (100 geteilt durch 4), und das Gewinnwachstum je Aktie in Höhe von 25 % entstand quasi aus dem Nichts.

Obgleich es sich um ein fiktives Beispiel handelt, ist dieses Vorgehen in der Praxis gang und gäbe. Über 70 % der Unternehmen im S&P 500 haben die Anzahl ihrer im Umlauf befindlichen Aktien im dritten Quartal 2017 sowie im dritten Quartal 2018 reduziert und ihr ausgewiesenen Gewinnwachstum je Aktie damit attraktiver erscheinen lassen. Dieses Vorgehen bescherte rund 20 % von ihnen ein Plus von 4 %. Nehmen wir das Beispiel von Apple: Das Unternehmen hatte Ende Oktober 2018 ganze 20 % weniger Aktien am Markt als vor vier Jahren. Davon profitierte der ausgewiesene Gewinn je Aktie deutlich.

Eine besorgniserregende Folge sowie Motivation für das Drehen an der Zahlenschraube ist die Vergütung von Führungskräften. Viele Vergütungsprogramme sind direkt an Kennzahlen wie das Gewinnwachstum je Aktie oder die Kursentwicklung geknüpft. Durch Rückkäufe kann der Betrag, den ein Geschäftsleiter mit nach Hause nimmt, dank des augenscheinlich attraktiveren Gewinns je Aktie und der zusätzlich geschaffenen Nachfrage nach Aktien des Unternehmens, erhöht werden. Im schlimmsten Fall steht bei einem schlecht konzipierten Vergütungspaket und mangelnder Kontrolle nicht der langfristige Unternehmensausblick, sondern der persönliche Gewinn an erster Stelle.


Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 8.1.19 auch auf schroders.com veröffentlicht.

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