Janus Henderson Investors: Die Rache der Verbraucher – die nächste Stufe der Erholung in Europa

Janus Henderson Investors: Die Rache der Verbraucher – die nächste Stufe der Erholung in Europa
Aktien

Ist die aufgestaute Nachfrage der Verbraucher der Schlüssel zur Erschließung von Wertpotenzial in Europa? In diesem Artikel betrachtet John Bennett, Director of European Equities, einige der wichtigsten Trends, die seiner Meinung nach für eine positive Dynamik in der Region sorgen könnten.

29.06.2021 | 11:21 Uhr

Zentrale Erkenntnisse

  • Während wir die Pandemie allmählich hinter uns lassen, dürfte die nächste Phase der Erholung von Verbrauchern angeführt werden, deren Ersparnisse auf Rekordstände geklettert sind.
  • Aufgrund von politischer Instabilität (unter anderem in Verbindung mit dem Brexit) und COVID-19 sind europäische Aktien bei Anlegern in Ungnade gefallen. Während diese Belastungen allmählich abklingen, erscheint die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA extrem.
  • Wir gehen davon aus, dass die beispiellos synchronisierte fiskal- und geldpolitische Reaktion auf COVID-19 ein inflationäres Umfeld nach sich ziehen wird, was womöglich eine höhere Allokation auf Europa rechtfertigt.


Auch wenn Europa in den letzten Monaten neuerlichen Beschränkungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt war, sehen wir inzwischen erhebliche Fortschritte bei den Impfkampagnen. Nachdem wir eine starke „V-förmige“ Erholung der industriellen Wirtschaftszweige erlebt haben, rechnen wir damit, dass die nächste „V-Form“ von Verbrauchern angeführt werden dürfte. Angesichts des Risikos potenzieller Virusmutationen ist Vorsicht geboten. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Richtung der Entwicklung – zurück zu einem gewissen Maß an sozialer und wirtschaftlicher Normalität – eindeutig ist. Ungewiss ist lediglich die Frage, wie lange die Reise dorthin noch dauern wird.

Die Wiedereröffnung als Impulsgeber

Während wir die Pandemie allmählich hinter uns lassen, haben viele Verbraucher Ersparnisse in Rekordhöhe angesammelt, was neben den beschränkten Konsummöglichkeiten während der Lockdowns auch der Unterstützung durch Kurzarbeitsprogramme zu verdanken war. Inzwischen hat sich der Begriff „Revenge Spending“ herausgebildet, um den Überschwang der entfesselten Verbraucher zu beschreiben. Die USA, das Vereinigte Königreich und Israel – Länder, in denen die Impfkampagnen schon stark vorangeschritten sind – bieten erste Einblicke in die Wiederbelebung des Verbrauchersektors: Die Wunschlisten reichen von Kleidung und Kosmetik über Urlaub und Haushaltswaren bis hin zu Essen und Trinken. Wir gehen davon aus, dass Europa diesem Beispiel folgen wird, während die Impfkampagnen dort an Fahrt aufnehmen.

Wir vermuten, dass die Finanzlage der Verbraucher weiterhin Unterstützung bieten wird: In den USA waren bei den Lohnzahlen positive Überraschungen zu beobachten, sodass diese bis Ende 2021 auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren dürften, sofern das Stellenwachstum nicht an Fahrt verliert. Im Vereinigten Königreich wird für 2021 ein Wirtschaftswachstum von über 6 % erwartet, wobei zusätzliche staatliche Ausgaben die Beschäftigungslage fördern sollen. In der Europäischen Union (EU) wurden neben den Maßnahmen der einzelnen Länder im Rahmen des SURE1-Instruments Finanzhilfen in Höhe von bis zu 100 Mrd. EUR in Form von Darlehen an die Mitgliedsstaaten bereitgestellt, um Arbeitsplätze zu erhalten. Die Europäische Zentralbank hat eine entsprechend lockere Geldpolitik verfolgt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde aufgeweicht, um Regierungen zu helfen, ihre jeweilige Wirtschaft während der Pandemie zu stützen, und im Laufe des Jahres 2020 wurden diverse weitere länderspezifische sowie regionale Maßnahmen umgesetzt (Abbildung 1):

Abbildung 1: Im Jahr 2020 angekündigte fiskalpolitische Unterstützungsmaßnahmen

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Quelle: Janus Henderson, JPMorgan; Stand: 30. November 2020.

Politische Instabilität, unter anderem im Zusammenhang mit dem Brexit, und die Auswirkungen von COVID-19 haben die Attraktivität europäischer Aktien für Anleger vermindert. Während diese Belastungen abklingen, erscheint die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA allmählich nicht mehr gerechtfertigt (Abbildung 2). Auf fundamentaler Ebene ermutigt uns die Tatsache, dass viele der zuletzt in Europa veröffentlichten Unternehmensergebnisse deutlich über den Erwartungen der Analysten lagen.

Abbildung 2: Die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA bewegt sich auf einem extremen Niveau

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Quelle: Janus Henderson Investors, Refinitiv Datastream, vom 1. Februar 1983 bis 1. Mai 2021. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für die künftige Wertentwicklung. Shiller-KGV = ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, das bereinigt wurde, um die Zyklizität der Märkte zu berücksichtigen.

Risiko und Ertrag

Der Markt hat Unternehmen, die von „Stay-at-Home“-Trends profitieren (beispielsweise in Bereichen wie Videokonferenzen, Lebensmittelzustellung, Technologie und Software-as-a-Service (SaaS)), bis vor kurzem mit immer höheren Vielfachen ihrer zukünftigen Gewinne belohnt, sodass die Aktienkurse inzwischen stark erhöhte Erwartungen widerspiegeln. Die COVID-19-Pandemie hat die jahrzehntelange Outperformance des Faktors „Wachstum“ an den Aktienmärkten weiter beschleunigt, was wiederum den eher technologielastigen US-Markt gegenüber Europa tendenziell begünstigt hat. Da der Markt nicht selten ein binäres Wesen offenbart, wurden viele qualitativ hochwertige Unternehmen im Gegenzug abgestraft, wobei die Bewertungskennzahlen (Aktienkurse) häufig einen Abschwung oder grundlegende Umwälzungen widerspiegeln. Der europäische Markt ist stark auf traditionelle „Old Economy“-Sektoren wie Stahl, Landwirtschaft und Fertigung ausgerichtet und weist einige klare Weltmarktführer auf, die zu augenscheinlich günstigen Bewertungen gehandelt werden.

Die Automobilindustrie liefert ein Paradebeispiel für diese Dichotomie: Tesla, ein in den USA notierter „Disruptor“ im Bereich der Elektrofahrzeuge, ist so bewertet, als würde er in nicht allzu ferner Zukunft die Welt beherrschen. Gleichzeitig legen in Europa die Aktienkurse langjähriger Premium-Automarken wie Mercedes Benz und BMW nahe, dass diese Firmen im bevorstehenden Übergang zu Elektrofahrzeugen nichts weiter als hilflose Opfer sein werden. Bei derart extremen Bewertungsunterschieden kann schon eine geringfügige Änderung der Wahrnehmung am Markt erhebliche Folgen für die Aktienkurse haben.

Steht endlich eine Rückkehr der Inflation bevor? Wenn ja, dann dürfte Europa davon profitieren

US-Aktien haben ihre europäischen Pendants im vergangenen Jahrzehnt hinter sich gelassen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass am US-Markt zahlreiche „Wachstumswerte“ zu finden sind, die von niedrigen Zinsen profitieren. Wir sind der Meinung, dass die beispiellos synchronisierten fiskal- und geldpolitischen Reaktionen auf die COVID-19-Krise die besten Aussichten auf eine Rückkehr von Inflation seit der globalen Finanzkrise bieten. Sollte sich herausstellen, dass die Inflation mehr als nur „vorübergehend“ ist, wie die US-Notenbank derzeit in ihrem Basisszenario annimmt, ist eine Veränderung des Marktumfelds wahrscheinlich. Ein solcher Umschwung wäre unserer Einschätzung nach für „Substanzwerte“ allgemein günstig, und zwar zulasten ihrer wachstumsorientierten Pendants. Analog bedeutet dies: Europa würde hiervon profitieren, die USA hätten das Nachsehen.

1 Quelle: SURE („Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency“ = „Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage“)


Die vorstehenden Einschätzungen sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können von denen anderer Personen/Teams bei Janus Henderson Investors abweichen. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere, Fonds, Sektoren oder Indizes in diesem Artikel stellt weder ein Angebot oder eine Aufforderung zu deren Erwerb oder Verkauf dar, noch ist sie Teil eines solchen Angebots oder einer solchen Aufforderung.

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