Das Weihnachtsmärchen von der Jahresendrally
Zum Schluss wird es noch einmal wild. In den letzten Handelstagen des Jahres steigen die Kurse. So lautet die gängige Story. Doch stimmt das wirklich?05.12.2025 | 09:00 Uhr von «Matthias von Arnim»
Der Gedanke an eine „Jahresendrally“ ist für viele Anleger ein fester Bestandteil der Vorweihnachtszeit. Aber steckt hinter dem sogenannten Dezember-Effekt mehr als nur ein Mythos, oder ist es tatsächlich so, dass Aktienkurse im letzten Monat des Jahres im Durchschnitt stärker zulegen als in anderen Monaten? Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben wir die Performance der wichtigsten Indizes – Dow Jones, DAX und Euro Stoxx 50 – über die letzten 20 Jahre betrachtet. Die Erkenntnis: Die Börsenstatistik zeigt, dass der Dezember aus Sicht von Aktionären auf den ersten Blick tatsächlich ein Monat mit überdurchschnittlich hoher Gewinnwahrscheinlichkeit ist. Als Grund gilt gemeinhin das sogenannte "Window Dressing" von Fondsmanagern.
Wo reitet der Börsen-Weihnachtmann besonders gerne hin?
Grundsätzlich gilt zwar, dass der durchschnittliche Monatsanstieg im Dezember oft höher ist als in den übrigen elf Monaten des Jahres. Doch Santa Claus ist nicht überall auf der Welt gleich schnell auf seinem Schlitten unterwegs. Das zeigen die Vergleichsdaten…
USA: Der Coca-Cola Weihnachts-Truck leuchtet im Dezember heller als die Coca-Cola Börsenkurse
Sieht man sich die Zeitreihen der US-Börsenindizes der vergangenen 20 Jahre an, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Broker an der Wall Street im Dezember offensichtlich zwar mehr Zeit im Börsensaal als in den schimmernd beleuchteten New Yorker Shoppingmeilen verbringen. Doch der Dezember ist für US-Aktien nur ein guter, aber nicht der klar beste Monat. Die Dezember-Renditen liegen zwar leicht über dem Durchschnitt der übrigen Monate, aber der Effekt ist nicht extrem. Konkret bedeutet das für den Dow Jones Industrial Index: Die durchschnittliche Dezember-Rendite liegt hier bei +1,3 bis +1,6 Prozent. Zum Vergleich: Der Durchschnitt über die übrigen elf Monate liegt bei +0,4 bis +0,6 Prozent. Damit liegt der Dezember im Dow Jones im Mittel um rund 0,7–1,0 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der anderen Monate in diesem 20-Jahres-Zeitraum. Bei Technologieindex NASDAQ 100 sieht es noch viel dünner aus. Hier liegt die durchschnittliche Dezember-Rendite bei etwa +0,3 bis +0,7 Prozent. Der Renditevorsprung gegenüber den übrigen elf Monaten fällt da kaum ins Gewicht: Im Durchschnitt legt der NASDAQ 100 ansonsten +0,2 bis +0,5 Prozent pro Monat an Wert zu. Der Renditevorsprung des Dezembers gegenüber dem Mittel der anderen Monate liegt damit beim Nasdaq-Segment nur bei ungefähr 0,1–0,3 Prozentpunkten und ist statistisch zu vernachlässigen, zumal die Trefferwahrscheinlichkeit einer Überrendite zum Jahresdurchschnitt hier nur bei 50 Prozent liegt. Geradezu überraschend mies fällt übrigens die Bilanz der Coca Cola-Aktie im Dezember aus. Zwar hat die US-Brausemarke mit ihrem berühmten rotweißen Santa Claus-Truck seit Jahrzehnten in der Vorweihnachtszeit einen PR-Coup im Rennen. Doch auf den Börsenkurs der Aktie hat das keinen nennenswerten positiven Effekt. Im Gegenteil. In den zurückliegenden 20 Jahren hat die Coca-Cola Aktie im Dezember im Durchschnitt sogar 0,1 Prozentpunkte schlechter abgeschnitten als in den übrigen elf Monaten zuvor. Aber wer trinkt auch schon gerne eisgekühlte Cola, wenn es draußen schneit?
Europa feiert den Dezember an der Börse
Der Index der 50 größten Unternehmen der Eurozone, der EuroStoxx 50, weist ebenso wie der Dow Jones Industrial Index eine positive Dezember-Statistik auf: Der EuroStoxx 50 verzeichnete im langjährigen Durchschnitt der zurückliegenden 20 Jahre eine positive Monats-Outperformance im Dezember von 1,07 Prozent gegenüber den übrigen elf Monaten. Der Dezember stellt sich somit für den europäischen Markt tendenziell als überdurchschnittlich starker Monat dar.
Überhaupt: Im weltweiten Vergleich hatten europäische Börsenhändler in den jüngsten Vorweihnachtszeiten mehr zu feiern als viele andere Kollegen weltweit. Betrachtet man nämlich die Jahresendperformances der vergangenen fünf Jahre, stieg der europäische STOXX Europe 600 Index in einem Dezember um durchschnittlich 5,4 Prozent und der globale STOXX Global 1800 Index nur um 3,2 Prozent.
DAX: Börsen-Weihnachtswunder mit anschließendem Silvester-Feuerwerk
Der deutsche Leitindex DAX zeigt historisch gesehen die stärkste Tendenz zu positiven Renditen im Dezember. In den zurückliegenden 20 Jahren konnte der DAX im Dezember in über 75 Prozent der Fälle positive Renditen erzielen. Besonders die zweite Dezemberhälfte, typischerweise vom 20. Dezember bis zum 5. Januar, gilt statistisch als extrem stark: Hier stieg der DAX in der Vergangenheit in rund 80 Prozent der Fälle an, mit einem durchschnittlichen Zuwachs von über zwei Prozent in diesem kurzen Zeitfenster. Dies deutet auf einen ausgeprägten Weihnachts- und Neujahrseffekt hin. Diese Erfolgsquote macht den Dezember statistisch zu einem der stärksten Börsenmonate für den DAX.
Fazit: Börsen-Mythos oder Realität?
Die statistische Analyse der zurückliegenden 20 Jahre legt nahe, dass der „Dezember-Effekt“ tatsächlich nicht nur ein Märchen, sondern eine statistisch belegbare Tendenz ist. Insbesondere der DAX zeigt eine deutliche historische Häufung von Kursgewinnen, wobei die kurzfristige Weihnachts-Rally um den Jahreswechsel besonders prägnant ist. Auch der EuroStoxx 50 und der US-amerikanische Dow Jones Industrial Index zeigen eine generelle positive Tendenz im letzten Monat des Jahres – allerdings nicht so auffällig, wie es beim DAX der Fall ist. Der NASDAQ 100 bleibt sogar nahezu komplett unbeeindruckt, vielleicht weil der Computerhandel eben nicht so emotional ist? Wer weiß.
Lernen wir aus dem statistischen Dezember-Effekt, dass man nun noch schnell in DAX-Aktien investieren sollte? Nun, erstens gibt es keine Garantie, dass dieser Effekt jedes Jahr eintritt. Und zweitens sind die vorweihnachtlichen Glücksmomente in der Regel leider nur von kurzer Dauer. Anfang des neuen Jahres werden Weihnachtspapiere oft wieder verkauft. Der Kursauftrieb endet meistens spätestens Mitte Januar. Dann setzen sich die Trends aus dem Vorjahr wieder durch.
Und auch das gehört zur Wahrheit: Anleger sollten nicht nur auf den Weihnachtsmann vertrauen. Manchmal bleiben seine Rentiere auch im Stall. Und Santa Claus hat, wenn er kommt, nicht nur Geschenke in seinem Wagen, sondern auch immer eine Rute.
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