Warum Skandinavien für Anleiheinvestoren an Attraktivität gewinnt
Der skandinavische High-Yield-Markt bietet stabile Renditen, niedrige Duration und eine starke Gläubigerschutzstruktur – und bleibt trotz wachsender Integration eine attraktive Nische. Warum gerade Floating Rate Notes, lokale Netzwerke und aktives Management entscheidend sind, erklärt Jani Kurppa, Manager des Evli Nordic HY Fonds.02.10.2025 | 14:00 Uhr von «Jörn Kränicke»
TiAM FundResearch: Herr Kurppa, wie unterscheiden sich die Anleihemärkte in Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland hinsichtlich Größe, Liquidität sowie Emittentenbasis?
Jani Kurppa: Der nordische High‑Yield‑Markt ist von nahezu Null in den frühen 1990ern auf heute fast 90 Milliarden Euro (ausstehende Anleihen) gewachsen. Im Vergleich zu Kontinentaleuropa ist er stärker fragmentiert, mit Schweden und Norwegen als volumenstärksten Teilmärkten. Dänemark und Finnland steuern solide, industrie‑verwurzelte Emittenten bei, jedoch mit weniger Transaktionen. Die meisten Emissionen sind mittelgroß, oft ohne Bonitätseinstufung durch eine der großen Agenturen, und erfordern aktive Kreditauswahl. Die Day-to-day‑Liquidität ist gut handelbar; selbst in Stressphasen bleiben lokale Investoren meist aktiv – dennoch sind Managerwahl und lokale Netzwerke entscheidend. Insgesamt ergibt sich eine Marktstruktur, die fähige, aktive Manager ausspielen können.
Welche Rolle spielen die nordischen Zentralbanken für Zinsniveau und Attraktivität des Marktes?
Floating Rate Notes (FRNs), die den Großteil der Emissionen in den Nordics ausmachen, reagieren unmittelbar auf die Zinsentscheidungen der nordischen Zentralbanken –allerdings weniger stark als Anleihen mit längerer Laufzeit. Sinkt das Zinsniveau, werden ihre Kupons entsprechend nach unten angepasst. Insgesamt bieten variabel verzinsliche Anleihen Investoren das Beste aus beiden Welten: Sie ermöglichen eine gezielte Partizipation am Kreditrisiko – was im nordischen Markt stabile Mehrerträge bedeutet – und schützen das Portfolio zugleich weitgehend vor starken Zinsänderungen.
Welche Makrofaktoren sind derzeit am wichtigsten?
Die Entwicklung von Inflation und Leitzinsen bleibt der Haupttreiber, gefolgt von Währungsdynamiken in NOK und SEK, sowie den Refinanzierungsbedingungen im nordischen Immobiliensektor. Immobilien‑Refinanzierungen haben wir unter Beobachtung, aber die Fundamentaldaten zeigen sich derzeit robust. In Summe bieten die nordischen Volkswirtschaften Widerstandskraft durch diversifizierte Branchen und solide fiskalische Disziplin. Das stützt das anhaltende Anlegerinteresse.
Wie beeinflusst die NOK/SEK‑Volatilität die internationale Nachfrage?
Währungsschwankungen in NOK und SEK erhöhen die Komplexität für ungehedgte Positionen. Die meisten institutionellen Investoren sichern jedoch ab. Der Evli Nordic HY‑Fonds etwa sichert Nicht‑Euro‑Risiken vollständig, wodurch der Fremdwährungseinfluss neutralisiert wird. Ein vielleicht interessanter Aspekt: Lokale Währungstranchen bieten häufig leicht höhere Renditen und erlauben taktisches Alpha. Effiziente Hedging‑Strukturen machen Nordic HY trotz FX‑Volatilität gut zugänglich – das stützt stabile Zuflüsse aus dem Ausland.
Wächst die Integration nordischer Credits in den gesamteuropäischen Markt – oder bleibt das Segment eigenständig?
Die Integration schreitet voran – befördert durch den hohen Anteil an Euro‑Tranchen und zunehmende internationale Investoren. Gleichwohl bleiben Besonderheiten bestehen: hoher Floater‑Anteil, viele unrated Emittenten, lokale Standards in Vertragsklauseln wie etwa Maintenance Covenants. Das Nordic‑Trustee‑Modell ermöglicht in Restrukturierungen erfahrungsgemäß schnellere Prozesse und unterstützt höhere Recovery‑Raten. Diese strukturellen Unterschiede schaffen ein eigenes Risiko‑/Ertragsprofil – und bieten Vorteile für Spezialisten.
Welche Sektoren sind im nordischen High‑Yield besonders vertreten?
Nordic HY deckt ein breites Spektrum ab – mit starker Präsenz in Energie, Industrie, Logistik, TMT und Consumer Services. Der Immobiliensektor bleibt bedeutend, wird jedoch wegen Refinanzierungsrisiken genau beobachtet. Bei Banken sind überwiegend Investment Grade Emissionen zu finden, HY‑Exposure bekommt man über nachrangige bzw. hybride Instrumente. Evli meidet bewusst kapitalintensive Emissionen aus Öl-Exploration & -Produktion und bevorzugt stabile, cashflow‑starke Geschäftsmodelle mit wenig Kapitalbindung. Diese sind in Skandinavien gut vertreten, so dass man eine gute Diversifikation und wenig Klumpenrisiken umsetzen kann.
Erwarten Sie weiteres Wachstum am Primärmarkt?
Ja, der nordische HY‑Primärmarkt dürfte weiter zulegen. Regulatorischer Druck auf Banken in Verbindung mit steigendem Refinanzierungsbedarf treibt Emittenten verstärkt an den Kapitalmarkt. 2024 gab es einen Rekord bei Neuemissionen ohne Rating (> 17 Mrd. Euro), und die Pipeline für 2025 bleibt lebhaft – inklusive Debütanten und LBO‑bezogener Deals.
Wo liegen aktuell die attraktiveren Chancen – am kurzen oder am langen Ende?
Taktisch überzeugt das kurze Ende mit hohem Carry bei geringer Duration – besonders vorteilhaft in einem fallenden Zinsumfeld. Der FRN‑Dominanz (≈ 79 %) sei Dank passen sich Kupons rasch an, sodass Rendite erhalten bleibt, während das Zinsrisiko begrenzt ist. Längere Laufzeiten können selektiv attraktiv sein - da wo die Spreads infolge einer Stresssitution oder starkem Re‑Pricing ausgeweitet sind. Evli hält eine maßvolle Allokation in Bonds mit fixem Coupon und nutzt Derivate, um Re-Investitionsrisiken zu steuern. Unser strategischer Anker bleibt aber die kurze Duration.
Welchen Anteil hat Nordic HY typischerweise in internationalen Portfolios – und sollte er höher sein?
In vielen globalen Kreditportfolios liegt die Nordic‑HY‑Quote noch im niedrigen einstelligen Bereich. Angesichts des strukturellen Spread‑Aufschlags (+100–200 bp ggü. EUR‑HY), der FRN‑Struktur (niedrige Zinssensitivität) und der Emittentenvielfalt kann ein moderat höheres Gewicht Carry und Diversifikation verbessern – ohne das Zinsrisiko spürbar zu erhöhen. Ineffizienzen – bedingt durch Emittenten ohne offizielle Bonitätsnoten und kleinere Tranchen – belohnen aktives Management und lokale Expertise, da sie eigenes Research erfordern. Evli positioniert seinen Fonds als Zugang zu dieser Nische. Schon eine moderate Erhöhung der Allokation kann insgesamt den Portfolio-Carry aber auch die Diversifikation spürbar heben.
Was sind die größten aktuellen Risiken für skandinavische HY‑Märkte?
Refinanzierungsschübe – insbesondere in Teilen der Immobilienwirtschaft – bleiben im Fokus der Anleger, ebenso FX‑Volatilität und zyklische Abkühlungen in exportorientierten Branchen. Geopolitik und Handelsfriktionen rund um die Ostsee sind sekundäre, aber nicht zu vernachlässigende Tail‑Risiken. Mit einer aktiven Emittentenselektion, guter Covenant‑Analyse und Liquiditätspuffern können Anleger diese Risiken steuern.
Wie anfällig ist der Markt für externe Schocks wie US‑Zinsbewegungen oder Geopolitik?
Nordic HY ist sicher nicht immun gegenüber Schwankungen der Risikobereitschaft. Schnelle US‑Zinsanstiege oder geopolitische Schocks beeinflussen die Spreads. Allerdings dämpft der hohe Anteil an Floatern und die überwiegend kurze Duration das reine Zinsrisiko. Ein Spread‑Risiko bleibt – besonders in allgemeinen Risk‑Off‑Phasen – bestehen. Dagegen stehen sehr solide historische Recovery‑Raten von über 50 Prozent. Unser Ansatz fokussiert auf Kapitalerhalt und Emittentenqualität – insbesondere lokale Vertragsrahmen beim Gläubigerschutz erleichtern zudem schnellere Restrukturierungen.
Sehen Sie Liquiditätsrisiken in Stressphasen?
Im Vergleich zu größeren Euro‑Märkten können kleinere Linien und begrenzte Dealer‑Bilanzen Bewegungen in Stressphasen verstärken. Aktive, lokal vernetzte Manager steuern die Ausführung über Pre‑Trade‑Checks, gestaffelte Ordergrößen und – wo möglich – Crossing von Flows. Im Vergleich zu größeren Euro-Märkten können kleinere Emissionen und begrenzte Kapazitäten in den Handelsbüchern der Market Maker die Schwünge in Stressphasen verstärken. Aktive, lokal agierende Manager steuern die Ausführung über Pre-Trade-Checks, gestaffelte Ordergrößen und – wo möglich – das Kreuzen von Orders (Crossing). Falls einzelne Emittenten in Schieflage geraten, ermöglicht das Nordic-Trustee-Modell schnellere Restrukturierungen: durchschnittliche Restrukturierungszeiten lassen sich damit auf neun bis zwölf Monate verkürzen (vs. 18–24 Monate in Kontinentaleuropa). Liquiditätspuffer und Sektorlimits bringen zusätzlich Portfoliostabilität.
Warum sollten internationale Anleger Nordic HY in Betracht ziehen – was ist der Unterschied zu pan‑europäischem HY?
Nordic HY bietet hohe Spreads, niedrige Duration und starke Gläubigerschutz‑Mechanismen. Strukturelle Spread‑Prämien gehen mit geringerer Zins‑Sensitivität einher – dank vieler Floater und kürzerer Laufzeiten. Viele unrated, weniger analysierte Emittenten schaffen Ineffizienzen, die sich durch diszipliniertes, vor Ort verankertes Research erschließen lassen. In Zahlen: ein Aufschlag von 100 bis 200 Basispunkten gegenüber dem paneuropäischen HY‑Universum und laufende Renditen von sechs bis sieben Prozent rücken nordische HY‑Bonds in den Fokus anspruchsvoller Bond‑Investoren. Insofern sehen wir Nordic High Yield als sehr relevante Quelle zusätzlicher Erträge in Anleiheportfolios. ESG-Kriterien lassen sich gut umsetzen und volatilere Sektoren untergewichten, ohne Diversifikation zu verlieren – das erhöht die Qualität. Kurz: mehr Rendite, weniger Volatilität und auch echte Diversifikation.
Bietet Nordic HY echte Diversifikation, oder ist die Korrelation zu Europa hoch?
In globalen Risk‑Off‑Phasen steigen Korrelationen. Dennoch sorgen ausgeprägte strukturelle Unterschiede wie Sektormix, Emittentenprofile und Währungen (im Evli Nordic HY Fonds gehedgt) für Diversifikation gegenüber einer Anlage in Core‑Euro‑Credit. Der aktuell noch intakte Nischencharakter, aber vor allem das Fehlen passiver Finanzinstrumente auf Nordic High Yield verhindern ein typisches Herdenverhalten, wie man es in volatilen Marktphasen oft erlebt. Auch über den Zyklus verhält sich Nordic HY anders – insbesondere durch den FRN‑Schwerpunkt und die besondere Struktur der Covenants. Darum sehen wir in Nordic HY eine komplementäre Allokation zu EUR‑HY.
Welche langfristigen Kräfte prägen den Markt (Demografie, Energiewende, Regulierung)?
Die Energiewende – insbesondere Offshore‑Wind und Netzinfrastruktur – ist ein langfristiges Investmentthema. Digitalisierung und TMT‑Infrastruktur treiben Emissionen und Branchenwachstum ebenfalls. Bankregulierung begünstigt die Disintermediation und führt mehr Unternehmen an den Anleihemarkt. Robuste Governance‑Rahmen und ESG‑Integration stärken Emittentenqualität und Transparenz.
Ihre drei stärksten Argumente für Nordic HY?
Ein Investment in nordische High-Yield-Anleihen bietet gleich mehrere strukturelle Vorteile, die es von klassischen europäischen Hochzinsmärkten abheben. Erstens ist der Spread-Vorteil besonders attraktiv: Nordic HY notiert seit Jahren mit einem stabilen Aufschlag von rund 100 bis 200 Basispunkten gegenüber dem paneuropäischen HY-Markt – ein relevanter Renditebeitrag für Investoren, die gezielt nach zusätzlichem Carry suchen. Zweitens überzeugt die niedrige Zinsrisiko-Exponierung: Aufgrund des hohen Anteils variabel verzinslicher Anleihen (Floating Rate Notes) liegt die modifizierte Duration des Markts bei lediglich etwa 0,6. Das macht das Segment besonders widerstandsfähig in Phasen volatiler Zinsen. Drittens spielt Nordic HY seine Stärken durch aktives Management aus: Ein breites, oft nicht geratetes Emittentenuniversum schafft Ineffizienzen, die sich nur durch fundiertes, lokal verankertes Research und gezieltes Credit-Picking erschließen lassen – in einem Markt, der sich passiv kaum abbilden lässt.