Warren Buffett verabschiedet sich – Ein leiser Abgang der Investmentlegende
Nach fast sieben Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway zieht sich Warren Buffett aus dem operativen Geschäft zurück. In einem ungewöhnlich persönlichen Schreiben an seine Aktionäre kündigt der 95-Jährige an, dass er künftig keine Jahresberichte mehr verfassen und auch nicht länger bei den legendären Hauptversammlungen stundenlang Rede und Antwort stehen werde. „Wie die Briten sagen würden, ich werde ruhig – irgendwie“, schreibt Buffett, halb scherzhaft, halb wehmütig.20.11.2025 | 14:00 Uhr
Ein geordneter Übergang
Zum Jahresende übernimmt Greg Abel, bislang Vizevorsitzender für das Nicht-Versicherungsgeschäft, die Leitung des Konzerns. Buffett bezeichnet ihn als „großartigen Manager, unermüdlichen Arbeiter und ehrlichen Kommunikator“. Der Kanadier gelte seit Jahren als designierter Nachfolger. Mit der offiziellen Übergabe endet eine Ära, die Berkshire Hathaway zu einem der größten und stabilsten Konglomerate der Welt gemacht hat – mit Beteiligungen von Coca-Cola bis BNSF Railway. Buffett macht keinen Hehl daraus, dass er Abel für die richtige Wahl hält. Dieser verstehe die Geschäfte „besser, als ich es heute tue“ und sei „der Beste, um Ihr Geld und meines zu verwalten“.
Ein Blick zurück – und nach innen
Doch Buffetts Schreiben ist weit mehr als eine nüchterne Übergabemitteilung. Es ist eine Lebensbilanz. Der Investor blickt auf seine Kindheit im Omaha der 1930er-Jahre zurück – eine Zeit, in der „eine Schlittenfahrt oder ein Baseballhandschuh“ zu den größten Glücksmomenten gehörten. Mit gewohntem Humor erzählt er von seiner beinahe tödlichen Blinddarmentzündung und davon, wie er im Krankenhaus begann, Nonnen zu „fingerabdrücken“ – aus kindlicher Überzeugung, das FBI könne seine Sammlung eines Tages brauchen. Omaha, so betont Buffett, sei mehr als Heimat gewesen – es habe sein Denken geprägt. Hier habe er seine ersten Geschäfte gemacht, seine Familie gegründet und mit Menschen zusammengearbeitet, die ihn ein Leben lang begleiten sollten: allen voran Charlie Munger, sein Weggefährte über sechs Jahrzehnte. Mit ihm habe er sich nie gestritten, „nicht ein einziges Mal“.
Philanthropie statt Dynastie
Großen Raum widmet Buffett in seinem Schreiben der Frage, was mit seinem Vermögen geschehen soll. Die rund 100 Milliarden Dollar, die an Berkshire-Aktien in seinem Besitz sind, sollen schrittweise an die Stiftungen seiner drei Kinder übertragen werden. Die Übergabe will er beschleunigen – auch, weil seine Kinder selbst längst über das Rentenalter hinaus sind. Buffett vertraut ihnen voll und ganz: Sie verfügten über „Reife, Intelligenz und Instinkt“, um die Mittel sinnvoll einzusetzen. Eine Regel jedoch bleibt: Er wolle „nicht aus dem Grab heraus regieren“. Seine Kinder sollen pragmatisch handeln, nicht idealistisch, und besser wirtschaften „als die Regierung oder die üblichen Umverteilungsmechanismen“.
Vertrauen in Berkshire bleibt
Der Rückzug sei, betont Buffett, kein Signal mangelnden Vertrauens in die Zukunft des Unternehmens. Berkshire bleibe robust, solide und langfristig ausgerichtet. Das Konglomerat verfüge „über geringere Risiken als jedes andere Unternehmen, das ich kenne“ – und werde auch künftig „ein Gewinn für die Vereinigten Staaten“ sein. Gleichzeitig mahnt Buffett zur Gelassenheit: Der Aktienkurs werde auch künftig schwanken, zeitweise um 50 Prozent fallen. Doch solche Rückschläge habe Berkshire in der Vergangenheit stets überstanden. „Amerika kommt zurück – und Berkshire auch.“
Lehren eines langen Lebens
In seinen Schlussgedanken zeigt sich Buffett so reflektiert wie selten. Geld, Macht und Ruhm seien keine Maßstäbe für Größe, schreibt er. Entscheidender sei, anderen zu helfen. „Freundlichkeit ist kostenlos, aber unbezahlbar.“ Sein Rat an künftige Generationen: Man solle sich gute Vorbilder suchen – und ihnen nacheifern. Fehler seien unvermeidlich, entscheidend sei, aus ihnen zu lernen. „Entscheiden Sie selbst, was in Ihrem Nachruf stehen soll – und leben Sie so, dass Sie ihn verdienen.“
Ein stiller Abschied mit Haltung
Mit seinem Rückzug verabschiedet sich Warren Buffett so, wie er gelebt und investiert hat: mit Gelassenheit, Bodenhaftung und einem Schuss Humor. Er hinterlässt nicht nur eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, sondern auch eine Haltung – dass Kapital, richtig eingesetzt, mehr sein kann als nur ein Mittel zur Rendite. (jk)