Erfolg in der Beratung mit strukturierten Produkten

Der Markt für Zertifikate ist nach der Finanzkrise 2008/2009 nahezu kollabiert. Seit Jahren fristen die Produkte eher ein Nischendasein. Doch das Interesse der Anleger wächst jetzt wieder. In der Beratung sind vor allem defensive Anlageprodukte gefragt.

15.02.2023 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Die Finanzkrise 2008/2009 war nicht nur für viele Investoren ein erschütterndes Erlebnis, sondern in aller erster Linie für die Finanzbranche. Aus deutscher Sicht ist hier zuallererst die Zertifikate-Industrie zu nennen, die bis dahin nur zweistellige Wachstumszahlen kannte. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers geriet die Branche ins Trudeln. Bei Anne Will auf der „Betroffenencouch“ saßen plötzlich Rentnerinnen, die von Abzocke mit Zertifikaten berichteten. Der Ruf war ruiniert. Die Produkte galten in der öffentlichen Diskussion nur noch als Zocker-Instrumente. Das Stigma wirkte lange nach. Die Umsatzzahlen erreichten nie wieder alte Höchststände.

Die Stärken von strukturierten Produkten werden wahrgenommen

Auch das Jahr 2022 wird Anlegern sicher nicht als eines der schönsten in Erinnerung bleiben. Sowohl die Kurse von Aktien als auch von Anleihen sind eingebrochen – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Doch der Blick auf Zertifikate hat sich verändert. In dem unsicheren Börsen-Geschehen konnten die strukturierten Produkte nämlich ihre Stärke ausgespielt. Die Emittenten konnten dank der hohen Volatilität so gute Konditionen anbieten wie schon lange nicht mehr. Der Grund: Etwa bei sogenannten Seitwärts-Zertifikaten wie Discount- und Express-Zertifikaten oder Aktienanleihen wird über Optionen implizit Volatilität verkauft. Eine hohe Volatilität bedeutet höhere Einnahmen durch Optionsprämien – ein Plus für die entsprechenden Produkte.

Gleichzeitig zogen im vergangenen Jahr die Zinsen an. Das hat viele Teil- oder Komplettschutz-Produkte wieder attraktiv gemacht. Lieblingskinder der Anleger waren hier vor allem strukturierte Anleihen. In der Finanzberatung spielten diese Produkte insbesondere für Kunden, die eher defensiv eingestellt sind, wieder eine größere Rolle. Die Nachfrage ist im vergangenen dreiviertel Jahr stark angezogen. Sollten die Zinsen weiter steigen und die Inflation hoch bleiben, könnte sich dieser Trend fortsetzen – zumal nach der Erholung der Aktienmärkte seit Mitte Oktober 2022 die Volatilitäten aktuell wieder etwas zurückgegangen sind. Die Kombination von geringen Schwankungen bei gleichzeitig relativ hohen Zinsen sorgt dafür, dass kapitalgeschützte Zertifikate mit 100% Kapitalschutz und 100% Partizipation derzeit sehr attraktiv aussehen. Das Versprechen, das eingesetzte Kapital zum Laufzeitende hin gegen Verlust zu schützen und gleichzeitig an Aufwärtsbewegungen des Basiswertes voll zu partizipieren, ist ein gutes Verkaufsargument.

Der Zertifikate-Markt profitiert von der Unsicherheit der Anleger

Und dieses Argument zieht, wie die jüngsten Zahlen zeigen. Anders als die Fondsindustrie hat das kleine Grüppchen der Zertifikate-Emittenten in Deutschland im Rückblick auf das vergangene Jahr keinen Grund zur Klage. Der deutsche Markt für strukturierte Wertpapiere schloss Ende 2022 mit einem Marktvolumen von insgesamt 80 Milliarden Euro. Das sind acht Prozent mehr als Ende 2021. Es ist der höchste Jahresendwert seit 2014. „Das gestiegene Marktvolumen zeigt, dass sich strukturierte Wertpapiere einen festen Platz in den Wertpapierdepots erobern. Die schwierigen Marktphasen in 2022 haben dazu geführt, dass strukturierte Wertpapiere von immer mehr Anlegerinnen und Anlegern zur Risikoreduzierung, zur Diversifikation und zum Kapitalschutz eingesetzt werden“, sagt Christian Vollmuth, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV).

Anlageprodukte werden aktiv verkauft

Was Finanzberater vor allem interessieren dürfte: Aus der jüngsten Befragung der Emittenten durch den DDV geht hervor, dass Anlageprodukte meist im Anschluss an eine Beratung erworben werden, entweder über eine Börse oder direkt vom Emittenten. Gehalten werden sie häufig mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre. Anders ist es bei Hebelprodukten. Hier geht dem Erwerb meist keine Beratung voraus, gekauft wird direkt beim Emittenten oder an einer Börse. Die Haltedauer liegt meist nur bei wenigen Wochen oder Tagen.

Zertifikate werden überwiegend defensiv eingesetzt

Die oft verbreitete Mär, Zertifikate seien nur etwas für Zocker, trifft definitiv nicht zu. Anlagezertifikate, die sich an mittel- bis langfristig orientierte Investoren richten, machen gemessen am ausstehenden Volumen nach Angaben des Branchenverbands DDV mehr als 90 Prozent des deutschen Zertifikate-Marktes aus. Der Anteil der Anlageprodukte am gesamten Marktvolumen (inklusive Hebelprodukte) lag Ende 2022 bei 96,9 Prozent. Dabei stellten sämtliche Gattungen von Anlageprodukten ohne Kapitalschutz knapp 60 Prozent, Produkte mit vollständigem Kapitalschutz einen Anteil von gut 40 Prozent. Um genau zu sein: Zu den beliebtesten Gattungen zählen Express-Zertifikate mit einem Marktanteil von 28% und strukturierte Anleihen mit 37,4%. „Anlegerinnen und Anleger investieren häufig konservativ. Der Großteil wählt Strategien mit risikoreduzierendem Puffer oder setzt auf hundertprozentigen Kapitalschutz“, so Vollmuth. Bei den Basiswerten der Anlageprodukte standen Zinsen (40 Prozent), Indizes (37 Prozent) und Aktien (21,5 Prozent) ganz oben auf der Beliebtheitsskala.

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