Netfonds: Feuer hinter der Leitung

Auf seiner digitalen Plattform wickelt der Dienstleister Transaktionen und andere Aufgaben für Versicherungsmakler und Finanzberater ab. 2021 wollen die Hamburger den Turbo zünden.

08.01.2021 | 07:30 Uhr von «Peer Leugermann»

Obwohl das operative Ergebnis von Netfonds (ISIN: DE000A1MME74) in den ersten neun Monaten überproportional zulegte, ist Vorstandschef Peer Reichelt in Sachen Skalierung zurückhaltend. Dabei steigerte sich das Ebitda des Finanzdienstleisters um 66 Prozent auf 1,5 Millionen Euro, während der Nettoumsatz mit plus 18,9 Prozent zwar beachtlich, aber deutlich langsamer auf 20,7 Millionen Euro stieg.

Das Ebitda der Hamburger sei „immer noch relativ klein und würde deutlich höher ausfallen, wenn wir nicht unverändert viel unseres Cashflows in Finfire investierten“, schränkt Reichelt ein. Finfire ist die eigene webbasierte IT-Plattform und digitalisiert zahlreiche Aufgaben von Versicherungsmaklern bis zu Fondsanbietern. Die Dienste reichen von der Kundenverwaltung bis zum wartungsfreien Depot, das Wertpapiergeschäfte samt allen gesetzlichen Auflagen abwickelt.

Die Plattform wird günstiger

Die Ebitda-Entwicklung verdanken die Hanseaten damit auch dem aktuellen Marktumfeld. Seit sich die Finanzmärkte vom Corona-Crash erholen, werde viel frisches Geld angelegt, so Reichelt. Netfonds profitiert von der Börsenstimmung, da an jedem über Finfire laufenden Finanzprodukt verdient wird. Von den bei Abschluss fälligen Ausgabeaufschlägen sowie den späteren Gebühren erhält der Dienstleister einige Basispunkte als Abwicklungs- und Verwaltungsprovision.

Tatsächlich stieg das verwaltete Vermögen bis Ende September um 14,4 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. Dabei entfallen 11,7 Milliarden Euro auf das Depotgeschäft, sprich technisch, administrativ und rechtlich abgewickelte Versicherungen und Finanzprodukte. Weitere 4,2 Milliarden stecken im Fondsadvisory. Grob verallgemeinert verleiht Netfonds in diesem Geschäft seine Bafin-Zulassung an Fonds­anbieter ohne Zulassung, damit diese eigene Finanzprodukte auflegen können.

Das Tempo, in dem die betreuten Milliarden nun zulegten, konnten die IT-Ausgaben nicht halten. Ab dem kommenden Jahr aber könnte sich das Ergebnis auch dank der Kostenentwicklung verbessern. Dann soll Finfire weitgehend fertig sein und Doppelbelastungen aus der Parallelnutzung alter Software ein Ende haben. Ab dem kommenden Jahr soll Netfonds daher „im Vergleich zu 2020 mit 70 bis 80 Prozent der IT-Ausgaben auskommen“, sagt Reichelt. Ein Spareffekt, den Firmenkenner auf eine Million Euro schätzen.

Versicherter Umsatz

Gleichzeitig dürfte Netfonds 2021 auch ohne steigende Börsen ein Umsatzschub bevorstehen. Der Grund: Die Chemie­industrie wickelt über Finfire ihre tarifliche Pflegezusatzversicherung Careflex Chemie ab. Dabei stocken die Arbeitgeber die gesetzliche Pflegeversicherung für jeden ihrer rund 435 000 Tarifmitarbeiter auf. Mit diesen Policen wird sich die Zahl der von Netfonds verwalteten Versicherungen auf über 850 000 Stück fast verdoppeln. Weil für den Abschluss dieser Versicherungen aber relativ wenig getan werden muss, verdienen die Norddeutschen daran auch weniger als üblich.

Dass etwa das Analysehaus Montega durch Careflex dennoch mit Bruttoumsätzen von 20 bis 30 Millionen Euro rechnet, liegt am erwarteten Zusatzgeschäft. So kann jeder Chemiemitarbeiter den Arbeitgeberanteil aufstocken oder zusätzlich Familienangehörige ohne Gesundheitsprüfung in den Tarif aufnehmen lassen. Als Careflex im Pilotprojekt bei Henkel startete, kamen laut Netfonds zu den über 9000 Tarifversicherungen auf diese Weise weitere 5500 Policen hinzu. Verträge, an denen die Hamburger dann wieder wie gewohnt verdienen.

Veredeltes Vermögen

Im Depotgeschäft wiederum will Reichelt die verwalteten Milliarden nicht nur steigern, sondern in Zukunft auch deutlich mehr an dem Vermögen verdienen. Dabei setzt der Manager auf die zunehmende Regulierung in der Anlageberatung. So müssen etwa Anlageberater für jedes Gespräch über eine Transaktion ein Protokoll oder einen Telefonmitschnitt anfertigen.

Die Auflagen führen zu einem Papierkrieg, wenn beispielsweise die Aktienquote mehrerer Kunden angepasst werden muss. Als Lösung bietet Netfonds für die Berater Anlagestrategien an, mit denen sich die eigenen Kunden etwa in die Gruppen „defensiv“, „ausgewogen“ und „offensiv“ unterteilen lassen. Soll dann eine Allokation geändert werden, ist das laut den Hamburgern für alle Kunden binnen weniger Minuten umsetzbar.

Gleichzeitig werden dadurch aus technisch verwalteten Geldern gemanagte Assets, um die sich die Tochter Hamburger Vermögen kümmert. An diesen verdient Netfonds laut eigener Aussage im Vergleich zur technischen Abwicklung mehr als das Dreifache. Bisher entfallen 1,4 Milliarden Euro aus dem Depotgeschäft auf diese Angebote.

Reichelt hält es perspektivisch für möglich, dass das gemanagte Vermögen auf bis zu 50 Prozent des Depot­geschäfts steigt, und ist dann gar nicht mehr zurückhaltend: „Das ist ein Turbo, mit dem wir unsere Margen im Bestandsgeschäft ver­edeln werden“, ist der Manager überzeugt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.12.2020 auf boerse-online.de

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