Justitia und die Fed – mit Blindheit geschlagen
TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie die Fed ohne überprüfbare Daten ihre Zinsentscheidungen trifft.27.10.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»
Rückblick auf die vergangene Woche
Eigentlich mag man gar nicht mehr über die USA berichten. Zu hanebüchen ist das, was da auf der anderen Seite des großen Teichs passiert. Und es sind gefühlt tausende Themen gleichzeitig - Streit mit Venezuela und Kolumbien, Zölle gegen Alle und Jeden, Einschränkung der Rede- und Pressefreiheit, Auszug des Pressekorps aus dem Pentagon, neue Sanktionen gegen Russland, Verweigerung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Es ist ein nimmer enden wollendes Stakkato. Ein düsteres Rauschen, in dem auch so manch Wichtiges unterzugehen droht. Gerade deshalb sollte man Manches auch nicht ganz unkommentiert lassen. Schließlich sind die Vereinigten Staaten der Dreh- und Angelpunkt der Weltwirtschaft. Die US-Regierung gibt sich zwar redlich viel Mühe, diesen Status über Bord zu schmeißen. Aber noch spielt es eine Rolle, was der alte Mann im Oval Office und seine willfährige Entourage so alles anstellen. Haarsträubendes zumal.
Wo soll man anfangen? Vielleicht damit, dass Donald Trump in der vergangenen Woche mal eben den Ostflügel des Weißen Hauses abreißen ließ, um an dessen Stelle einen güldenen Ballsaal errichten zu lassen? Passend zum neuen Triumphbogen, mit dem er Washington zu verschönern gedenkt? Letztlich sind es Lappalien angesichts der großen Themen, die diese Welt derzeit bewegen. Aber beide Projekte sind deutliche Hinweise darauf, dass Trump nicht vorhat, 2028 seinen Stuhl freiwillig zu räumen, so wie es die Verfassung vorsieht. Schlimm genug. Aber mit Justitia ist es in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (exklusiv für Donald Trump) ohnehin seit Trumps Machtübernahme im Weißen Haus so eine Sache.
Jüngster Coup: Donald Trump fordert als Privatmann von dem ihm als US-Präsident unterstellten US-Justizministerium 230 Millionen US-Dollar Schadenersatz für angeblich politisch motivierte Ermittlungsverfahren, die gegen ihn angestrengt wurden. Das an sich ist schon absurd genug. Wirklich pikant aber ist, dass Trump es wohl gar nicht auf einen Prozess ankommen lassen muss. Denn im Justizministerium gibt es zwei Personen, die eine mögliche außergerichtliche Einigung und Zahlung an Trump genehmigen könnten. Eine davon ist Justizministerin Pam Bondi, seit vielen Jahren eine überzeugte Trumpistin und ehemalige Fox-News-Moderatorin. Die andere Person ist der stellvertretende Justizminister Todd Blanche, der vor seiner Berufung auf seinen aktuellen Posten als Strafverteidiger für Donald Trump tätig war. Wir lernen: Man hat Justitia in den USA die Augen so fest verbunden, dass sie gar keine Chance mehr hat, gerecht zu entscheiden.
Apropos Blindheit: Der immer noch geltende Shutdown (schon vergessen? Nein, nein, er hält immer noch an!) lähmt die US-Behörden nach wie vor. Konkret bedeutet das unter anderem, dass die Statistikbehörden ihre Arbeit weitgehend eingestellt haben. Was wiederum zur Folge hat, dass nicht nur Justitia, sondern auch die US-Notenbank Fed mit Blindheit geschlagen ist. Jerome Powell und seine Kollegen werden in der kommenden Woche deshalb ihre nächste Zinsentscheidung mehr oder weniger aus dem Bauch heraus treffen müssen. Erwartet wird eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf dann 3,75 bis 4,00 Prozent. Als Grund, das hört man derzeit, wird die Stärkung des US-Arbeitsmarktes genannt. Obwohl aktuelle verlässliche Zahlen gar nicht vorliegen – ebenso übrigens wie zum Einzelhandel oder zur Industrieproduktion. Auch die Verbraucherpreisindex-Daten sind nur vage. Für September liegen sie zwar noch vor, für den Oktober gibt es aber schon keine Datenerhebung mehr.
Gleichzeitig rechnen Experten vor, dass jede Woche Shutdown das annualisierte Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um etwa 15 Basispunkte reduziert. Egal. Hauptsache im neuen goldenen Ballsaal darf bald getanzt werden. Eintrittskarten für die Veranstaltungen gibt es dann vermutlich für nur wenige Millionen US-Dollar, zu zahlen mit Trump-Coins an die Trump Organization. Der Hausherr freut sich schon darauf.
Interessante Termine in den kommenden Tagen
Am Dienstag wird am Kieler Landgericht eine Entscheidung dazu gefällt und verkündet, ob der Produktname „Likör ohne Ei“ zulässig ist. Es geht konkret um die Frage, ob ein Likör, der kein Eierlikör ist, mit der Bezeichnung Ei benannt werden darf. Endlich wird dann Klarheit darüber herrschen. Die Welt hat lange genug darauf gewartet.
Am Mittwoch gibt die Fed Washington ihre Zinsentscheidung bekannt. Siehe oben. Im bayerischen Grundremmingen sticht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder symbolisch den Spaten in den Boden, um den Baubeginn des größten Batteriespeichers Deutschlands zu eröffnen. Und in Berlin lädt der Sparkassenverband DGSV zum Video-Pressegespräch zur Vorstellung des „Vermögensbarometers 2025“ ein. Die repräsentative Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) liefert ein aktuelles Stimmungs- und Verhaltensbild rund um Sparen, Vorsorge und Geldanlage. DSGV-Präsident Ulrich Reuter und DSGV-Chefvolkswirt Reinhold Rickes stellen die Ergebnisse vor. Interessant wird der Vergleich zum Vermögensbarometer 2024.
Am Donnerstag findet die siebte Frankfurter Regulierungskonferenz statt. Das Thema diesmal: „Ist Deregulierung ernst gemeint?“. Die Veranstalter der Frankfurt School of Finance & Management erwarten als Rednerinnen und Redner unter anderem Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie Sabine Lautenschläger, Aufsichtsratsmitglied der Commerzbank.
Am Freitag startet das zweitägige Gipfeltreffen der Wirtschaftskooperation Apec (Apec Economic Leaders Meeting). Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation ist ein loser Verbund von Ländern rund um den Pazifischen Ozean, der sich vor allem mit Handelsfragen auseinandersetzt. Am 31. Oktober und 1. November kommen etliche Staatschefs zum jährlichen Apec-Gipfeltreffen im südkoreanischen Gyeongju zusammen. Erwartet wird unter anderem eine Teilnahme des chinesischen Staatschefs Xi Jinping. Angedacht ist im Vorfeld des Gipfeltreffens – am 29. oder 30. Oktober – ein Treffen zwischen Xi und US-Präsident Donald Trump. Bestätigt ist das Treffen zwischen den zwei Staatschefs bislang nicht. Sicher ist nur, dass Trump Chinas Staatschef noch keinen Termin für eine Einladung nach Washington zur Eröffnung seines neuen Ballsaales nennen kann. Es wird aber vermutlich bereits fieberhaft daran gearbeitet.