Die unvermeidliche Bitcoin-Schmelze
TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: der Wertverfall des Bitcoins.08.12.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»
Rückblick auf die vergangene Woche
Am Freitag der vergangenen Handelswoche hat ein Bitcoin ungefähr so viel gekostet wie am Montag, fünf Tage zuvor. Für Anleger, die Bitcoin-ETFs in ihren Depots oder Bitcoin-Anteile in ihren Wallets halten, war das eine gute Nachricht. Um genau zu sein, war es die erste gute Meldung für sie seit zwei Monaten. Anfang Oktober mussten Investoren noch rund 124.000 US-Dollar pro Bitcoin bezahlen. In der vergangenen Woche wurde die weltweit erste Kryptowährung gerade noch bei rund 91.000 US-Dollar gehandelt.
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Bitcoin in Euro - Wertentwicklung seit 2016
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Fast 27 Prozent Wertverlust innerhalb von zwei Monaten klingt schon dramatisch genug. Für die Gemeinde der Kryptogläubigen, von denen immer noch viele überzeugt sind, dass der jüngste Absturz eher eine Kaufgelegenheit und nicht der Beginn einer Baisse ist, sollten einige Fakten rund um die jüngsten Entwicklungen jedoch zum Nachdenken anregen.
Erstens: Der Bitcoin ist heute weniger wert als zu Jahresbeginn. So etwas hat es seit vier Jahren nicht mehr gegeben.
Zweitens: Eine ähnliche Chartkonstellation wie heute gab es schon einmal Ende Oktober 2021. Danach verlor der Bitcoin innerhalb von eineinhalb Jahren 75 Prozent an Wert.
Drittens – und das ist der für Bitcoin-Investoren am meisten beunruhigende Fakt: Die jüngste Bitcoin-Blase wurde durch Bitcoin-Käufe auf Kredit getrieben – und zwar gleich auf verschiedene Weise.
So hat etwa Strategy, das bekannteste Unternehmen aus dem Segment der bitcoinorientierten Treasury-Strategie, in großem Stil Wandel- und andere Anleihen emittiert, um Bitcoins zu kaufen. Die Bilanz des Unternehmens ist so stark mit Krypto-Exposition und Anleihen-Verpflichtungen aufgeladen, dass der Kursrutsch des Bitcoins die Liquidität und die Refinanzierungsmöglichkeiten der Firma im Zeitraffer hat zusammenschrumpfen lassen. Der Wert der 649.870 Bitcoin im Depot von Strategy ist in den zurückliegenden Monaten von rund 80,5 auf 59 Milliarden US-Dollar gefallen. Der Verlust ist nicht nur zur Gefahr für den Fortbestand von Strategy geworden, sondern auch für die Branche und den Wert des Bitcoins an sich. Denn um seine Verbindlichkeiten zu bedienen, hat Strategy begonnen, seine Bitcoin-Bestände zu verkaufen – was wiederum den Kurs der Kryptowährung drückt. In diesem Abwärtssog steckt Strategy nicht alleine, sondern mittlerweile eine ganze Reihe von mehreren Hundert Unternehmen, die ähnliche Probleme haben.
Dazu zählen nicht nur die sogenannten Treasurer wie Strategy, sondern auch große Bitcoin-Miner, die in den vergangenen Monaten Kreditlinien vereinbart oder Anleihen begeben haben – zum Teil besichert durch eigene Bitcoin-Reserven – um Wachstum, Hardware- oder zusätzliche Bitcoin-Käufe zu finanzieren. Zu den prominentesten Beispielen zählen große Unternehmen wie Riot Platforms und Marathon. Auf die Idee, Bitcoin-Bestände als Sicherheit zu nutzen, um Kredite aufnehmen zu können, sind nicht nur Krypto-Unternehmen gekommen, sondern auch Firmen außerhalb dieses Segments. Zum Teil wurden große Bitcoin-Bestände extra zu diesem Zweck aufgebaut, zum Teil auch über Carry-Trades: Firmen aus den USA und Europa haben dafür Kredite in japanischen Yen aufgenommen, um damit Bitcoins kaufen zu können. Diese Bitcoins wiederum wurden als Besicherung für weitere, größere Kredite genutzt. Das Kalkül dieser preiswerten Yen-Kredite war, deren Zins- und Rückzahlungsforderungen leicht aus den Bitcoin-Wertgewinnen und gleichzeitig einem schwächeren Yen bedienen zu können.
Aus dem risikolos erscheinenden Spiel ist jetzt ein Boomerang geworden. Die Zinsen in Japan steigen, und der Yen erweist sich überraschenderweise in diesem Jahr als stabil. Deshalb geraten alle, die in diesem Jahr die große Yen-Kredit-Bitcoin-Runde gedreht haben, in die Gefahr, aus der Kurve zu fliegen. Denn Bitcoin-Verkäufe allein werden sie nicht mehr retten. Und so sehen wir derzeit eine fatale Abwärtsspirale: Durch den rasanten Bitcoin-Kursverfall verlangen Kreditgeber, denen Bitcoins als Sicherheit angeboten wurde, nun zusätzliche Sicherheiten. Werden diese nicht gestellt, drohen Zwangsverkäufe und damit weiterer Preisdruck. Dieser Effekt war in den zurückliegenden Wochen verstärkt zu sehen.
Akut verschlimmert wird die Lage dadurch, dass viele der aufgenommenen Mittel befristet sind, zum Beispiel durch 364-Tage-Facilities oder Anleihen mit nahenden Fälligkeiten. Steigende Zinsen oder fallende eigene Aktienkurse reduzieren die Fähigkeit der betroffenen Unternehmen zur Refinanzierung. Insbesondere unter den Bitcoin-Treasurern wird es vermutlich demnächst die ersten Insolvenzen geben. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kreditzinsen für Krypto-Unternehmen bereits steigen und die Finanzierer höhere Sicherheiten fordern.
Und so wiederholt sich gerade im Krypto-Kosmos, was an Kapitalmärkten schon immer passiert ist, wenn die Gier das Hirn auffrisst. Wenn immer mehr Spekulanten ihr Objekt der Begierde auf Pump kaufen, ist das Scheitern bereits vorprogrammiert. Und wenn die Objekte selbst als Sicherheiten angeboten werden, mit dem optimistischen Argument, dass deren Preise sowieso unendlich weiter steigen werden, ist sowieso schon alles verloren. Was dabei herauskommt, hat man wiederholt in immer wieder auftretenden Immobilienkrisen erlebt, aber auch am Aktienmarkt.
Wobei es hier auch immer einen entscheidenden Unterschied zur aktuellen Krypto-Krise gibt: Hinter Immobilien und Aktien standen und stehen auch immer reale Werte. Der Bitcoin ist und bleibt ein virtuelles Nichts, das Strom verbraucht. Auch wenn dies die Krypto-Gemeinde immer noch nicht wahrhaben will.
Interessante Termine in den kommenden Tagen
Am Dienstag findet in Berlin der Tag der Metall- und Elektro-Industrie statt. Das Thema: „Soziale Marktwirtschaft - Von der Krise zur Reform“. Man könnte das Motto auch umdrehen: Von der Reform zur Krise. Niemand würde derzeit widersprechen. Immerhin: Zumindest dem Anspruch nach wollen die Teilnehmer und Redner der Veranstaltung konstruktive Ansätze diskutieren, wie Deutschlands Wirtschaft wieder auf die Füße kommen soll. Das ist doch schon mal positiv. Teilnehmen werden unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz, SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf und der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr. Letztgenannter wird sich besonders freuen, mal wieder zu einem Thema befragt zu werden. Das passiert ihm seit der letzten Bundestagswahl ja nicht mehr oft.
Am Mittwoch prüft der Bundesgerichtshof (BGH) die Zulässigkeit einer Klausel einer fondsgebundenen Riester-Rentenversicherung, die den Versicherer zu einer nachträglichen Herabsetzung der monatlichen Rente berechtigt. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die Verwendung der Klausel zuletzt untersagt. Ob der BGH am Mittwoch schon ein Urteil fällt, ist unklar (Az. IV ZR 34/25). Es würde allerdings überraschen, wenn der BGH zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung käme als die Vorinstanz. Ach ja, auch nicht ganz unwichtig: Am Mittwoch entscheidet die US-Notenbank Fed über ihren weiteren Kurs der Geldpolitik.
Am Donnerstag veröffentlicht das Ifo-Institut in München seine Winter-Konjunkturprognose für Deutschland. Ifo-Präsident Clemens Fuest und Konjunkturchef Timo Wollmershäuser werden erklären, worauf sich die Wirtschaft freuen darf – oder woran sie verzweifeln muss. Die Veranstaltung hat traditionell hohen Unterhaltungswert.
Am Freitag gibt das Statistische Bundesamt die Details zur Inflationsrate für November 2025 bekannt. So viel steht ja schon fest: Bisher ist alles im grünen Bereich. Die Preise steigen nicht zu schnell und nicht zu langsam. Hoffen wir, dass es möglichst lange so bleibt. Die nächste Inflationsphase kommt früh genug.