Sind Rüstungsaktien plötzlich nachhaltig?

Die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Investmentboutique Arete Ethik Invest schließt Waffenproduzenten weiterhin aus. Oliver Fischer erklärt warum

03.06.2025 | 15:30 Uhr von «Oliver Fischer»

Die Diskussion, ob Rüstungsaktien nicht doch als nachhaltig eingestuft werden sollten, hat durch den Angriff Russlands auf die Ukraine mächtig an Fahrt gewonnen. Das Argument für die Aufnahme in ein nachhaltiges oder ESG-Anlageuniversum lautet vereinfacht ausgedrückt: Mit Waffen lassen sich Menschenleben verteidigen oder sogar retten. Dem lässt sich nicht widersprechen. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Begriff des gerechten Krieges.

Die Diskussion bleibt nicht ohne praktische Folgen. Beim norwegische Staatsfonds Statens pensjonsfond, der seit Jahren nach ethischen Regeln investiert, fordern immer mehr Politiker, ihn auch für Rüstungsaktien zu öffnen, was bisher nicht der Fall ist. Die Vorsitzende der konservativen Partei Høyre, Tina Bru, hält es beispielsweise für schwer vermittelbar, dass Norwegen amerikanische Kampfflugzeuge vom Typ F-35 kauft, der Staatsfonds aber nicht in Waffenhersteller investieren darf.

Allianz Global Investors (AGI) ist da schon weiter. Der Vermögensverwalter der Allianz Versicherung will den Ausschluss von „Rüstungsgütern und -dienstleistungen“ wieder aufheben. Entsprechende Anlagerichtlinien für ESG-Fonds hat AGI bereits verabschiedet. Der Asset Manager ist damit nicht allein. Immer mehr Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter öffnen ihre als nachhaltig gelabelten Produkte für Rüstungsaktien. Der Branchenverband BVI hat dies bereits 2024 getan. Neben der Kehrtwende in der moralischen Debatte mag auch eine Rolle spielen, dass Rüstungswerte seit Beginn des Ukraine-Krieges massiv gestiegen sind. Und neu aufgelegte Fonds, die sich auf das Thema fokussieren, haben innerhalb weniger Wochen Dutzende Millionen Euro eingesammelt.

Verschiedene Knackpunkte

Auf den ersten Blick erscheinen die Argumente für die Nachhaltigkeit von Rüstungsgütern einleuchtend. Bei näherer Betrachtung stellen sich jedoch verschiedene Fragen, die kaum zu beantworten sind. Das beginnt damit, dass nicht sichergestellt werden kann, dass Waffen, die für einen „gerechten Krieg“ produziert und geliefert werden, nicht in falsche Hände geraten. Ebenso wenig lässt sich kontrollieren, dass die „Richtigen“ sie nicht missbrauchen.

Gleichzeitig lässt sich kaum zwischen Rüstungsfirmen unterscheiden, die ihre Waffen mit regulatorischer Erlaubnis nahezu beliebig an staatliche und nicht-staatliche Kunden in aller Welt verkaufen, und solchen, die strenge ethische Richtlinien beim Vertrieb anwenden.

Auch die Unterscheidung zwischen ethisch legitimen und illegitimen Waffen gestaltet sich äußerst schwierig. Eigentlich, so die einhellige Meinung, sollten Streubomben völkerrechtlich geächtet werden. Doch im vergangenen Jahr beschloss das litauische Parlament mit großer Mehrheit, aus dem völkerrechtlichen Übereinkommen zum Verbot von Streumunition wieder auszutreten.

Selbst wenn man der Argumentation folgt, dass Rüstungsaktien nicht gegen die ESG-Richtlinien verstoßen, ist es schwer zu begründen, warum sie als nachhaltig gelten sollen. Der Erfinder der nachhaltigen Forstwirtschaft Hans Carl von Carlowitz definierte den Begriff wie folgt: Nachhaltigkeit bedeutet, vereinfacht gesagt, nicht mehr Bäume zu fällen, als nachwachsen können. Auch moralisch vielleicht gerechtfertigte Waffen zerstören Gebäude und töten Menschen. Der schreckliche Krieg in der Ukraine führt uns das täglich vor Augen. Waffen, ob „gut oder böse“, können Gebäude nicht wieder aufbauen oder Menschen wieder zeugen. Der individuelle Mensch ist ohnehin unersetzlich und daher durch die Menschenwürde geschützt.

Partner und Präsident des Verwaltungsrates

Oliver Fischer ist bei der Arete Ethik Invest für das Relationship- und Solutions-Management tätig. Der Diplom-Betriebswirt (FH) hat an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München studiert. Fischer verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanz- und Investmentbranche. Bevor er zur Arete Ethik Invest gewechselt ist, hat Fischer für Hauck & Aufhäuser Privatbankiers gearbeitet. Die Schweizer Investmentboutique ist auf nachhaltige Investmentstrategien spezialisiert.

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