Freibier für alle
TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: ein Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen - oder wenigstens einen großen Schluck aus der Pulle.05.09.2022 | 07:30 Uhr
Rückblick auf die vergangene Woche
Am Sonntagvormittag haben die Koalitionäre ein 65 Milliarden Euro schweres, drittes Entlastungspaket verkündet. Die Regierung hat die Gießkanne ordentlich mit Wohltaten gefüllt. Die Highlights: Rentner erhalten zum 1. Dezember 2022 einmalig 300 Euro, Studierende 200 Euro. Der Gaspreis soll gedeckelt werden, die Details werden noch geklärt. Der Heizkostenzuschuss wird kurzfristig verdoppelt: Studierende und Azubis erhalten jetzt einmalig 230 Euro, Wohngeld-Empfänger 270 Euro. Später wird der Zuschuss für Wohngeldberechtigte dauerhaft in das Wohngeld integriert. Ein Einpersonenhaushalt erhält künftig 415 Euro, ein Zweipersonenhaushalt 540 Euro, für jede weitere Person werden zusätzliche 100 Euro fällig. Das Bürgergeld, das ab 1. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld ablöst, wird schon zum Start um 50 auf auf 500 Euro erhöht. Das Kindergeld wird ab dem 1. Januar 2023 um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben. Ein 9-Euro-Ticket wird es zwar nicht mehr geben, aber für einen Pauschalpreis von 49 bis 69 Euro pro Monat werden Bürger auch in Zukunft mit dem ÖPNV nach Sylt oder sonst wohin fahren können. Damit die Nahverkehrsnetze nicht unter der zu erwartenden Last zusammenbrechen, erhalten Länder und Kommunen für deren Erhalt und Ausbau jährlich 1,5 Milliarden Euro aus der Bundeskasse. Die Umsatzsteuer für Gas wird auf sieben Prozent abgesenkt, die EEG-Umlage abgeschafft und die Fernpendlerpauschale (ab 21 km) um drei Cent pro Kilometer erhöht. Wie gesagt: Das sind nur die Highlights.
Man sollte meinen, das üppige Geschenkpaket würde alle erfreuen. Doch weit gefehlt. Der Eindruck, den man gewinnt, wenn man die Forumsbeiträge in den Medien, die über das Paket berichten, liest, ist eher der, dass die Begünstigten unzufrieden sind und mehr Geld wollen. Nur 300 Euro für Rentner? Da erfriere ich im Winter! Nur 200 Euro für Studierende? Ihr habt ja keine Ahnung, was ein Studentenleben kostet! Ich bin Mutter! Die Kindergelderhöhung ist viel zu gering! Offensichtlich herrscht die Erwartung, der Staat möge bitte allen Bürgerinnen und Bürgern alle finanzielle Last von den Schultern nehmen. Die hohe Anspruchshaltung war im Vorfeld der Koalitions-Verhandlungen bereits zu spüren. Die Sozial- und Wirtschaftsverbände hatten lange Forderungslisten formuliert. Sie wurden fast alle erfüllt.
Überhaupt: Es lohnt sich, einfach mal „fordern Entlastungen“ als Wortfolge in das Textfeld bei Google einzutippen. Als Ergebnis spuckte die Suchmaschine vor dem Wochenende rund 2,4 Millionen Artikel zu dem Thema aus. Das ist eine beachtliche Zahl, die in beeindruckender Weise widerspiegelt, mit welcher Grundeinstellung viele in diesem Land ihrem Leben und dem Staat gegenüberstehen. Sinngemäß ließen sich die Wortmeldungen in den Sätzen „wir fordern…“ und „das steht uns zu“ und „wenn der Staat schon Geschenke verteilt, dann wollen wir auch was davon haben“ zusammenfassen.
Grundsätzliche volkswirtschaftliche Regeln spielen dabei längst keine Rolle mehr. So ist es zum Beispiel in der Regel keine besonders gute Idee, hohe Inflationsraten mit Steuergeschenken – also mehr Geld – bekämpfen zu wollen. Man motiviert Menschen auch nicht zu weniger Energieverbrauch, indem man die Pendlerpauschale erhöht, die Energiepreise deckelt, eine Energiepauschale ausschüttet, ein Mobilitätsgeld zahlt und die Heizkosten staatlich bezuschusst. Dass ein Mobilitätsgeld und ein Heizkostenzuschuss, ausdrücklich dem Klima zuliebe (!) gefordert und formuliert, ein Widerspruch sein könnten, fiel offensichtlich niemandem auf.
Und dann wäre da noch die Frage, wer das alles bezahlen soll. Die Antwort liegt auf der Hand: Alle, die arbeiten und Steuern zahlen sowie die Unternehmen, die Gewinne erzielen. Ganz besonders sollen diejenigen zur Kasse gebeten werden, die nach Meinung der SPD in der Krise zu viel Geld verdient haben. Will heißen: Wer arbeitet und Geld verdient, macht grundsätzlich etwas falsch. Das war übrigens schon in den zurückliegenden Jahren so, wenn auch aus anderen Gründen. Auch in den Zeiten niedriger Zinsen und niedriger Inflation waren diejenigen die Dummen, die keine Schulden gemacht haben. Zunächst, weil man mit Schulden schneller Vermögen aufbauen konnte und dann, als es in der Coronakrise plötzlich nicht mehr so rund lief, der Staat vor allem den Schuldenkönigen und Prassern zur Seite sprang. Wer als Selbständiger oder Unternehmer über Jahre hinweg sorgsam und nachhaltig gewirtschaftet hatte, sah die prall gefüllten Förder- und Hilfstöpfe nur von Ferne.
Deshalb an dieser Stelle ein Vorschlag, der hoffentlich alle zufriedenstellt und viel unkomplizierter ist als alle bisherigen Umverteilungs-, Entschädigungs- und Hilfspakete: Führt endlich das bedingungslose Grundeinkommen ein. Jeder bekommt ausreichend Geld, um sich auch in Zukunft alles leisten zu können. Die dafür notwendige Summe sollte gerecht ausgehandelt werden. Das heißt, jeder trägt auf einem Formular die Summe ein, die er benötigt. Darüber, wie das Ganze finanziert werden soll und wer überhaupt noch Waren herstellen, Dienstleistungen erbringen und dafür arbeiten will, wird erstmal geschwiegen. Das ist ja auch jetzt schon so. Jeder soll sich alles leisten können. Auf Staatskosten. Irgendwer wird die Rechnung schon begleichen.
Klingt das zu radikal? Okay, hier ist eine vorläufige Kompromissforderung: Freibier für alle. Und zwar noch im Laufe des Septembers. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Begründung: Die Rohstoffkosten für die Bierproduktion, inklusive Verpackung und Transport, sind in den vergangenen zwei Jahren um 62 Prozent gestiegen. Der durchschnittliche Preis für deutsches Lager- und Weizenbier hat in diesen beiden Jahren aber nur um neun Prozent zugelegt. Das sind drei Prozentpunkte weniger als der allgemeine Verbraucherpreisindex, hat die Social-Investing-Plattform eToro ausgerechnet. Unter dem Strich bedeutet die Differenz zwischen hohem Erzeugerpreis- und moderatem Konsumpreisanstieg, dass die Bierpreise mit großer Wahrscheinlichkeit sehr zeitnah deutlich anziehen werden. Und dies ausgerechnet kurz vor dem Oktoberfest und der Fußball-Weltmeisterschaft. Man darf wohl sagen: Da braut sich etwas zusammen. Gerade in Bierzelten ist ja schon manche Revolution ausgerufen worden. Um soziale Unruhen abzuwenden, sollte der Staat deshalb Biertrinker dringend entlasten und die Kosten voll übernehmen. Das sollte uns der soziale Friede wert sein. Mindestens.
Ausblick auf interessante Termine in dieser Woche
Am Dienstag findet der Parlamentarische Abend des Deutschen Verkehrsforums statt. Das Thema: „Von den Reduktionszielen zur erfolgreichen Transformation - Was jetzt zu tun ist, damit der Mobilitätssektor beim Klimaschutz durchstartet“. Hoffentlich werden an diesem Abend auch Bundeszuschüsse für schnelles Fahren diskutiert. Schließlich ist man schneller da und reduziert damit die Zeit einer CO2-Emission, wenn man das Gaspedal durchtritt.
Am Mittwoch findet in der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin die Internationale Konferenz „Equal Care & Equal Pay - höchste Zeit, die Lücken zu schließen!“ statt. Tipp: Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Jede und Jeden würde diese Veranstaltung überflüssig machen.
Am Donnerstag laden die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla im Haus der Bundespressekonferenz Journalisten zur Präsentation ihrer Kampagne „Unser Land zuerst!“ ein. Die beiden Rechtsaußen haben den aktuellen Trend „Ich zuerst!“ offensichtlich komplett verpennt.
Am Freitag stellt der Gesamtverband der Versicherer sein Grünbuch Alternde Gesellschaft vor. Diesem demografischen Trend wird leider immer noch zu wenig Beachtung geschenkt. Wenn das bedingungslose Grundeinkommen endlich Wirklichkeit werden soll, muss irgendjemand die Kohle dafür verdienen. Um eine längere Lebensarbeitszeit werden wir deshalb nicht umhinkommen. Vor allem, wenn nicht nur altersbedingt immer weniger Menschen arbeiten wollen, weil sie es aufgrund des bedingungslosen Einkommens nicht mehr müssen. Dieses Dilemma wirft natürlich Fragen auf. Vielleicht gibt das Grünbuch darauf Antworten.