Frankreichs Regierungskrise: Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und die Eurozone

Timothy Graf, Head of Macro Strategy für EMEA bei State Street, und Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank, kommentieren die derzeitige politische Lage in Frankreich und ihre möglichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

09.09.2025 | 09:00 Uhr

Die politische Krise in Frankreich hat in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt und erhebliche Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten ausgelöst. Timothy Graf von State Street bewertet die aktuelle Situation als ernstes lokales Problem, das jedoch keine unmittelbare Bedrohung für die europäische Wirtschaft darstellt.

Spreads haben sich ausgeweitet

Laut Graf sind die politischen Turbulenzen und die Ausweitung der Spreads auf den französischen Staatsanleihen zwar besorgniserregend, doch die Eurozone sei insgesamt besser aufgestellt, um mit solchen Herausforderungen umzugehen als während der Krisenjahre in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts. Er stellt fest, dass die Institutionellen Anleger in den letzten Monaten nur begrenztes Interesse an französischen Vermögenswerten gezeigt haben, was sich in schwachen Kapitalflüssen bei sowohl Aktien als auch Anleihen widerspiegelt.

Euro wird kaum tangiert

Graf erklärt weiter, dass die Märkte bereits Anpassungen an die aktuelle Lage vorgenommen haben. „Investoren sind wieder auf eine Benchmark-Gewichtung zurückgekehrt. Das bedeutet, dass bei Bedarf auch eine Untergewichtung französischer Vermögenswerte möglich wäre, insbesondere wenn die Risikobewertung dies erfordert“, so Graf. Die politische Unsicherheit werde also nicht zu einer Schwäche des Euro führen, da viele andere europäische Länder mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Dennoch rechnet Graf damit, dass französische Vermögenswerte auf absehbare Zeit wenig attraktiv bleiben werden.

Entscheidender Wendepunkt in Frankreich

Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank, sieht die gescheiterte Vertrauensfrage als einen entscheidenden Wendepunkt in der politischen Landschaft Frankreichs. Schallmayer hebt hervor, dass das Scheitern dieser Abstimmung den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung darstellt, die die Reformunfähigkeit des Landes unterstreiche. „Selbst kleinste Sparmaßnahmen sind heute in Frankreich nicht mehrheitsfähig, was die politische Handlungsfähigkeit weiter einschränkt“, so Schallmayer.

Krise ist eingepreist

Die Märkte haben die politische Unsicherheit bereits eingepreist, meint Schallmayer. Die Risikoprämien für französische Staatsanleihen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, besonders ab Mitte August. In Anbetracht der gescheiterten Vertrauensabstimmung seien die Marktreaktionen bisher eher ruhig ausgefallen. Schallmayer geht davon aus, dass sich auch die Bewegungen nach der Abstimmung in Grenzen halten werden, warnt jedoch vor einem moderaten Anstieg der Risikoprämien in den kommenden Monaten.

Druck auf Frankreichs Kapitalmärkte bleibt erhalten

Er betont, dass Frankreichs hohe Schulden und laufenden Haushaltsdefizite in Kombination mit der Weigerung, strukturelle Reformen umzusetzen, langfristig den Druck auf die Kapitalmärkte aufrechterhalten werden. „Die Märkte werden Frankreich weiterhin genau beobachten“, erklärt Schallmayer. Besonders problematisch sei die Unfähigkeit des Landes, einen Richtungswechsel in der Haushaltspolitik und den Ausgabenkürzungen herbeizuführen. Trotz dieser Unsicherheit sieht Schallmayer keine unmittelbare Gefahr für eine erneute Euro-Krisendebatte. Die Kapitalmärkte seien sich jedoch der anhaltenden Schwäche des französischen Finanzsystems bewusst.

Deutsche Staatsanleihen sind kein sicher Hafen mehr

Ein weiteres bemerkenswertes Detail, das Schallmayer hervorhebt, ist der fehlende „sichere Hafen“-Effekt für deutsche Staatsanleihen. Obwohl Bundesanleihen traditionell als sichere Anlage galten, konnten sie in der aktuellen Situation von der Unsicherheit in Frankreich nicht profitieren. Dies liege an den hohen Ausgabenprogrammen und dem anhaltenden Reformstau in Deutschland, die ebenfalls die Risikoprofile der deutschen Staatsanleihen beeinflussen.

Fazit:

Die politische Instabilität in Frankreich hat die Finanzmärkte aufgerüttelt, doch die direkten Auswirkungen auf die Eurozone bleiben überschaubar. Während französische Vermögenswerte weiterhin von vielen Investoren gemieden werden, bleibt der Euro als stabile Währung voraussichtlich unangetastet. Die Kapitalmärkte behalten jedoch die Entwicklungen in Frankreich genau im Auge, da die politisch-wirtschaftliche Unsicherheit langfristige Risiken für die finanzielle Stabilität mit sich bringen könnte. (jk)


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