Warum Familienplanung eine kluge Investition ist

Titel der Publikation: Warum Familienplanung eine kluge Investition ist
Veröffentlichung: 12/2019
Autor: Bjørn Lomborg
Auftraggeber: Project Syndicate
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12.12.2019 | 08:26 Uhr

Leider haben daher viele Menschen die Ankündigung Großbritanniens im letzten Monat verpasst, 600 Millionen Pfund (700 Millionen Euro) dafür zur Verfügung zu stellen, 20 Millionen mehr Frauen und Mädchen in den Entwicklungsländern zusätzliche Möglichkeiten zur Familienplanung zu geben.

Forschungen des Copenhagen Consensus Center zeigen, dass Familienplanung eine der klügsten möglichen Entwicklungsinvestitionen ist. Insofern ist die Entscheidung der britischen Regierung, die auf diesen Ergebnissen beruht, von entscheidender Bedeutung. Momentan sind hunderte Millionen Frauen nicht in der Lage, die Anzahl, die Zeit und den Abstand ihrer Geburten selbst zu entscheiden. Dies hat manchmal fatale Folgen, da unerwünschte Schwangerschaften jungen Müttern und ihren Kindern das Leben kosten können. Und da der universale Zugang zu Verhütungsmitteln das Wachstum fördert, gibt es dafür auch wichtige wirtschaftliche Argumente.

In den Entwicklungsländern verwenden 214 Millionen Frauen im geburtsfähigen Alter, die eine Schwangerschaft vermeiden wollen, keine moderne Verhütungsmethode. Fast ein Viertel der Frauen in Afrika und ein Zehntel in Asien, Lateinamerika und der Karibik haben ein unerfülltes Bedürfnis nach Familienplanung.

Vor vier Jahren versprachen die Politiker in aller Welt, bis 2030 einen universalen Zugang zu Methoden der Familienplanung zu gewährleisten. Aber im Jahr 2017, dem letzten Jahr, für das Daten verfügbar sind, lagen die weltweiten Hilfszahlungen für solche Dienstleistungen bei etwa 1,27 Milliarden Dollar – deutlich unter dem Höhepunkt von 1,43 Milliarden im Jahr 2014. Also müssen sich mehr Regierungen dem britischen Beispiel anschließen.

Einige Programme zur Familienplanung sind chronisch unterfinanziert. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat ebenso wie ihre jüngsten republikanischen Vorgänger viele solcher Initiativen aufgegeben, da sie keine amerikanischen Steuergelder für die Finanzierung von Abtreibungen ausgeben will. (Alles in allem blieben die US-Entwicklungsausgaben konstant.) Aber die Regierungspolitik unter Trump könnte ihr beabsichtigtes Ziel verfehlen: Laut einer Studie der Stanford University führte ein ähnliches US-Gesetz unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush zu mehr Abtreibungen, da es NROs die Gelder für Verhütungsmittel strich.

Die Forschungsergebnisse des Copenhagen Consensus Center, die von der britischen Regierung verwendet wurden, zeigen, warum wir einen allgemeinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln anstreben sollten. In der Studie schätzen Hans-Peter Kohler und Jere Behrman von der University of Pennsylvania, dass es jährlich etwa 3,6 Milliarden Dollar kosten würde, den unterversorgten 214 Millionen Frauen Möglichkeiten zur Familienplanung zur Verfügung zu stellen.

Schnell aufeinander folgende und schlecht geplante Schwangerschaften und Geburten tragen zu hoher Säuglingssterblichkeit bei, und es gibt Anzeichen dafür, dass auch Frauen mit mehr als vier Kindern ein höheres Sterblichkeitsrisiko haben. Kohler und Behrman schätzen, ein universeller Zugang zu Verhütungsmitteln könnte jährlich 640.000 Totgeburten und 150.000 gestorbene Mütter verhindern. Außerdem würden 600.000 weniger Kinder ihre Mutter verlieren. Werden diese gesundheitlichen Vorteile wirtschaftlich quantifiziert, kommen Kohler und Behrman zu dem Ergebnis, dass jeder Dollar für einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln der Gesellschaft 40 Dollar einbringt.

Dies ist bereits sehr eindrucksvoll. Aber arme Länder mit besserem Zugang zu Verhütungsmitteln profitieren dazu noch von einer „demografischen Dividende“ – also dem zusätzlichen Wirtschaftswachstum, das entsteht, wenn das Verhältnis der Anzahl von Menschen im Erwerbsalter zu jener der abhängigen Menschen steigt. 

In den am wenigsten entwickelten Ländern sind normalerweise über 40% der Bevölkerung unter 15 Jahre alt und finanziell von arbeitenden Erwachsenen abhängig. Können aber die Frauen wählen, wann und wie oft sie schwanger werden, haben sie wahrscheinlich weniger Kinder und sind besser in der Lage, ihre gewünschte Familiengröße zu erreichen. Sinken die Geburtenraten, nimmt die Anzahl der finanziell Abhängigen im Verhältnis zur arbeitenden Bevölkerung ab. Muss ein Land weniger Menschen unterstützen und hat es irgendwann mehr Menschen im arbeitsfähigen Alter, kann dies dem Wirtschaftswachstum helfen.

Darüber hinaus ermöglichen kleinere Familien den Eltern, in jedes einzelne Kind mehr zu investieren. Beispielsweise bleiben Kinder mit weniger Geschwistern oft länger in der Schule. Und gibt es in den einzelnen Altersgruppen weniger Kinder, kann jedes Kind mehr gesellschaftliches Kapital für sich beanspruchen und damit produktiver werden.

Insgesamt summieren sich dieser demografische Nutzen laut Kohler und Behrman auf 288 Milliarden Dollar jährlich. Ergänzen wir die gesundheitlichen Vorteile durch die demografische Dividende, erzielt jeder Dollar für besseren Zugang zu Familienplanung 120 Dollar gesellschaftlichen Nutzen.

Dies ist eine absolut phänomenale Investition. In der Tat kam ein Expertenforum von Ökonomen, das vom Copenhagen Consensus Center veranstaltet wurde und zwei Nobelpreisträger umfasste, zu dem Schluss, universaler Zugang zu Familienplanung sei – gemeinsam mit freierem Handel, besserer Ernährung, Immunisierung und Investitionen in Vorschulerziehung – eines der mächtigsten Entwicklungsziele, die die Welt überhaupt verfolgen kann.

Jetzt liegt es an den anderen Regierungen und Geldgebern, sich der britischen Verpflichtung, Familienplanung besser verfügbar zu machen, anzuschließen. Universaler Zugang zu Verhütungsmitteln würde Millionen von Menschenleben retten und schützen – und die Gesellschaften schneller zu gemeinsamem Wohlstand führen. Da so viel auf dem Spiel steht, muss die Welt diesem Ziel viel mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen widmen.

Bjørn Lomborg, Gastprofessor an der Copenhagen Business School, ist Direktor des Copenhagen Consensus Center.

Copyright: Project Syndicate

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