Sind wir in einer KI-Blase?

In den letzten Wochen erschienen erstaunliche Mengen an Medienberichten, die sich mit der Frage befassten, ob die Begeisterung der Anleger für Künstliche Intelligenz den Markt in eine „KI-Blase“ treibt.

21.11.2025 | 06:10 Uhr

Da auch mich dieses Thema beschäftigt, dachte ich, es könnte hilfreich sein, meine Einschätzungen zu schildern – nicht nur als KI-Investor, sondern auch als früherer Analyst des Telekommunikationssektors, der das Platzen der Tech-Blase in den späten 1990er-Jahren miterlebt hat. Ich habe noch lebhafte Erinnerungen an diese Erfahrung, und sie hat mich etwas gelehrt, das aus meiner Sicht auf die aktuelle Situation anwendbar ist.

Heute stellt sich vor allem die Frage, ob wir uns in einer ähnlichen Phase wie 2000 befinden, also in einer Blase, die bald platzen wird, oder ob die Lage zurzeit eher so ist wie 1998. Dann wäre der Wendepunkt noch nicht erreicht und die Märkte hätten noch Luft nach oben.

Börsenrausch: Damals und heute

Quellen: Capital Group, LSE Group, Nasdaq. Stand 20. Oktober 2025. Die Ergebnisse der Vergangenheit sind kein Hinweis auf künftige Ergebnisse.

Ich weiß zwar, wie schwierig es ist, Blasen zu prognostizieren, aber ich denke, die aktuelle Lage ähnelt eher der im Jahr 1998 als 2000. Einige von Ihnen mögen sich an dieses Jahr erinnern: Global Crossing – das prägende Unternehmen der Glasfaser-Ära und eine der wichtigsten Aktien der Spekulationsblase Ende der 90er-Jahre – ging zu einem Preis von 19 US-Dollar je Aktie an die Börse. Neun Monate später lag der Kurs bei 64 US-Dollar. Unvergesslich ist auch Worldcom, das berichtete, dass sich der Internet-Traffic alle 90 Tage verdopple. Später meldeten beide Unternehmen Konkurs an, aber zuvor waren sie außergewöhnlich erfolgreich. Von seinem Börsengang am 14. August 1998 bis zum Markthöhepunkt am 10. März 2000 stieg der technologielastige NASDAQ 100 Index um über 45%.

In dieser Phase nicht investiert zu sein, war für erfahrene Portfoliomanager, die eine Blase befürchteten, sehr schmerzhaft, weil ihre Ergebnisse weit hinter dem Markt zurückblieben. Ab 2000 waren sie zwar rehabilitiert, aber bis dahin war es unschön.

Wiederholt sich die Geschichte?

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich irgendwann eine Blase aufbauen wird, gefolgt von einer möglicherweise schmerzhaften Korrektur. Aber ich denke, so weit sind wir noch nicht. „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich oft“, wie Mark Twain gesagt haben soll.

Die Unternehmen, die heute in KI investieren, sind viel stabiler als die Dotcom-Helden. Die riesigen Hyperscaler – die Anbieter von Internet- und Cloud-Plattformen wie Amazon, Microsoft und Alphabet – können ihre enormen Investitionsausgaben weitaus besser stemmen als die Telekommunikations-Newcomer der späten 90er Jahre. Einige Volkswirte meinen, dass die KI-bezogenen Investitionen, zu denen auch der Kauf moderner Chips und der Bau großer Datenzentren zählt, der US-Wirtschaft in diesem Jahr geholfen haben, eine Rezession zu vermeiden.

KI-Unternehmen haben enorme Barreserven

Quellen: Capital Group, FactSet. "Freie Cashflows in rollierenden 12-Monats-Zeiträumen" auf Grundlage von Daten von FactSet. Stand der Daten am 31. Dezember des jeweiligen Jahres.

Einigen Schätzungen zufolge ist der KI-Investitionszyklus enorm: Er macht 7% des US-BIP aus (über 2 Billionen US-Dollar). Aus Sicht der etablierten Big-Tech-Unternehmen sind diese Ausgaben notwendig, um zu vermeiden, dass ihnen junge KI-Startups in die Quere kommen. Solange Unternehmen wie Amazon, Microsoft und Alphabet KI-Investitionen für unerlässlich halten, werden sie weiter investieren und dem KI-Boom Auftrieb geben.

Das fehlende Puzzleteil: Der anhaltende IPO-Boom

Ein weiterer Unterschied zu damals ist, dass das führende KI-Unternehmen OpenAI noch nicht an der Börse ist. Den letzten Begeisterungssturm löste OpenAI im November 2022 mit der Einführung von ChatGPT aus, einem KI-basierten Chatbot, der schnell zur am meisten heruntergeladenen App aller Zeiten wurde. Andere innovative Startups wie Anthropic, Cohere, Mistral AI und xAI sind ebenfalls noch nicht an der Börse notiert. Bislang fehlt uns noch der „Global-Crossing-Moment”, aber aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bevor diese jungen Unternehmen in die nächste Phase ihres Wachstum eintreten – mit einem Börsengang.

Ein Faktor, der die Technologieblase der 90er-Jahre bewirkt und aufrechterhalten hat, waren steigende Umsätze, die künftige Rentabilität versprachen. Diese noch nicht börsennotierten Firmen sind das heutige Äquivalent dazu. Wenn die Investoren nach ihren Börsengängen genauere Einblicke in ihre Finanzen erhalten, dürften hohe Wachstumsraten vom Markt belohnt werden.

Künstliche Intelligenz: Boom oder Bubble?

Quellen: Capital Group, Bloomberg. "Die vier apokalyptischen Reiter": Cisco, Dell, Microsoft und Intel, vier der größten und erfolgreichsten Unternehmen der Dotcom-Ära. Daten umbasiert: 1. Januar 1998 = 100. Unternehmen der KI-Ära: NVIDIA, Microsoft, Apple, Alphabet, Broadcom, Meta und Amazon, sieben der größten Unternehmen mit KI-Bezug. Daten umbasiert: 1. Januar 2020 = 100.

Wichtig ist auch, dass die US Federal Reserve zurzeit ihre Zinsen senkt. Eine lockere Geldpolitik kann günstig für hoch bewertete Technologieaktien sein. 1998 begann die Fed nach dem Zusammenbruch von Long-Term Capital Management ihren Leitzins stark zu senken. Wegen der allgemeinen Angst im Zusammenhang mit dem Millennium-Bug ließen sie ihn niedrig. Man könnte sagen, dass heute die Zölle und der schwächelnde Arbeitsmarkt ähnliche Bedenken auslösen und die Fed zur Lockerung veranlassen. Damals wie heute ist das Finanzsystem jedenfalls sehr liquide, und das weckt die Gier der Investoren.

Was, wenn die KI-Blase bald platzt?

Ein weitere Erfahrung aus meinen dreißig Jahren als Investor ist, dass einen der Markt von Zeit zu Zeit Demut lehrt. Es ist absolut möglich, dass ich mit meiner Einschätzung von Umfang und Zeitpunkt der KI-Bubble völlig falsch liege. In meinen Portfolios investiere ich so, als befänden wir uns irgendwo im Jahr 1998 oder 1999, weil ich voll und ganz an den starken KI-Trends partizipieren will, durch die diese dynamischen, wachstumsorientierten Unternehmen wachsen und gedeihen. Aber ich positioniere mich auch defensiv, damit meine Portfolios ausgewogener sind.

Ich suche also Unternehmen, die zurzeit aus der Mode sein mögen, sich aber vergleichsweise gut entwickeln dürften, wenn die KI-Blase platzt. Aus meiner Sicht zählen Energieunternehmen und Kabelnetzbetreiber zu dieser Kategorie. Beide Sektoren sind so niedrig bewertet wie selten zuvor. Und beide enthalten Unternehmen mit ordentlichen Gewinnen, wertvollen langfristigen Vorteilen und der Chance auf positive Überraschungen.

Beispielsweise hat der Energiesektor zurzeit 2,8% Anteil am S&P 500 Index. Das ist nur wenig mehr als während des Tiefpunkts in der Pandemie, als die Ölpreise kurzzeitig unter null fielen. Nie zuvor seit Einführung des Index war sein Anteil so gering. Im Grunde genommen wurde dieser Bereich des Marktes aufgegeben, und das heißt für mich, dass hier der Pessimismus zu weit getrieben wurde.

Ähnlich ist die Lage von Kabelnetzbetreibern, die aufgrund der nachlassenden Beliebtheit von Kabelfernsehen seit Langem unbeliebt sind. Für Anleger, die bereit sind, den Sektor genau unter die Lupe zu nehmen, gibt es meiner Meinung nach jedoch einige übersehene Schätze: wachsende Unternehmen mit soliden Cashflows und sehr niedrigen KGVs. Anleger haben nicht oft die Gelegenheit, in wachsende Unternehmen mit einem KGV von 6 zu investieren.

Beispiele für dieses Investmentthema sind Energieunternehmen wie Halliburton und Cenovus Energy sowie Kabelnetzbetreiber wie Comcast und Charter Communications. Sollte es zu einer grundlegenden Verschiebung der Marktführerschaft kommen, kann ich mir vorstellen, dass sich der Energie- und der Kabelsektor wieder behaupten und ihre Bewertungen deutlich steigen.

Ich möchte keine Panik machen, aber so sichere ich meine Portfolios gegen KI-Risiken ab.

Bubble-Trouble voraus

Nichts von dem, was ich geschrieben habe, soll signalisieren, dass mich der schnelle Fortschritt in der KI und das enorme Veränderungspotenzial der Technologie nicht überzeugen. Ich bin kein KI-Skeptiker. Ich bin überzeugt, dass KI die Welt verändern wird – so, wie das Internet die Welt verändert hat. Ich bin auch überzeugt, dass es den Boden für neue innovative Unternehmen bereitet, die ihrerseits grundlegende Veränderungen bewirken – so wie das Internet den Weg für Amazon, Alphabet, Meta und Netflix bereitet hat.

Aber ich halte es auch für wichtig einzuschätzen, in welchem Abschnitt des langen Wegs der KI-Verbreitung und in welcher Phase der Begeisterung der Investoren wir uns befinden. Und uns bewusst zu sein, dass durchaus große Probleme auf uns zukommen können. Wenn wir uns auf eine Blase zubewegen, sollten wir unbedingt wissen, wie weit sie noch entfernt ist. Ich denke, es wird noch eine Weile dauern. Und wenn Sie sich die Technologieblase der 1990er-Jahre ansehen, kommen Sie vielleicht zum selben Schluss wie ich: Noch überschatten die Risiken einer Blase die spannenden Chancen dieser leistungsfähigen neuen Technologie nicht.

Die Ergebnisse der Vergangenheit sind kein Hinweis auf künftige Ergebnisse. Man kann nicht direkt in einen Index investieren. Indizes sind keine gemanagten Produkte. Der Wert und Ertrag von Anlagen können schwanken, sodass Anleger ihr investiertes Kapital ganz oder teilweise verlieren können. Diese Informationen sind weder Anlage-, Steuer- oder sonstige Beratung noch eine Aufforderung, irgendein Wertpapier zu kaufen oder zu verkaufen.

Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren persönliche Einschätzung am Tag der Veröffentlichung dieses Dokuments wieder. Sie entsprechen möglicherweise nicht der Meinung anderer Mitarbeiter von Capital Group oder deren Tochtergesellschaften. Alle Angaben beziehen sich auf den genannten Zeitpunkt (falls nicht anders angegeben). Einige Informationen stammen möglicherweise aus Drittquellen, und die Verlässlichkeit dieser Informationen kann nicht garantiert werden.

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