Schweizer Nationalbank im Dilemma

Aufwertung der Währung, Devisenverkehrskontrollen oder abwarten?

08.06.2012 | 14:58 Uhr

Schweiz: Vor wichtiger Entscheidung
Die Ängste vor einem Zusammenbruch der Europäischen Währungsunion treiben Fluchtkapital in die vermeintlich sicheren Häfen. So stiegen die Devisenreserven der Schweizer Nationalbank allein im Mai um mehr als 60 Mrd. CHF auf insgesamt 304 Mrd. CHF, was etwa 60 % des Schweizer BIP entspricht. Aufgrund der Wechselkursanbindung des Schweizer Franken an den Euro muss die Schweizer Nationalbank täglich am Devisenmarkt intervenieren, um eine Aufwertung des Schweizer Franken zu verhindern.

So kauft die Schweizer Nationalbank die ins Land fließenden Euros mit „frisch gedruckten“ Schweizer Franken auf. Die Devisenreserven in Euro werden von der Schweizer Nationalbank in deutsche und französische Staatsanleihen investiert. Die „frisch gedruckten“ Schweizer Franken werden normalerweise von den Investoren bei den Banken in der Schweiz angelegt. Somit schwimmt das Schweizer Bankensystem in Liquidität. Auch Abwehrkonditionen der Schweizer Banken wie negative Zinsen konnten das Fluchtkapital bisher nicht abhalten.

Normalerweise führt eine Liquiditätsschwemme im Bankensystem zu einer verstärkten Kreditvergabe und zu Wertpapierkäufen der Banken. Ein erster Effekt der Liquiditätsschwemme könnte die erheblich gestiegene Dynamik bei den Immobilienpreisen seit Sommer vergangenen Jahres sein. Mittelfristig könnte die Liquiditätsschwemme somit die Stabilität des Schweizer Finanzmarktes gefährden.

Die Schweizer Nationalbank könnte versuchen, den Abwertungsdruck durch eine Aufwertung des Schweizer Franken von beispielsweise 1,2 EUR/CHF auf 1,1 EUR/CHF zu mildern. Eine Aufwertung von etwa 10 % würde jedoch Abschreibungen auf die Devisenreserven von 30 Mrd. CHF (ca. 6 % des BIP) verursachen und erhebliche politische Konsequenzen haben, zumal das Eigenkapital der Schweizer Nationalbank nur 52 Mrd. CHF beträgt. Eine Aufwertung würde darüber hinaus die Exportindustrie belasten.

Eine andere Möglichkeit wäre die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen; derzeit beschäftigt sich eine Regierungskommission mit diesem Thema. Umfangreiche Kapitalverkehrskontrollen könnten sich jedoch als kontraproduktiv erweisen: Sie könnten eine Panik in Europa auslösen, wenn Anleger nach dem Präzedenzfall Schweiz auch in anderen Ländern die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen befürchten würden.

Die Schweiz ist daher in einem gewissen Dilemma – mit großen Risiken für die Vermögens- und Konsumentenpreise. Vor diesem Hintergrund erwarten wir keine maßgeblichen Änderungen bei der Wechselkurspolitik der Schweizer Nationalbank (Donnerstag).

Neben der Schweiz wird auch Deutschland von vielen Anlegern als sicherer Hafen gesehen. So sind bis Mai dieses Jahres knapp 700 Mrd. EUR (ca. 30 % des BIP) an Fluchtkapital über das Target-2-Zahlungssystem nach Deutschland geflossen. Deutschland hat im Gegensatz zur Schweiz nicht die Option, die Währung aufzuwerten oder Kapitalverkehrskontrollen einzuführen.

USA: Stabile Konjunkturentwicklung
In den USA ist die Wirtschaftsentwicklung einigermaßen stabil. So erwarten wir moderate Zuwächse bei den Einzelhandelsumsätzen ohne Benzin (Mittwoch) und bei der Industrieproduktion (Freitag). Auch der Empire State Index (Freitag) dürfte im Juni in der Tendenz stabil geblieben sein. Diese Entwicklung wird jedoch zum Teil mit fragwürdigen Mitteln erkauft: Derzeit sind knapp 20 % des persönlichen Einkommens der privaten Haushalte Transferleistungen des Staates – in der Vergangenheit war ein Wert von ca. 12 % normal. Und dass die Konsumentenkredite mit 5 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind, beruht nur auf der dynamischen Vergabe von Studentenkrediten. Dies wiederum wird ausschließlich von staatlichen Institutionen finanziert, die im April mit 500 Mrd. USD schon nahezu die Hälfte aller ausstehenden Studentenkredite hielten.
 
Aufgrund der deutlich gesunkenen Rohstoffpreise erwarten wir einen Rückgang der Steigerungsrate bei den Erzeugerpreisen (Mittwoch) von 1,9 % im April auf nur noch 1,4 % im Mai. Auch die Rate der Konsumentenpreissteigerungen (Donnerstag) dürfte vor diesem Hintergrund von 2,3 % im April auf 1,9 % im Mai gefallen sein.

Spanien: Antrag auf Unterstützung?
Spanien wird Gerüchten zufolge dieses Wochenende einen Antrag auf Unterstützung für die heimischen Banken beim europäischen Rettungsschirm stellen. Dieser Schritt war schon längst überfällig und ist daher nicht überraschend.

Der Marktausblick im pdf-Dokument.

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