Raus aus der ETF-Falle: Welche Möglichkeiten die neue Anlageklasse ELTIF bietet
| Titel der Publikation: | Raus aus der ETF-Falle: Welche Möglichkeiten die neue Anlageklasse ELTIF Asset Managern bietet |
| Veröffentlichung: | 08/2025 |
| Autor: | Kevin Naumann |
| Auftraggeber: | TiAM FundResearch |
ETFs boomen, aktive Fonds verlieren Marktanteile. Wie können Asset Manager diesem Trend entgegenwirken und klassische Anlagefonds wieder attraktiver machen? Kevin Naumann, Partner im Bereich Financial Services bei KPMG, sieht große Chancen in der neuen Anlageklasse ELTIF.
03.09.2025 | 14:00 Uhr
„The trend is your friend“, heißt es so treffend. Doch was tun, wenn sich der Trend gegen einen wendet? Digitalisierung, Mobilität und Vernetzung haben die Geschäftswelt in den letzten Jahren auf den Kopf gestellt. Der Einzelhandel leidet unter der Konkurrenz von Web-Portalen und Lieferdiensten, wir bestellen sogar unser Essen online und die Eröffnung eines Übersetzungsbüros oder die Herausgabe eines Falt-Stadtplans wäre im KI-Zeitalter wohl kein vielversprechendes Geschäftsmodell.
Online-Konkurrenz für Asset Manager
Mit einem ähnlichen Phänomen haben es Asset Manager und Fondsgesellschaften zu tun: Rund 9,5 Millionen ETF-Sparer in Deutschland haben in der Regel per Smartphone Zugriff auf ihre Geldanlage, traden Anteile in Echtzeit und vor allem zu deutlich geringeren Gebühren. Der springende Punkt sind dabei die Unterschiede zwischen Brutto- und Nettorendite.
Im Langzeitvergleich schneiden ETFs nur minimal schlechter ab als klassische Aktienfonds: 10 Prozent vs. 10,4 Prozent Rendite nach sieben Jahren im Durchschnitt. Die jährlichen Gebühren von ETFs (0,1 bis 0,5 Prozent p. a.) aber sind meist deutlich niedriger als bei Fonds (1,2 bis 2,0 Prozent p. a.). Und das wirkt sich deutlich auf die Renditen aus: 2,3 Prozentpunkte nach Gebühren sind ETFs gegenüber klassischen Anlageprodukten im Vorteil.
Ein weiterer Faktor: Durchschnittlich gelingt es nur einem bis zwei Prozent der aktiven Fondsmanager, ihren Index nach Kosten über fünf Jahre hinweg zu schlagen. Und das, obwohl aktiv gemanagte Fonds das ureigene Ziel haben, durch individuelle Anteilsgewichtung und mögliche Reallokationen besser zu performen als der jeweilige Vergleichsindex. Während ETF-Anbieter sich damit begnügen, den entsprechenden Index nachzubilden.
Zwar könnten Fondsgesellschaften ihre Gebühren zugunsten der Rendite senken. Doch einerseits hat die Branche dafür kaum noch Spielraum, andererseits könnte sie dennoch nicht mit dem Preisniveau von ETFs konkurrieren. Die zweite Variante bestünde darin, die Performance klassischer Aktienfonds signifikant zu verbessern. Doch das ist leichter gesagt als getan. Börsengeschäfte sind ihrer Natur gemäß spekulativ. Für mehr Rendite müssen Anleger größere Risiken eingehen. Im Einzelfall ist das natürlich möglich. Höhere Renditen führen im Durchschnitt aber auch zu größeren Verlusten, sodass der Effekt auf viele Anleger betrachtet verpufft. Somit würde diese Maßnahme die Nachfrage nach klassischen gemanagten Anlageprodukten vermutlich nicht ausreichend steigern. Zumindest dann nicht, wenn Asset Manager an ihrem angestammten Portfolio festhalten.
ELTIF: Bessere Renditen bei gleicher Sicherheit
Genau dieses Portfolio können sie aber nun durch eine neue Anlageklasse erweitern: mit European Long Term Investment Funds (ELTIFs), die herkömmliche Aktienfonds mit sogenannten Illiquiden Assets kombinieren. Zum ersten Mal besteht die Möglichkeit, einen Aktienfonds um Infrastruktur- und Immobilienanteile sowie Private Equity und Private Debt zu erweitern. Diese waren gesetzlich bisher institutionellen Anlegern vorbehalten. Durch die EU-Verordnung ELTIF 2.0 aus dem vergangenen Jahr haben Privatanleger nun ab einem Investitionsvolumen von 10.000 Euro die Möglichkeit zu einem „Mischkonsum“ von Illiquiden Assets und klassischen Aktien in einem Fonds.
Diese Illiquiden Assets versprechen auf Dauer höhere Renditen, auch als ETFs: Fünf bis zwölf Prozent p. a. sind realistisch. Bei gleichbleibender Sicherheit, allerdings erst nach einer Anlaufzeit von einigen Jahren. Klar: Bis ein Infrastrukturprojekt wie ein emissionsfreies Kraftwerk oder eine Immobilie realisiert ist, dauert es einige Zeit. Das hat noch einen weiteren Vorteil: Langfristig ist die Energiewende alternativlos. Die Ressourcen des Planeten sind endlich, unsere Abhängigkeit von importierten Rohstoffen groß – und der Klimawandel kommt die Wirtschaft auf Dauer teurer zu stehen als das Festhalten an fossilen Brennstoffen. Gleichzeitig werden Grüne Technologien immer günstiger.
Schon heute kann die Beimischung Illiquider Anteile in ELTIFs die Rendite von Fonds von knapp 3 Prozent p. a. deutlich verbessern. Erhält die Wirtschaft, etwa durch wachsende Investitionen in ELTIFs, das Kapital, das sie für ihre Dekarbonisierung benötigt, kann sie diesen Prozess beschleunigen. Das wiederum führt schneller zu besseren Renditen. Als Retailprodukt sind ELTIFs zudem stark reguliert, sehr sicher und daher eine vielversprechende Alternative für Privatanleger – und Asset Manager.
Expertise als Alleinstellungsmerkmal
Allerdings gibt es zwei Hürden, die einem Boom Illiquider Assets heute noch im Wege stehen. Einerseits sind Erfolgsfaktoren bei Infrastrukturprojekten anders als bei Aktienfonds viel komplexer: Liegen alle Behördengenehmigungen für den Windpark vor? Ist die notwendige Netzinfrastruktur vorhanden? Ist die geschätzte Bauzeit realistisch? Wie sieht es mit möglichen Klagen aus, etwa von Naturschutzverbänden? Und steht der Solarpark überhaupt an der richtigen Stelle? Andererseits müssen Asset Manager das Produkt ELTIF auch so gut verstehen, dass sie es Anlegern schmackhaft machen können. Ausschlaggebend für den Erfolg der neuen Anlageklasse wird die Expertise der Asset Manager sein.
Die klassischen Aktienfonds stehen möglicherweise vor einem Wendepunkt. Ihre stärkste Phase haben sie vermutlich überschritten. Fondsgesellschaften können ihr Portfolio modifizieren und auf individuell designte ETFs umsteigen. Anders als heute gängige ETFs verspricht diese Anlageklasse, den Vorbildindex zu übertreffen, was höhere Gebühren rechtfertigen würde. Wollen Fondsgesellschaften an ihrem bisherigen Geschäftsmodell festhalten, sollten sie Anleger mit Vertrauen, Transparenz, persönlichem Kontakt, Qualität und Sicherheit überzeugen. Das gelingt ihnen besonders in Zeiten globaler Krisen und wirtschaftlicher Unsicherheit durch Risikodiversifikation und aktives Management. Andererseits steht ihnen mit ELTIFs ein neues Produkt zur Verfügung, das sie in die Lage versetzt, durch besonderes Fachwissen wieder ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den boomenden ETFs zu entwickeln.