ODDO BHF Marktansichten: „China weiterhin mit Potenzial?“ 05.Juli.2021
Nach einem hervorragenden Jahresauftakt, getragen von der Erwartung einer Normalisierung des globalen Wachstums, haben sich chinesische Aktien (Shanghai Shenzhen CSI 300) ab März unterdurchschnittlich entwickelt.12.07.2021 | 12:30 Uhr
Im Folgenden werden wir die Gründe hierfür
untersuchen und die Frage beantworten, ob es jetzt an
der Zeit ist, sich neu zu positionieren und Aktien zu
kaufen.
Was sind Gründe für diese relative die Underperformance?
1. Verschärfte Kreditbedingungen wirken de facto als Wachstumsbremse
Sicherlich hat China von der kräftigen Erholung der
Weltwirtschaft voll profitiert und verzeichnete Ende 2020
sogar ein höheres Wachstum als vor der Krise (6,5% ggü.
6%). Um einer Überhitzung entgegen zu wirken, liegt der
Fokus der politischen Entscheidungsträger nun darauf,
die finanziellen Risiken und das moralische Risiko („moral
hazard“) zu begrenzen. Die staatliche Unterstützung für
Emittenten wurde daher zurückgefahren und die Banken
angewiesen, die Kreditvergabe einzuschränken. Durch
diese Maßnahmen fiel das Kreditwachstum zwar wieder
auf Vorkrisenniveau, sie wirken aber bremsend auf die
wirtschaftliche Aktivität.
2. Die Aufwertung der Währung
Die starke Entwicklung der chinesischen Währung (RMB oder Renminbi) ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaft wie oben beschrieben an Fahrt verliert. Die Stärke des RMB kann auf drei Hauptfaktoren zurückgeführt werden. Erstens: Obwohl sich das Kreditwachstum in China verlangsamt, deuten die Daten nicht darauf hin, dass die Wirtschaft einbricht. Die
Einkaufsmanagerindizes befinden sich im expansiven Bereich. Überdies kurbelt die globale Erholung die Nachfrage nach chinesischen Waren an, und Chinas hoher Leistungsbilanzüberschuss ist ein stärkender Faktor für den RMB. Und drittens engen sich die realen Kreditspreads zwischen China und den USA für kurzfristige Laufzeiten zwar ein, die chinesischen Realzinsen bleiben jedoch relativ hoch, insbesondere bei längeren Laufzeiten. Diese Dynamik sorgt für aus- ländische Kapitalströme in die chinesischen Anleihe- märkte. Da diese Faktoren voraussichtlich weiter Bestand haben, nehmen es die chinesischen Behörden selbst in die Hand und passen den RMB/USD-Wechselkurs an, indem sie US-Treasuries in USD kaufen. Damit sollte sich die Aufwertung des RMB und dementsprechend auch die negativen Auswirkungen auf die Exporte in den kommenden Monaten in Grenzen halten.
3. Präferenz für Wachstums- und Technologiewerte erhält Gegenwind durch Technologiekrieg zwischen den USA und China
Die schärfere Regulierung der Internetwirtschaft hat
angesichts des doch gewichtigen Anteils von
Internetwerten an den Offshore-Indizes (über 40 % des
MSCI China) erhebliche Auswirkungen. Seit Oktober
letzten Jahres wirkt die regulatorische Verschärfung von
mehreren Seiten. Da wäre etwa die systematische
Prüfung von Fintech-Unternehmen (strengere Kapitalan-
forderungen) oder auch die Debatte rund um das Thema
Wettbewerb, die sich konkret in Untersuchungen und
Bußgeldern für Unternehmen mit einer marktbe-
herrschenden Stellung niederschlägt (z. B. 2,8 Milliarden
US-Dollar im Falle von Alibaba).
In der Folge haben die Indizes HS Tech und CSI Internet gegenüber ihren Höchstständen von Mitte Februar 27 % bzw. 34 % eingebüßt. Sie haben sich damit nicht nur schwächer entwickelt als der breitere chinesische Markt, sondern auch als der US- Technologiesektor. Unterdessen sind die 2-Jahres- Gewinnprognosen mit durchschnittlich +30% stabil geblieben, wodurch sich die Bewertung des Sektors verbessern konnte. Die geschätzten KGVs sind um 10 Punkte auf 32x für das kommende Jahr und auf 25x für das darauffolgende Jahr gesunken – ein für Wachstumswerte im Technologiesektor angemessenes Niveau.
In letzter Zeit waren Signale für eine Bereitschaft zur
Entspannung erkennbar. Die US-Handelsbeauftragte
Katherine Tai hat angedeutet, sich „in naher Zukunft“ mit
ihrem chinesischen Amtskollegen treffen zu wollen. Auch
die bevorstehende Ernennung des Leiters des Bureau of
Industry and Security im Handelsministerium – der für
die Durchsetzung des Außenhandelsgesetzes
zuständigen Behörde – ist ein Zeichen für Chinas
Dialogbereitschaft.
Fazit: Kaufen oder auf Abstand bleiben?
Ohne Zweifel haben die strengere Internetregulierung,
der Schuldenabbau und die Kreditklemme chinesischen
Aktien zuletzt zugesetzt. Zwar ist die Eindämmung der
Kreditvergabe noch nicht abgeschlossen. Der aktuelle
Schuldenabbauzyklus unterscheidet sich jedoch von
anderen Post-Krisen-Phasen. Daher waren die
Auswirkungen auf Aktien vergleichsweise gering. Beim
regulatorischen Risiko bietet sich ein ausgewogeneres
und auch transparenteres Bild.
Die vollständige ODDO BHF Marktansicht finden Sie hier als PDF.
Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.