Metzler AM: Hohe Unternehmensschulden in den USA sind noch kein Risiko

Die Unternehmensverschuldung in den USA liegt auf einem historischen Hoch. Die meisten Emittenten gibt es im B-Rating-Segment, und das sind überwiegend kleine und mittlere Unternehmen.

08.11.2019 | 14:45 Uhr

Ein Zins- und/oder Konjunkturschock würde bei diesen Unternehmen eine große Konkurswelle auslösen und die US-Wirtschaft entsprechend hart treffen, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management. Die Risiken seien derzeit aber eher gering.

Hohe Unternehmensschulden in den USA sind noch kein Risiko

Im ersten Halbjahr 2019 erreichte die Verschuldung der Nicht-Finanzunternehmen in den USA mit über 95 % der Bruttowertschöpfung ein neues historisches Hoch. In der Vergangenheit ging eine steigende Verschuldung oft auch mit steigenden Kreditausfällen einher – vor allem in Leitzinserhöhungsphasen. Zwischen Mitte 2014 und Anfang 2016 kam es tatsächlich zu höheren Kreditausfällen, die jedoch vor allem eine Folge des starken Ölpreisrückgangs und den damit verbundenen Konkursen von Ölunternehmen in den USA waren.

USA: Unternehmensverschuldung auf Rekordständen Verschuldung* von Nichtfinanz-Unternehmen in % der BWS und Kreditausfallrate** in %

* Bankkredite und ausstehende Unternehmensanleihen in % der Bruttowertschöpfung
**        BofA Merrill Lynch
Quellen: Thomson Reuters Datastream, BofA Merill Lynch, Metzler; Stand: 31. Oktober 2019)

Wenngleich auch in den Jahren 2017 und 2018 die US-Notenbank den Leitzins in mehreren Schritten erhöhte, sank die Kreditausfallrate in diesem Zeitraum. Somit besteht eine ungewöhnlich große Lücke zwischen Unternehmensverschuldung und Kreditausfällen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Leitzinserhöhungen der US-Notenbank keinen nennenswerten Einfluss auf den High-Yield-Markt hatten.

USA: Trotz Leitzinserhöhungen keine erkennbare Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für US-High-Yield-Unternehmen in %

Quelle: Thomson Reuters Datastream, BofA Merrill Lynch; Stand: 31. Oktober 2019

So lag im Jahr 2010 die durchschnittliche Rendite von High-Yield-Anleihen mit einem Rating von B bei 8,4 %, im bisherigen Jahresverlauf jedoch nur bei etwa 7,0 %. Im Trend war somit seit 2010 ein Rückgang der Rendite zu beobachten. Vielleicht hoffte die US-Notenbank, mithilfe der Leitzinserhöhungen die US-Wirtschaft von sogenannten Zombie-Unternehmen zu befreien und die Verschuldung einzudämmen; tatsächlich scheint sich diese Hoffnung aber nicht erfüllt zu haben. Die Vermutung liegt nahe, dass ausländische Investoren auf der Suche nach Rendite den restriktiven Impuls der US-Leitzinserhöhungen mit ihrer Nachfrage nach Anleihen mit einer hohen Rendite mehr als kompensiert haben, zumal die Steuerreform 2018 die Unternehmen merklich entlastete und die Konjunktur stimulierte.

Ein Blick auf den Unternehmensanleihemarkt in den USA zeigt, dass sich nunmehr die meisten Emittenten im Segment mit einem Rating von B befinden. Überwiegend sind dies jedoch kleinere und mittlere Unternehmen mit einem ausstehenden Anleihevolumen von etwa 1,2 Billionen USD. Im Segment mit einem Rating von BBB tummeln sich eher Großunternehmen mit einem Volumen an ausstehenden Anleihen von etwa 3,8 Billionen USD. 

Verteilung der Unternehmensratings in den USA Anzahl der Emittenten pro Rating-Kategorie

Quelle: S&P Global Fixed Income Research and S&P Global Market Intelligence's CreditPro; Standard & Poor's Financial Services LLC; Stand: 2019

Die US-Wirtschaft wäre somit nicht sehr widerstandsfähig, wenn ein Zins- und/oder Konjunkturschock auftreten würde, da in diesem Fall eine große Konkurswelle bei vielen hoch verschuldeten kleineren und mittleren Unternehmen drohen würde. Jetzt wären eigentlich die Aufsichtsbehörden gefragt, mithilfe von makroprudenziellen Maßnahmen die anfälligen Unternehmen zu einem Schuldenabbau zu zwingen.  

Die in der kommenden Woche veröffentlichten Konjunkturdaten wie der Geschäftsklimaindex NFIB der kleineren und mittleren Unternehmen (Dienstag), die Einzelhandelsumsätze (Freitag) sowie die Industrieproduktion (Freitag) dürften zeigen, dass die Risiken eines kurz bevorstehenden konjunkturellen Schocks derzeit eher gering sind und dass die US-Wirtschaft in etwa im Einklang mit ihrem Potenzialwachstum von 1,5 % wächst. Die Leitzinssenkungen der US-Notenbank und die derzeit nachlassenden politischen Risiken könnten im kommenden Jahr sogar eine moderate Wachstumsbelebung ermöglichen. Darüber hinaus ist derzeit auch kein Inflationsdruck (Mittwoch) erkennbar, der einen Zinsschock auslösen könnte. Sollte sich jedoch im Jahresverlauf 2020 die Konjunktur erholen, die Arbeitslosenquote sinken und sich das Lohnwachstum beschleunigen, könnten Leitzinserhöhungen der US-Notenbank wieder notwendig werden.

Eurozone: Aufhellung der Konjunkturperspektiven

In dieser Woche machte der sentix-Konjunkturindex einen Sprung nach oben – wahrscheinlich wegen den nachlassenden Risiken eines harten Brexits und der Deeskalation im globalen Handelskrieg. Im Einklang damit dürfte der ZEW-Index (Dienstag) auch mit einer deutlichen Verbesserung im November glänzen.

In der Eurozone sinkt interessanterweise die Verschuldung von Nicht-Finanzunternehmen im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung schon seit 2009. Gleichzeitig liegt die Kreditausfallrate von High-Yield-Anleihen bei nahe 0 %. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass der High-Yield-Markt in der Eurozone lange Zeit unterentwickelt war und immer noch nicht mit dem US-High-Yield-Markt vergleichbar ist. Die extrem niedrige Kreditausfallrate ist natürlich auch eine Folge der lockeren Geldpolitik der EZB. So liegt derzeit der durchschnittliche Zinssatz für High-Yield unter 4 % und damit nahe historischen Tiefständen.  

Eurozone: Unternehmensverschuldung im Seitwärtstrend Verschuldung* von Nichtfinanz-Unternehmen in % der BWS und Kreditausfallrate** in %

*        Bankkredite und ausstehende Unternehmensanleihen in % der Bruttowertschöpfung
**        BofA Merrill Lynch
Quellen: Thomson Reuters Datastream, BofA Merill Lynch, Metzler;
Stand 31. Oktober 2019


Eurozone: Rendite von High-Yield-Anleihen nahe historischen Tiefständen
in %

Quelle: Thomson Reuters Datastream, BofA Merrill Lynch; Stand: 31. Oktober 2019

Asien: Gute Konjunkturdaten

In Japan dürfte das BIP (Donnerstag) im dritten Quartal um 0,2 % zum Vorquartal gestiegen sein. Maßgeblich für das positive Wachstum dürfte die Mehrwertsteuererhöhung im Oktober gewesen sein, da viele Konsumenten größere Anschaffungen vorgezogen haben dürften.

Darüber hinaus scheint sich eine moderate Belebung der chinesischen Konjunktur abzuzeichnen; Entsprechendes erwarten wir von der Industrieproduktion (Donnerstag) und den Einzelhandelsumsätzen (Donnerstag). Auch ist die Inflation (Samstag) derzeit keine relevante makroökonomische Größe.


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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