Franklin Templeton: China zurück auf dem Radar
Ein aktueller Marktkommentar von Marcus Weyerer, Director of ETF Investment Strategy EMEA bei Franklin Templeton.07.10.2025 | 09:41 Uhr
China zurück auf dem Radar
Die globalen Märkte waren im September von erhöhter Volatilität geprägt. Gleichzeitig zeigt die chinesische Wirtschaft positive Anzeichen: Das BIP-Wachstum wurde nach oben revidiert und eine vorübergehende Zollpause signalisiert Entspannung. Vor diesem Hintergrund richtet sich der Blick vieler Anleger wieder verstärkt nach Osten.
Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für China auf 4,8 % nach oben korrigiert – die deutlichste Aufwärtskorrektur unter allen beobachteten Ländern. Zwar sind die Schätzungen des IWF nicht immer verlässlich, doch sie spiegeln die Stimmung wider. Und genau diese Stimmung hat sich in den vergangenen Monaten spürbar aufgehellt. China zählt in diesem Jahr zu den Ländern mit der besten Performance unter den Schwellenländern, und die verbesserte Wahrnehmung trägt dazu bei, dass die Märkte das Land stärker in den Fokus nehmen.
Auch geopolitisch setzt China Signale. Bilder der Militärparade im Anschluss an das Treffen der Shanghai Cooperation Organization verdeutlichten, dass neben den USA weitere Machtakteure wie China und Indien stärker ins Zentrum rücken. Eine engere Annäherung zwischen diesen beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt hätte erhebliche Auswirkungen auf die globale Politikgestaltung und wird daher von den Märkten genau verfolgt. Gleichzeitig lohnt es sich, die Exportrisiken nüchtern einzuordnen: Nur rund 2 % des chinesischen BIP stammen direkt aus Exporten in die USA, insgesamt liegt die Exportquote bei etwa 20 % und damit deutlich niedriger als in vielen anderen Schwellenländern. Damit wird klar, dass die Bedeutung von Zöllen und Handelskonflikten für die chinesische Gesamtwirtschaft häufig überschätzt wird.
Stärke bei Elektrofahrzeugen und Robotik
Auf fundamentaler Ebene hat sich die Stimmung ebenfalls aufgehellt. Die Rallye zu Jahresbeginn wurde nicht nur von technologischen Impulsen wie der KI-Entwicklung DeepSeek getragen, sondern auch durch extrem niedrige Bewertungen befeuert, die einen geopolitischen Abschlag widerspiegelten. Inzwischen haben sich die Bewertungen normalisiert – China ist nicht mehr „spottbillig“, aber weiterhin angemessen bepreist. Mit dem verbesserten Sentiment sehen viele Investoren nach wie vor Aufwärtsspielraum.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der strukturelle Wandel der Wirtschaft. China befindet sich im Übergang von einer investitions- und exportgetriebenen Volkswirtschaft hin zu einer Konsumnation. Zwar ist das Konsumentenvertrauen noch schwach, doch es hat sich stabilisiert, und einzelne Segmente wie Elektronik und Retail wachsen dynamisch. Unterstützt wurde dieser Trend durch staatliche Maßnahmen wie Zinssenkungen und Konsumgutscheine. Gleichzeitig führt der jüngste Kursanstieg an den Aktienmärkten zu einem positiven Wohlstandseffekt, der die Ausgabenbereitschaft zusätzlich stärkt.
China überzeugt zudem durch seine Stärken in den Bereichen Elektrofahrzeuge und Robotik, die nicht nur für den Export, sondern auch zur Stärkung der eigenen Produktivität eine zentrale Rolle spielen. Symbolisch wirkte die jüngste Dekotierung von Evergrande, vier Jahre nach Beginn der Krise: Trotz weiterhin bestehender Probleme im Immobiliensektor hat dieser inzwischen viel von seinem systemischen Risiko verloren und gilt nun eher als sektorspezifisches Thema.
Ein wesentlicher Aspekt bei Investitionen in China ist die Struktur des Aktienmarktes. Mit A-Aktien (Shanghai und Shenzhen, in RMB gehandelt) und H-Aktien (Hongkong, in HKD gehandelt) existieren verschiedene Marktsegmente. Während H-Aktien für internationale Anleger traditionell leichter zugänglich sind, eröffnete die Einführung von „Stock Connect“ 2014 neue Möglichkeiten, auch in A-Aktien zu investieren. Offshore-Notierungen korrelieren stärker mit internationalen Indizes, während A-Aktien stärker vom heimischen Markt getrieben werden und Diversifizierungspotenzial bieten.
Alibaba, Tencent, Chery und BYD profitieren
Technologische Innovationen sind derzeit die treibende Kraft. Besonders Unternehmen wie Alibaba und Tencent, die hohe Investitionen in KI und Cloud-Dienste tätigen, haben stark zugelegt. Auch Baidu setzt auf eigene Chip-Entwicklungen, um Abhängigkeiten von Nvidia zu verringern. Darüber hinaus tragen Sektoren wie zyklischer Konsum, Telekommunikation, Gesundheitswesen und Finanzen zur positiven Marktbreite bei. Der Smartphone-Hersteller Chery, Telekom-Ausrüster sowie Unternehmen aus dem Bereich Glasfaser- und Rechenzentrumsinfrastruktur zählen zu den Gewinnern. Zudem profitierten Bergbauwerte vom Anstieg des Goldpreises, während BYD mit Rekordverkäufen im Elektrofahrzeugsektor überzeugt.
Diese Dynamik spiegelt sich auch in den Kapitalflüssen wider: Chinesische Aktien-ETFs in Europa verzeichneten seit Jahresbeginn Zuflüsse von knapp 4 Milliarden US-Dollar – deutlich mehr als im gesamten Vorjahr. Anleger suchen gezielt nach diversifizierten Engagements außerhalb der USA, nicht zuletzt, um an der KI-Revolution zu partizipieren. Mit Wachstumsraten von 5 bis 6 % sticht China klar gegenüber den Industrieländern hervor.
Gleichwohl bleibt China ein Markt mit Besonderheiten. Corporate Governance und politische Eingriffe stellen weiterhin Herausforderungen dar. Zwar zeigt die Regierung zuletzt Zurückhaltung, und punktuelle Verbesserungen in der Unternehmensführung sind erkennbar, doch das Niveau bleibt hinter westlichen Standards zurück. Für Anleger bedeutet dies: Ein Bewertungsabschlag ist gerechtfertigt, aber ein vollständiger Verzicht auf China-Investments birgt ebenfalls Risiken – insbesondere angesichts der Größe und Bedeutung des Landes.
Diverser Ansatz bleibt entscheidend
Für Investoren bleibt daher ein breit angelegter Ansatz entscheidend. Ein ETF, der alle Segmente des chinesischen Marktes abdeckt – A- und H-Aktien, sowie in Hongkong, Singapur oder den USA gelistete Titel – bietet Zugang zu mehr als 1.200 Unternehmen und schafft eine effiziente Diversifizierung. Mit einer wachsenden Mittelschicht, führenden Technologiekonzernen und global bedeutenden Unternehmen bietet China einzigartige Wachstumschancen und kann gleichzeitig die Stabilität internationaler Portfolios erhöhen.