EZB will für bessere ESG-Daten sorgen

Finanzinstitute bewerten die Klimarisiken in ihren Kredit- und Anleihen-Portfolios nur unzureichend oder gar nicht. Ein Hauptgrund dafür ist die mangelhafte Datenlage. Die EZB will mit der Veröffentlichung neuer statistischer Indikatoren für mehr Transparenz sorgen.

10.02.2023 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Es ist noch keine 15 Jahre her, da waren sogenannte grüne Anleihen noch Nischenprodukte. Mittlerweile sind sie als Instrumente zur Finanzierung nachhaltiger Projekte aus den Portfolios der Banken nicht mehr wegzudenken. Dem Emissionsboom hätte eigentlich auch eine Aufrüstung des Risikomanagements folgen müssen. Denn die fortschreitende Regulierung der Finanzbranche fordert die angemessene Bewertung von Klimarisiken in den Kredit- und Anleiheportfolios ein. Banken und Fonds sind also angehalten, zu dokumentieren, welche Auswirkungen Klimawandel, -ereignisse oder gar -katastrophen auf ihre Portfolios haben können. Die Risiken sind zum Teil erheblich. Um nur ein Beispiel für ein sensibles Segment zu nennen: Im Euroraum werden die meisten der über Anteilsrechte oder Anleihen finanzierten CO2-Emissionen von Investmentfonds gehalten. Mit einer Einschränkung: Die Geschäftstätigkeiten von energieintensiven Unternehmen, die einen überdurchschnittlich hohen CO2-Ausstoß haben, finanziert der Bankensektor über klassische Kredite.

Diese eigentlich nötige Berücksichtigung von Klimarisiken in den Portfolios hat jedoch noch nicht in ausreichendem Maße stattgefunden. Eine Ende 2022 veröffentlichte Studie der Aufsichtsbehörde Bafin und der Deutschen Bundesbank zeigt, dass insbesondere kleine und mittelgroße Finanzinstitute in ihren Risikoanalysen den Klimarisiken kaum Beachtung schenken. Verbesserungspotenzial gibt es laut BaFin auch in den Bereichen Unternehmensführung und Risikoappetit, Risikomanagementrahmen sowie Kreditrisiko.

Keine Schelte, sondern Hilfe

Die Europäische Zentralbank EZB hat die Situation im Blick, kennt jedoch auch die grundsätzlichen Probleme, denen sich die Finanzindustrie gegenübersieht. Wichtigster Punkt ist die mangelnde Datenqualität. „Wir müssen besser verstehen, wie sich der Klimawandel auf den Finanzsektor und umgekehrt auswirken wird. Hierzu ist die Entwicklung qualitativ hochwertiger Daten unabdingbar“, so Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der EZB. Die Notenbank hat deshalb klimabezogene statistische Indikatoren entwickelt und nun veröffentlicht. Mit diesen Indikatoren soll die Finanzbranche die Auswirkungen von Klimarisiken nicht nur besser einschätzen, sondern auch die Entwicklung nachhaltiger Finanzierungsformen beobachten können. Die Indikatoren sind laut Schnabel ein erster Schritt „zur Verringerung der Klimadatenlücke, was von entscheidender Bedeutung ist, um Fortschritte auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu erzielen“. Doch auch diese Indikatoren seien nicht final, sondern sollen „eine breitere Diskussion in den Bereichen Statistik und Forschung sowie mit anderen wichtigen Akteuren zu der Frage anzustoßen, wie sich Daten zu klimabezogenen Risiken und zur Transition zu einer klimafreundlichen Wirtschaft besser erfassen lassen“, so Schnabel. Gemeinsam mit den nationalen Notenbanken will die EZB die Methodik sowie die verwendeten Daten weiter verbessern.

Indikatoren für drei ESG-Segmente

Als zentrale Datenquellen sieht die EZB die klimabezogene Offenlegung und Berichterstattung, die vorhandenen Daten des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und sonstige öffentlich zugängliche Daten. Die drei Indikatoren sollen leicht zugänglich und replizierbar sein. Konkret decken sie folgende Segmente ab:

Experimentelle Indikatoren zur nachhaltigen Finanzierung geben einen Überblick über Schuldtitel, die vom Emittenten als „grün“, „sozial“, „nachhaltig“ oder „nachhaltigkeitsgebunden“ bezeichnet werden und im Euroraum begeben oder gehalten werden.

Analytische Indikatoren zu den von Finanzinstituten finanzierten Kohlenstoffemissionen geben Aufschluss über die Kohlenstoffintensität der Wertpapier- und Kreditportfolios von Finanzinstituten sowie über das Engagement des Finanzsektors gegenüber Geschäftspartnern mit kohlenstoffintensiven Geschäftsmodellen.

Analytische Indikatoren zu klimabezogenen physischen Risiken analysieren die Auswirkungen von Naturgefahren wie Überschwemmungen, Waldbränden oder Stürmen auf die Wertentwicklung von Krediten, Anleihen und Aktienportfolios.

Die Entwicklung und Veröffentlichung der Indikatoren ist ein wesentlicher Schritt, um den theoretischen Anspruch, die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr ökologischer Rücksicht tatsächlich auch nachhaltig zu finanzieren. Er folgt logisch auf die bereits vorangegangenen Schritte: Im Juli 2022 hat die EZB einen detaillierten Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrem geldpolitischen Handlungsrahmen veröffentlicht. Im Oktober 2022 hat sie begonnen, ihre Bestände an Unternehmensanleihen zugunsten von Emittenten mit einer besseren Klimabilanz auszurichten. Nun sieht sich das Institut in der Pflicht, ihre klimabezogenen Indikatoren zu veröffentlichen, um der Finanzindustrie dieselbe Datengrundlage zugänglich zu machen.

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