Edmond de Rothschild: Politischer Wandel in Venezuela bald möglich

Am Sonntag werden die venezolanischen Bürger für eine sehr umstrittene Präsidentschaftswahl an die Urnen gerufen. Hier finden Sie dazu einen Kommentar von Jean-Jacques Durand, Schwellenländerexperte bei Edmond de Rothschild Asset Management und Manager des Edmond de Rothschild Fund Emerging Bonds.

18.05.2018 | 16:12 Uhr

Aufgrund der aktuellen politischen Lage wird die internationale Gemeinschaft die anstehende Präsidentschaftswahl in Venezuela nicht anerkennen. In der Tat wurde den Kandidaten der führenden Oppositionspartei verboten, die Wahl anzutreten, wodurch das Wahlsystem zugunsten der Machthaber deutlich verzerrt ist. Der Hauptkandidat „der Opposition“, der an der Wahl teilnehmen will, Henri Falcon, ist ein ehemaliger Militäroffizier und war früher Chavista – ein Anhänger des vorherigen Präsidenten Hugo Chavez. Falcon ist es nur gelungen, einen kleinen Teil der Opposition seiner Kandidatur anzuschließen, da sich die meisten Anhänger der Oppositionskoalition entschlossen haben, die Wahl zu boykottieren. Aus diesem Grund wird erwartet, dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zu vorherigen Abstimmungen sehr niedrig sein wird. Trotzdem darf es nicht vergessen werden, dass rund die Hälfte der venezolanischen Bevölkerung gegenüber dem verstorbenen Hugo Chavez und dem Chavismus als politische Ideologie noch positiv eingestellt ist.

In diesem Kontext könnte Henri Falcons Vorsprung in den Umfragen nicht ausreichen, um einen Sieg des aktuellen Präsidenten Nicolas Maduro zu verhindern, was zur Zeit der erwartete Ausgang sein dürfte.

Wir sehen daher zwei mögliche Entwicklungen:

1. Henri Falcon schafft es die Wahlen zu gewinnen, nachdem er mit wichtigen Chavistas innerhalb und außerhalb des Militärs verhandelt hat, die von Nicolas Maduro in den letzten Monaten beiseitegeschoben und verfolgt worden sind. Diese könnten die noch verbleibende Popularität von Hugo Chavez ausnutzen und Maduro, der sich vom Chavez-Erbe distanziert, isolieren. Eine Übergangsregierung könnte die beste Option für diese Chavistas darstellen, um sich selbst zu schützen und ihr Vermögen abzusichern. Da viele mächtige venezolanische Regierungsvertreter Familien und Vermögen im Ausland haben, könnte dieses Szenario außerdem ermöglichen, dass sie von neuen internationalen Sanktionen nicht getroffen werden, falls das aktuelle Regime überleben und weiter isoliert sein würde.

2. Nicolas Maduro und seinen Gefolgsleuten ist es gelungen an der Macht zu bleiben und dadurch dem Volk die Stimme zu rauben, nachdem sie alle Kräfte um sich konzentriert haben. In dieser Situation wäre der Schlüssel für zukünftige Entwicklungen der Niedergang der Ölproduktion. Dieser Zerfall nimmt gerade im Kontext des Mangels an Investitionen und einer ernstzunehmenden Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften auf allen Ebenen des staatlichen Ölkonzerns PDVSA Fahrt auf. Diese Abwanderung hat bereits nach der Ernennung von militärischen Führungskräften ohne Erfahrung im Öl-Geschäft zugenommen, die Unterstützung für Nicolas Maduro bringen sollte. Zusätzlich dazu haben einige Gläubiger (aber noch keine Anleiheinhaber) angefangen, Offshore-Vermögen von PDVSA zu pfänden, sodass mehr Druck auf die Produktion und die Exportkapazitäten ausgeübt wird. Wenn es keine Ressourcen mehr gäbe, um Maduro zu unterstützen und das Militär zu bezahlen (es wurde bereits über umfangreiche Fälle von Rücktritten und Fahnenflucht berichtet) und noch mehr internationale wirtschaftliche Sanktionen eintreten würden, wären die Tage der aktuellen Regierung gezählt.

Kurz gesagt: Wir gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für einen wesentlichen wirtschaftlichen und politischen Wandel in nicht allzu ferner Zukunft sehr hoch ist.

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