Die Wirtschaft und das Virus

Auf der Investment-Konferenz von FondsConsult in Berchtesgaden diskutieren Experten die Chancen und Risiken, die sich derzeit an den Finanzmärkten ergeben. Im Fokus: natürlich die Corona-Pandemie.

16.10.2020 | 09:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Berchtesgaden ist in diesen Tagen ein besonderer Ort. Seit dem gestrigen Donnerstag findet in exklusivem Rahmen die FondsConsult Investment-Konferenz statt. Im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski diskutiert ein ausgewählter Kreis an Asset Managern, Finanzberatern und Vermögensverwaltern aktuelle Themen und die passenden Anlage-Strategien. Die Referenten sind Top-Experten verschiedener Fondsgesellschaften. Die Konferenz dauert noch bis Freitagnachmittag.

Wie es sich gehört und Vorschrift ist, findet die Veranstaltung unter strenger Beachtung der Hygiene-Vorschriften statt. Das Corona-Virus schwebt sinnbildlich über der Investmentkonferenz. Und es bestimmt nicht nur das Verhalten der Teilnehmer und den Sitzabstand zum Nachbarn, sondern es dominiert auch die Themen der Referenten. Kein Wunder: Die Pandemie hat zu einem weltweiten wirtschaftlichen Einbruch geführt, der noch nie in dieser Form da war. Das muss aufgearbeitet werden. Schließlich gilt es auch, nach vorne zu blicken. Corona ist jetzt da. Aber wie geht es weiter? Auch eine Pandemie bietet Chancen, wie die Referenten mit ihren Vorträgen zeigen.

Optimismus trotz Corona

Zum Auftakt der Konferenz wirft Dr. Andreas Sauer, Geschäftsführer der ansa capital management GmbH, in seinem Vortrag „Ökonomie und Märkte – Rückblick und Ausblick im Zeichen der Corona-Krise“ seinen analytischen Blick auf die Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Art und Weise, wie wir Portfolios verwalten, dramatisch verändert. In den 80er Jahren haben wir aus der Zeitung die Kurse von Gestern in Großrechner übertragen. Heute haben wir sofort alle Daten“, erzählt Sauer. Das habe natürlich einen Effekt auf die Entwicklung der Märkte. Diese seien heute sehr effizient. Erwartungen an die Zukunft hätten ad hoc einen Preis. Heute würden die Erwartungen an der Börse nahezu ohne Zeitverzögerung in ökonomische Wirklichkeiten umgesetzt. „Und so herrschte im März 2020 Panik, weil wir Angst vor der weiteren Entwicklung hatten. Aber die Erwartungen an die Zukunft haben sich vergleichsweise schnell wieder verändert“, so Sauer. Sein Fonds, der ansa - global Q opportunities, blickt hier völlig emotionslos auf die Entwicklung. Die Anlagestrategie orientiert sich an einem Vier-Phasen-Modell, das Sauer mit vier Jahreszeiten beschreibt: Sommer, Herbst, Winter und Frühjahr. Corona traf die Wirtschaft und die Börse im Frühjahr, die Stimmung und die Entwicklungen waren gut. Was dann kam, war der bewusste Gang in die Rezession. „Das war ein weltweit einmaliges Ereignis“, so Sauer. Und das war wohl auch der Grund dafür, dass die Marktteilnehmer schnell wieder optimistisch wurden, in dem Wissen, dass es eine Krise ist, die gelöst werden wird.

Welche Perspektiven Schwellenländer-Anleihen jetzt bieten

Alexander Heidenfelder von Edmond de Rothschild erklärt im zweiten Vortrag dieses Tages die Anlagestrategie des Schwellenländerfonds Edmond de Rothschild Emerging Credit. Schwellenländeranleihen böten Investoren aus verschiedenen Gründen besondere Chancen, erklärt Heidenfelder. Ein Grund sei, dass der Markt von den Ratingagenturen insgesamt relativ schlecht analysiert würde. „Da ergeben sich Ineffizienzen, die wir ausnutzen können“, so Heidenfelder. Als Beispiel nennt er die Bewertung von Staaten und Unternehmen aus diesen Staaten. Ratingagenturen würden Unternehmen oft nur maximal die Bonität gewähren, die sie den jeweiligen Staaten zubilligten. Mit dem Effekt, dass solide Unternehmen teilweise unverhältnismäßig hohe Zinsen bieten müssten. Anleihen von diesen Unternehmen wären beispielsweise Kandidaten fürs Portfolio des EdR-Fonds. Edmond de Rothschild verlasse sich deshalb auch auf eigenes Research und bilde nicht einfach Rentenindizes ab. Ein Effekt dieses Vorgehens: Obwohl chinesische Unternehmensanleihen in vielen Schwellenländer-Indizes einen Anteil von etwa 25 Prozent haben, meiden die Fondsmanager von Edmond de Rothschild Rentenpapiere aus China. „Wenn Staaten einen zu großen Einfluss auf die Unternehmen in ihrem Land haben, machen wir einen großen Bogen um deren Anleihen“, so Heidenfelder. Auch Anleihen von Finanztiteln würden kaum eine Rolle spielen. Das sei eine bewusste Entscheidung. Das Fondsmanagement lege zudem großen Wert auf eine möglichst breite Diversifikation, was dafür sorge, dass trotz des hohen Anteils an hoch verzinsten Anleihen das Risiko des Gesamtportfolios sehr überschaubar sei.

Wie man Inflationsanleihen intelligent einsetzt

Alexander Froschauer, Head of Fixed Income bei der Fondsgesellschaft AXA IM, erklärt in seinem Vortrag „Was bedeutet COVID-19 für die Inflation – und welchen Schutz haben wir?“ die Einsatzmöglichkeiten von Inflation Linked Bonds. Inflation habe die merkwürdige Eigenschaft, dass man sie nicht schmecken, riechen oder fühlen könne, so Froschauer. Man müsse sich darauf verlassen, dass die Institute, die ihre Datensammler ausschicken, um die Preisentwicklung in der Welt zu untersuchen, die richtigen Warenkörbe zusammenstellen. Diese Warenkörbe unterscheiden sich jedoch je nach Land oder Währungsraum. US-amerikanische Warenkörbe haben eine andere Zusammensetzung und Gewichtung als europäische Warenkörbe. Deshalb müsse man US-Inflationsdaten auch anders bewerten als europäische. Ein besonderes Problem während der Corona-Krise war, dass es über Wochen hinweg überhaupt keine brauchbaren Messergebnisse gab, weil die Geschäfte weltweit geschlossen hatten. „Man verließ sich allein auf die Angebote bei Online-Stores. Immerhin. Noch vor einigen Jahren hätte es so etwas gar nicht gegeben“, erzählt Froschauer. Davon abgesehen, seien Warenkörbe grundsätzlich immer nur eine Annäherung, um eine Preis-Entwicklung darzustellen. Letztlich fließen die Erkenntnisse in Indizes, an denen sich die betreffenden Inflationsanleihen orientieren. Die Frage ist, wie man diese Anleihen sinnvoll einsetzt. Froschauer rät dazu, Inflation Linked Bonds vor allem als Absicherungsinstrument in breit diversifizierten international aufgestellten Portfolios einzusetzen und stellt diesem Ansatz andere Alternativen gegenüber: Gold zum Beispiel sei ein emotionales Thema, habe mit Inflation aber eigentlich nichts zu tun – es sei denn, man kalkuliere über einen Zeitraum von 50 oder 100 Jahren. Immobilien hätten in den vergangenen Jahren zwar gut performt. Es gebe jedoch keine Mathematiker, die einen Zusammenhang zur Inflation herleiten könnten. Inflationsgeschützte Anleihen dagegen seien direkt an die Inflationsentwicklung gekoppelt und ließen sich deshalb gezielt dafür verwenden.

ELTIF: Der neue europäische Standard für geschlossene Fonds

Markus Pimpl von Partners Group erklärt in seinem Vortrag den neuen europäischen Standard für geschlossene Fonds: European Longterm Investments Funds, kurz: ELTIF. ELTIF-Fonds seien noch vergleichsweise unbekannt. Die Hälfte der Asset Manager würde diese Produktgruppe noch gar nicht kennen, erzählt Pimpl, der in Deutschland der erste war, der einen sogenannten ELTIF aufgelegt hat. Die Partners Group betritt damit Neuland und wagt sich mit dem Instrument in den Privatkunden-Bereich vor. Bislang ist die Gesellschaft darauf spezialisiert, geschlossene Fonds für institutionelle Investoren aufzulegen. Der neue Standard ELTIF eröffne jedoch neue Perspektiven. Zum ersten Mal gebe es einen von der Europäischen Kommission entworfenen Standard, der wie UCITs für eine Vereinheitlichung sorge – in diesem Fall für geschlossene Fonds. Die Branche habe in den vergangenen Jahren einen schweren Stand gehabt. Bis zur Finanzkrise spielten vor allem Steuervorteile im Vertrieb eine große Rolle. Die Fonds seien zudem zu teuer gewesen, und es gab zu viele schwarze Schafe in der Branche, beschreibt Pimpl die Probleme in der Vergangenheit. Die Produkte erlitten bei privaten Investoren einen massiven Vertrauensverlust. ELTIF könnte nun dafür sorgen, dass geschlossene Fonds für private Anleger wieder interessanter würden. Gleichzeitig würden die Fonds dafür sorgen, dass die Europäische Union einige selbst gesteckte Ziele leichter erreiche: So sollen Investitionen in Infrastruktur gefördert werden, der europäische Finanzmarkt werde weiter einheitlich reguliert, und Anleger erhielten eine weitere Alternative, um Vermögen aufzubauen, was angesichts niedriger Zinsen immer wichtiger werde. „Mit der klassischen Portfolio-Allokation wird es schwierig in der langfristigen Altersvorsorge. Da könnten ELTIFs eine weitere Möglichkeit schaffen“, so Pimpl.

Trump oder Biden? Die US-Präsidentenwahl auf der Zielgeraden

Dr. Christoph von Marshall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion des Tagesspiegels, berichtet vom Wettkampf der beiden Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump. Es gebe zwar deutliche Tendenzen, dass Biden im November die Wahl gewinnen könnte, doch das sei noch nicht ausgemacht. Von Marshall nennt die Gründe: „Trump wurde im Jahr 2016 von 46 Prozent der Stimmen gewählt. Er wurde noch niemals von der Mehrheit gewählt. Derzeit kommt er laut Umfragen auf 44 bis 45 Prozent. Unabhängig davon, ob sie Biden oder Trump wählen wollen, sagen 55 Prozent der Wähler, trotzdem: Trump wird wiedergewählt“, so von Marshall. Dazu komme eine gewisse Unsicherheit, ob sich die Gegenkandidaten gegenseitig noch Stimmen klauen. Joe Biden sei natürlich der bekannteste unter ihnen, doch am 3. November würden zwanzig Präsidentenkandidaten gegen Trump antreten. Das spiegele einen nicht unwichtigen Faktor in der Wahrnehmung vieler Wähler wider: Wer ist die beste Alternative zu Trump? Joe Biden habe von den Kandidaten zwar die meisten Zustimmungswerte, sei jedoch nicht der Kandidat, der Amerika in die Zukunft führe und Enthusiasmus auslöse. Allerdings habe Corona viel verändert. Die Themen Gesundheit und Ökonomie fallen Donald Trump auf die Füße. Das schlechte Management der Pandemie und die ökonomischen Sorgen der US-Bürger würden sich zuletzt in schlechten Umfragewerten für Trump widerspiegeln. Wäre morgen Wahl, würde Joe Biden wohl die meisten Wähler hinter sich versammeln können – was jedoch nicht ausreiche. Auch 2016 gewann Hillary Clinton drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump. Doch das US-Wahlsystem sorgte dafür, dass Trump ausreichend Wahlmänner-Stimmen gewann, um Präsident zu werden. Die aktuelle Situation sehe, Stand heute, so aus, dass Joe Biden auch hier genug Stimmen beisammen hätte. „Doch 19 Tage sind eine lange Zeit. Und ob die Demoskopen Recht behalten, muss sich am Wahltag erst noch zeigen“, erklärt von Marshall. Man müsse mit der Unsicherheit und auch den Widersprüchlichkeiten der US-Wahl leben. Dazu gehöre übrigens auch, dass Trump auf die Briefwahl einprügele und sie als unseriös diskreditiere. „Er selbst wählt jedoch seit Jahren per Briefwahl“, so von Marshall.

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