Die Schlammschlacht danach

TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden.

26.07.2021 | 07:45 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

Es war die Woche nach der Hochwasser-Katastrophe. Einige Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren in den Tagen zwischen dem 14. und 16. Juli von Starkregen überflutet und unter Schlammmassen begraben worden. Allein die Aufräumarbeiten werden wohl noch Wochen oder gar Monate dauern. Von Neuaufbau ist da noch gar nicht die Rede.

Bund und Länder haben schnelle Hilfe zugesagt. Finanzminister Scholz hat Zahlungen in Höhe von mindestens 300 Millionen Euro ins Spiel gebracht. Zudem will er dem Kabinett ein milliardenschweres Aufbauprogramm für die betroffenen Regionen vorschlagen. Schließlich müssen nicht nur zerstörte Privathäuser, sondern auch Straßen und Brücken, Kanalisation, Stromversorgung, Kommunikationsnetze und andere Infrastruktur zügig repariert werden. Die Bundesländer allein können das kaum stemmen.

Geht es um die Direkthilfen für die Bürger in den betroffenen Regionen, steht das Solidaritätsgebot an erster Stelle. Das ist richtig so. Schließlich stehen heute tausende Einwohner plötzlich vor den Trümmern ihrer Existenz. Wer kein Mitgefühl zeigt beim Anblick von Menschen, die mit leerem Blick auf das starren, was bis vor wenigen Tagen noch ihr Zuhause gewesen ist, muss ein Herz aus kaltem Stein haben. Die Hilfsbereitschaft der Menschen aus den Nachbargemeinden, die derzeit mit anpacken, aufräumen und finanziell mit privaten Spenden helfen, kennt deshalb kaum Grenzen. Man steht zusammen, wenn es darauf ankommt. Das ist die gute Nachricht der Woche.

Und doch gab es in der vergangenen Woche schon erste giftige Diskussionen darum, ob diejenigen, die heute ihre Habseligkeiten auf die großen Schlammhaufen in den Dorfzentren kehren, nicht auch selbst schuld gewesen seien an ihrer Lage. Haben sie die Warnungen denn nicht gehört? Warum wurde nicht rechtzeitig evakuiert? Warum wurden Häuser überhaupt an Flüssen gebaut?

Und last but not least: Sind jetzt nicht diejenigen angeschmiert, die eine Elementarschaden-Versicherung abgeschlossen haben? Schließlich springe doch der Staat jetzt ein und helfe auch denjenigen, die nicht gegen Schäden durch die Flutkatastrophe versichert waren.

Mit Verlaub: Solche Anwürfe sind zynisch und ebenso sinnlos wie die nun aufgekommene Diskussion um eine Pflicht zur Elementarschaden-Versicherung für Hausbesitzer. Denn die Sachlage ist – wie immer – komplexer als die simple populistische Floskel.

Es fängt schon damit an, dass die Versicherer gar kein gesteigertes Interesse daran haben, jeden Hausbesitzer gegen Naturschäden jeder Art zu versichern. Natürlich werben viele Versicherer in diesen Tagen heftig dafür, dass Hausbesitzer ihre Wohngebäude- und Hausratversicherungen um einen Elementarschadenschutz erweitern - vor allen Dingen dann, wenn das betreffende Haus nicht in einer bedrohten Gegend liegt. Doch wer heute an einem Fluss mit Überflutungsgefahr wohnt, findet kaum ein Versicherungsangebot, das auch Elementarschäden in adäquater Weise abdeckt. Und die Angebote, die es für Immobilien in solchen Lagen gibt, sind entweder horrend teuer und/oder mit so vielen Ausnahmeklauseln für Versicherungsleistungen gespickt, dass sich der Abschluss kaum lohnt.

Ein weiterer Punkt ist: Die Wetterkatastrophe, die wir gerade erlebt haben, wird kein Einzelfall bleiben. Setzt sich die Entwicklung fort, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, werden solche Szenarien sich weiter häufen. Private Versicherungen und die Versicherten werden damit finanziell überfordert. Es sind eben keine Einzelfälle mehr. Hier ist der Staat tatsächlich gefordert, also wir alle. Sonst kommt es in Zukunft häufiger so wie in den Jahren 2013 und 2016: Als im Mai und Juni 2013 hierzulande die Flüsse über die Ufer traten, erhielten viele Hausbesitzer Zahlungen aus ihrer Elementarschaden-Versicherung, die ihnen anschließend gekündigt wurde. Neue Abschlüsse wurden ihnen oft verwehrt, auch von der Konkurrenz. Das ausgezahlte Geld reichte in den meisten Fällen gerade so für die Renovierung der Häuser. Nach den Hochwasser-Ereignissen im Jahr 2016 standen viele dieser Betroffenen schließlich endgültig vor dem finanziellen Ruin. Ohne Versicherung. Wem gibt man hier die Schuld? Den nicht Versicherten? Den Versicherungen, die nicht versichern wollten? Dem Staat?

Die Welt ist eben niemals perfekt. Und manchmal lautet die einfache Antwort auf eine komplexe Frage: Es ist, wie es ist.

Ausblick auf interessante Termine in dieser Woche

Am Dienstag veröffentlicht die Europäische Zentralbank aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Geldmenge M3 in der Eurozone. Die Geldmenge, die in Form von Banknoten, Münzen, Bankguthaben, Wertpapierpensionsgeschäften und Anleihen (bis 2 Jahre) im Umlauf ist, wuchs zuletzt mit einer Geschwindigkeit von rund 8,5 Prozent jährlich. Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer letzten Sitzung das Signal gesendet, dass sie an ihrem expansiven Kurs festhalten will.

Am Mittwoch wird das Ergebnis der jüngsten GfK Verbrauchervertrauensumfrage veröffentlicht. Der Index misst das Vertrauen der Verbraucher in die wirtschaftliche Aktivität Deutschlands. Glaubt man den Umfrageergebnissen, trauen die Deutschen ihrem Land derzeit nicht mehr viel zu. Der Index bewegt sich nach einer kurzen Aufschwungsphase im Juni vergangenen Jahres im Abwärtstrend. Die Angst vor der vierten Corona-Welle scheint hier mitzuschwingen.

Am Donnerstag folgt die Veröffentlich des Verbraucherpreisindex in Deutschland. Die Zwei-Prozent-Marke auf Jahresbasis wurde bereits geknackt. Konsequenzen von Seiten der Europäischen Zentralbank sind nicht zu erwarten. Das hat Christine Lagarde bereits klargestellt. Im EZB-Turm in Frankfurt schaut man dem Kaufkraftverlust des Euro entspannt zu.

Am Freitag veröffentlicht die Statistikbehörde Eurostat aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandprodukts in der EU und in den einzelnen Ländern der Europäischen Union. Man sollte nichts Spannendes erwarten. Im Vergleich zum Vorjahr lesen sich die meisten Zahlen gut, unterm Strich bleibt die Stimmung aber eher so lala.

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