Comgest: Japanische Aktien bieten eine historisch günstige Inflationsabsicherung
Die Regierungskoalition in Japan hat zwei Tage nach dem tödlichen Attentat auf den ehemaligen Premierminister Shinzō Abe einen klaren Sieg bei der Oberhaus-Wahl erzielt.18.07.2022 | 10:09 Uhr
Die Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Koalitionspartner Komeito sicherten sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit und können nun die von Abe jahrelang angestrebte Reform der pazifistischen Verfassung Japans vorantreiben. Die Bestätigung der politischen Richtung, gepaart mit der moderaten Inflation und der Wiedereröffnung des Landes dürfte laut Richard Kaye, Portfoliomanager des Comgest Growth Japan, dazu beitragen, dass Japan in diesem Jahr zu den Märkten mit der besten Performance gehören könnte. Die Aufholjagd, die eigentlich erst mit der Regierung unter Abe im Jahr 2012 begonnen hat, sollte daher weiter an Fahrt gewinnen.
Ironischerweise ist Japan eine Nation, die nichts gegen ein bisschen mehr Inflation hätte. Selbst steigende Energiekosten und der globale Druck auf die Lieferketten haben Japan nicht dazu verholfen, das Inflationsziel der Zentralbank von 2 Prozent zu erreichen. Die Bank of Japan löste die stärksten Kursverluste des Yen seit fast 50 Jahren aus, indem sie sich dem globalen Druck zur Anhebung der Zinssätze widersetzte. Als Folge haben Anleger einige der erfolgreichsten japanischen Wachstumsunternehmen abgestoßen und sich auf Bank- sowie Immobilienaktien gestürzt – mit der Überzeugung, dass eine Value-Rotation in vollem Gange ist. „Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass das Land als sicherer Hafen vor einem unkontrollierten Preisanstieg gilt. Wir haben keine Immobilieninflation, keine junge Verbraucherbasis und keine Lohninflation in Japan. All diese Aspekte überzeugen uns, dass Japan in der aktuellen Inflationsdebatte anders gesehen werden sollte“, sagt Kaye. Der durchschnittliche Grundstückswert in Japan stieg im März um 0,6 Prozent – der erste Wachstumsschub seit zwei Jahren. Die Immobilienpreise sind jedoch weiterhin nicht in der Lage, sich zu erholen, und setzen damit den Abwärtstrend fort, der durch das Platzen der Vermögensblase im Jahr 1991 und durch die globale Finanzkrise ausgelöst wurde. Japan hat die älteste Bevölkerung der Welt: 28,7 Prozent der Einwohner sind mindestens 65 Jahre alt. Schätzungen zufolge wird bis zum Jahr 2036 sogar jeder dritte Einwohner 65 Jahre oder älter sein. Die alternde Bevölkerung des Landes hat keine so hohe Konsumbereitschaft wie die jüngeren Verbraucher in den USA und Europa. Die effektive Lohninflation wird begrenzt, da Japan keine Covid-bedingten Ausgangssperren für seine Einwohner erlassen hat, wodurch die Wirtschaft kein neues Personal einstellen musste.
Marktstimmung darf nicht über fundamentale Werte
hinwegtäuschen
„Würden aktuell die Energiepreise nicht rasant ansteigen, könnte die Inflation
sich sogar im Minusbereich bewegen. Folglich ist der typische Schaden, den die
Inflation dem Standardmodell des diskontierten Cashflows zufügt, nicht so groß
wie in anderen Regionen. Eine Abkehr von japanischen Wachstumswerten macht
keinen Sinn, außer die Fundamentaldaten des Unternehmens sind nicht gut“, ist
Kaye überzeugt. Einige Qualitätsunternehmen mussten allein aufgrund der
allgemeinen Marktstimmung Kursverluste hinnehmen. Im Januar 2022 fielen zum
Beispiel die Aktienkurse von M3 und Sysmex, zwei großen japanischen
Wachstumsunternehmen, genauso stark wie der Kurs der Amazon-Aktie während der
Dotcom-Blase. Betrachtet man jedoch nur die Performance der beiden Unternehmen,
gibt es keinen offensichtlichen Grund für den Rückgang. M3 bietet Medizinern
ein Online-Portal für den Austausch fachlicher Informationen – etwa wie man
eine Krankheit richtig diagnostiziert – und entsprechende Dienstleistungen. Das
Unternehmen hat eine operative Gewinnmarge von fast 30 Prozent und ist Teil des
japanischen Gesundheitswesens, das Kaye zufolge reif für Modernisierung und
Digitalisierung ist.
Wachstumsunternehmen in Wachstumsbranchen
Das auf Diagnosegeräte spezialisierte Unternehmen Sysmex hat eine ähnliche
Geschichte vorzuweisen, wobei dessen Aktienkurs seit Januar 2022 ebenfalls
stark gefallen ist. Nichtsdestotrotz hat das Unternehmen einen Vorsprung vor
nicht-japanischen Konkurrenten, da in Japan die Nachfrage nach Tests für
Krankheiten wie Magenkrebs und Diabetes traditionell höher ist. Derzeit
entwickelt Sysmex Roboter zum Assistieren bei chirurgischen Eingriffen und
arbeitet an einem Verfahren zur Erkennung von Alzheimer. „In einer alternden
Gesellschaft gibt es nur wenige Sektoren, die so viel Rückenwind erfahren wie
medizinische Tests und diagnostische Dienstleistungen. Der Cashflow und das
vorhersehbare Gewinnwachstum sind nach wie vor stark, was Sysmex unserer
Meinung nach zu einer bedeutenden japanischen Wachstumsstory macht. Die Abkehr
von so einem Unternehmen erachten wir daher nicht als sinnvoll“, so Kaye. Ein
weiteres Beispiel ist GMO Payment Gateway, der größte Anbieter von
Online-Zahlungen und bargeldlosen Transaktionsdiensten in Japan. Dieses Thema
wird vermutlich von Experten in allen Regionen als vielversprechend
eingeschätzt, aber Japan geht erst langsam zum bargeldlosen Zahlungsverkehr
über, was bedeutet, dass es noch viel Luft nach oben gibt. GMO Payment Gateway
erlebte in den letzten 12 Monaten einen starken Kurseinbruch, der jedoch nicht
durch Verschulden des Unternehmens entstanden ist – das KGV war nämlich sehr
hoch, wurde aber durch transparente Gewinne bzw. transparentes Gewinnwachstum
gerechtfertigt.
Value-Aktien mit rauerem Klima konfrontiert
Die Geschichte der japanischen Wachstumsaktien ist aktueller denn je. Das Land
hat im Frühling endlich seine letzten Covid-Beschränkungen aufgehoben und der
Alltag sowie die Erträge der Unternehmen normalisieren sich wieder, sodass
vielversprechende Unternehmen noch deutlicher erkennbar sind. Es ist daher
davon auszugehen, dass mehrere zyklische Sektoren, wie Banken und Immobilien,
die aufgrund der Inflationsangst der Anleger einen Aufschwung erlebten, bald
mit einem raueren Klima konfrontiert sein könnten, sodass die wirklich
nachhaltigen Wachstumsstorys in den Vordergrund treten. Einige der stärksten
Unternehmen Japans haben schon viele Krisen überstanden, beispielsweise 70
Jahre Währungsaufwertung, Mangel an natürlichen Ressourcen, Beschränkung von
bewohnbarem Land, Diebstahl von geistigem Eigentum und Naturkatastrophen. Aus
langfristiger Perspektive ist Japan ein gutes Argument gegen breit angelegte
Sektor-Wetten. Denn die Flucht in Value-Aktien macht keinen Sinn, wenn die
Inflation im weltweiten Vergleich immer noch gering ist. Anleger laufen dann
verstärkt Gefahr, starke Wachstumsunternehmen zu verpassen.
Wichtige Informationen:
Stand der Daten: 31. Mai 2022
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