CoCo-Bonds: Warum hohe Coupons oft das geringere Risiko tragen
| Titel der Publikation: | AT1 ist zurück: Warum hohe Coupons oft das geringere Risiko tragen |
| Veröffentlichung: | 10/25 |
| Autor: | Robert Van Kleeck |
| Auftraggeber: | TiAM FundResearch |
CoCo-Bonds sind fester Bestandteil vieler Fixed-Income-Portfolios. Wer in diesem Anleihesegment erfolgreich abschneiden will, muss Reset- und Call-Mechanik verstehen. Aktuell bieten AT1-Anleihen mit hohen Backend-Spreads besonders gute Chancen. Was dabei zu beachten ist, erklärt Robert Van Kleeck für TiAM FundResearch. Van Kleeck ist Head of Credit Portfolio Management bei Assenagon Asset Management.
31.10.2025 | 13:00 Uhr
Contingent Convertible Bonds, kurz CoCos, sind nachrangige Bankanleihen, die im Krisenfall Verluste der Bank auffangen, indem sie ganz oder teilweise abgeschrieben oder in Aktien umgewandelt werden. AT1 (Additional Tier 1) ist die wichtigste Untergruppe der CoCos und Teil der Kapitalpuffer von Banken gemäß Basel III. Nach der Credit-Suisse-Pleite gerieten CoCos in den Fokus, weil AT1-Bonds erstmals in großem Stil abgeschrieben wurden. Der Markt hat den Schock inzwischen überwunden; institutionelle Anleger kaufen wieder, und das CoCo-Marktvolumen liegt 2025 auf Rekordhöhe.
Aktuell besonders spannend sind AT1-Bonds mit hohem Coupon. Während höhere Coupons bei klassischen Anleihen verminderte Kreditqualität signalisieren können, gilt dies bei AT1-Bonds nur bedingt. Da hier ab einem bestimmten Zeitpunkt der Coupon neu gesetzt wird, der sogenannte Reset, ist dieser kein verlässlicher Risikoindikator.
Zum Reset wird der anfängliche Coupon der
Anleihe auf den aktuellen Referenzzins plus einen fest vereinbarten Aufschlag,
den „Backend-Spread“, festgesetzt. Somit sorgt der Reset dafür, dass eine
unbefristete Anleihe nicht ewig mit einem fixen Zins weiterläuft, sondern sich
an das Zinsumfeld anpasst. Häufig fällt der Reset mit dem ersten Kündigungstermin zusammen, an
dem die Bank die Anleihe zum Nennwert zurückzahlen darf. Übertrifft der neue
Coupon die Refinanzierungskosten einer möglichen Neuemission, entsteht ein
Anreiz zum Kündigungstermin zurückzuzahlen.
Somit spitzt sich die Risikobewertung bei AT1-Anleihen
auf die Frage zu, ob zum ersten Kündigungstermin
zurückgezahlt wird oder nicht: Ein hoher Backend-Spread senkt das Risiko
einer Verlängerung über den ersten
Kündigungstermin hinaus.
Opportunitäten durch Marktineffizienzen
Call- und Reset-Mechanik steuern die
Preisbildung: Rechnet der Markt mit Rückzahlung zum nächsten Kündigungstermin, bleiben AT1 auch bei
Turbulenzen länger im Bewertungsmodus „to call“. Erst bei deutlich stärkeren
Verwerfungen schaltet die Bewertung auf „to perpetuity“, also dauerhafte Verlängerungen um – wenn
überhaupt. Das dämpft die Kursausschläge und senkt das Beta. Gerade in
Stressphasen zeigt sich immer wieder, dass CoCos deutlicher schlechter
performen, sobald sie nicht mehr „to call“, sondern „to perpetuity“
gehandelt werden. Der Markt verlangt dann eine
höhere Risikoprämie, die Kurse geben temporär nach. Emittenten mit höherem Verlängerungsrisiko
schalten früher in diesen Modus – ihr Beta steigt. Genau hier entstehen kurzfristig
Preisverzerrungen, die sich für einen Tausch nutzen lassen: Wer die Chance
rechtzeitig erkennt, kann aus einem Titel mit höherem Verlängerungsrisiko in
eine weniger gefährdete AT1-Tranche wechseln und den späteren Rücksprung als
neue Einstiegsgelegenheit nutzen. Diese Fenster öffnen sich oft abrupt und
schließen sich ebenso schnell – Selektion, Liquidität und Disziplin sind
entscheidend.
Auf die Vertragsbedingungen kommt es an
CoCo-Bonds sind eine komplexe,
regelgebundene Anlageklasse. Selektive Chancen entstehen dort, wo
Vertragsbedingungen, Backend-Spread, Bewertung und Liquidität zusammenpassen –
nicht beim höchsten Ausgangscoupon. Maßgeblich sind die vertraglichen
Kernpunkte: wann und wie Verluste getragen werden, welche Eingriffsrechte die
Aufsicht hat, wie der Coupon ab Reset berechnet wird und welcher Rechtsrahmen
gilt. Aktuell sind Tranchen mit hohem Backend-Spread besonders interessant. Zusätzliche
Nachfrage, insbesondere aus Asien, nach USD-Anleihen mit hoher laufender
Verzinsung stabilisiert die Orderbücher und glättet Ausschläge. Für Anleger
heißt das: AT1 sind wieder investierbar – mit gezielter Selektion und klarem
Verständnis des Regelwerks lassen sich Preisunterschiede nutzen, ohne die
realen Risiken zu übersehen.