aramea: Herrmann auf den Punkt

Kapitalmarktprognosen für die kommenden sechs Monate - von Felix Herrmann, Chefvolkswirt, Aramea Asset Management AG

30.10.2025 | 10:11 Uhr

Die politischen und wirtschaftlichen Weichenstellungen in den USA und Europa prägen derzeit die Märkte in unterschiedlicher Weise, erläutert Felix Herrmann, Chefvolkswirt bei Aramea Asset Management: „In den USA ist die Arbeitsnachfrage zwar gering, trifft aber auch auf ein geringeres Angebot. Außerdem bleibt der private Konsum stabil. 2026 dürften fallende Zinsen und steigende Staatsausgaben für Rückenwind sorgen.“ In der Eurozone hingegen sei eine Zinsanhebung wahrscheinlicher als eine Senkung. 

Am europäischen Rentenmarkt ist die Lage ruhig, Impulse könnten laut Herrmann vonseiten der Fiskalpolitik kommen: „Wir erwarten einen Trend zu einer steileren Kurve und rechnen mit einem moderaten Anstieg zehnjähriger Bundzinsen auf 2,9 Prozent in den kommenden sechs Monaten.“ 

Bei Euro-Unternehmensanleihen sind die Spreads nach wie vor äußerst eng. „Das allerdings weiterhin aus gutem Grund“, betont der Volkswirt. „Die Fundamentaldaten der Unternehmen sehen sehr solide aus und angesichts der Aussicht auf eine sich beschleunigende Konjunktur spricht wenig für eine Verschlechterung.“ Man ziehe Kredit entsprechend fortgesetzt den Durationsrisiken vor. 

Am US-Aktienmarkt tragen Zinssenkungen, Aktienrückkäufe und ein schwacher US Dollar zur Stärke bei. Herrmann sieht noch eine weitere Chance: „Es ist gut möglich, dass die US-Rally an Breite gewinnt und sich Klumpenrisiken verringern.“ In Europa bieten aus seiner Sicht niedrigere Bewertungen Chancen, vor allem in den Bereichen Industrie, Versorger und Banken. 

Der Blick auf die einzelnen Anlageklassen – Herrmanns Einschätzungen für… 

Aktien Europa 

Die Bewertungen liegen weiterhin deutlich unter dem US-Niveau – und das auch noch, nachdem die Regierungen begonnen haben, einen historischen finanzpolitischen Kurswechsel in Richtung mehr Verteidigung, Infrastruktur und Energieunabhängigkeit zu vollziehen. Vor allem für Versorger-, Industrie- und Bank-Aktien sind die Aussichten in Europa gut. Werbemitteilung

Aktien USA 

US-Tech-Aktien dominieren weiter das Geschehen und Bleiben teuer bewertet. Außerdem kann es jederzeit unerwartet zu Trumpschen Eskapaden kommen, die den Markt belasten. Dennoch: US-Aktien bieten nach wie vor mehr Chancen als Risiken – wenngleich eine größere Selektivität erforderlich sein wird, um diese zu nutzen. 

10-jährige deutsche Staatsanleihen 

Wir rechnen – obwohl wir nicht an einen herausragenden Erfolg des Fiskalpakets glauben – damit, dass das Wachstum in Deutschland im kommenden Jahr wieder leicht über dem Potenzial liegen wird. Der Inflationsdruck sollte etwas zunehmen, sodass der Trend hin zu einer steileren Kurve wieder aufgenommen werden dürfte. Wir rechnen mit einem moderaten Anstieg 10-jähriger Bundzinsen in Richtung 2,90 Prozent über die kommenden sechs Monate. 10-jährige US-Staatsanleihen Auch bei 10-jährigen US-Staatsanleihen bleiben wir taktisch short, da die Wiederaufnahme der Zinssenkungen seitens der US-Notenbank Federal Reserve die mittelfristigen Wachstums- und Inflationserwartungen in die Höhe treiben dürfte und die Bewertungen von US-Treasuries weiterhin hoch sind. 

Gold 

Steigendes Misstrauen in den US-Dollar, sinkende Zinsen in den USA und erste Banken mit einer Goldpreisprognose von 5.000 US-Dollar: Die Gold-Rally ist ungebrochen und scheint erst so richtig an Fahrt aufzunehmen. 

Öl 

Wir rechnen mit größeren Angebotsausweitungen in den kommenden Monaten, sodass der Ölpreis tendenziell fallen dürfte. 

EUR/USD

Der US-Dollar bleibt unter Druck. Obwohl der Widerstand bei EUR/USD bei einem Niveau von 1,17 deutlich gestiegen ist, erwarten wir eine weitere Aufwertung des Euros – weniger aufgrund eigener Stärke, als vielmehr aufgrund eines schwachen Dollars, der unter fallenden US-Leitzinsen sowie den Sorgen um die Unabhängigkeit der Fed leidet.

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