AB – Aktienausblick: Von der Vorsicht in die Selbstgefälligkeit?
Während risikoreiche Aktien die globalen Gewinne antreiben, sollten Anleger weiterhin auf robuste Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen setzen.13.10.2025 | 06:10 Uhr
Die weltweiten Aktienkurse stiegen im dritten Quartal 2025, da die
Sorgen um Handelszölle weiter nachließen und die Anleger Zinssenkungen
durch die US-Notenbank erwarteten. Doch sind die Märkte mittlerweile zu
selbstgefällig geworden? Auch wenn die Märkte die jüngsten Befürchtungen
offenbar überwunden haben, sollten sich Anleger angesichts der
bevorstehenden Herausforderungen unserer Ansicht nach umsichtig
positionieren.
Mit der Zinssenkung der Fed im September ist die geldpolitische
Lockerung in den USA in Gang gekommen, und es könnten weitere Schritte
folgen. Bevor die Fed ihren geldpolitischen Spielraum ausgereizt hat,
müssen Anleger zwischen Unternehmen, die von niedrigeren Zinsen
profitieren können, und solchen Unternehmen, deren Gewinne lediglich der
Risikofreude während einer Marktrally eher spekulativer Titel
zuzuschreiben sind, unterscheiden.
Regionale Erträge spiegeln Marktausweitung wider
Nach einer Erholung im zweiten Quartal legte der internationale Gesamtmarktindex MSCI ACWI im dritten Quartal um weitere 7,6% in US-Dollar zu (Abbildung) und erzielte damit seit Jahresbeginn ein Plus von 18,4%. Aktien der Emerging Markets setzten ihren Umschwung fort und stiegen um 10,6%, während China dank staatlicher Konjunkturmaßnahmen und starker Einzelhandelsumsätze um mehr als 22% zulegte. US-Small-Caps übertrafen US-Large-Caps, die dem globalen Index leicht voraus waren. Auch japanische Aktien schnitten geringfügig besser ab als der globale Markt, während europäische Aktien nur geringe Gewinne erzielten.
Im dritten Quartal kam es zu Verlagerungen bei den Erträgen einiger Sektoren (Abbildung), wobei Finanzwerte und Industriewerte nach einem starken ersten Halbjahr eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung verzeichneten. Die Aktien von Kommunikationsdienstleistern konnten jedoch ihre dominante Entwicklung aus dem ersten Halbjahr fortsetzen, während sich Technologieaktien nach einem schwachen Jahresauftakt weiter erholten.
Werden derzeit Warnzeichen ignoriert?
Optimismus an den Märkten könnte eine ungewöhnliche Entkopplung von
der Wirtschaft verschleiern. In den vergangenen Jahren war das
Gewinnwachstum der Unternehmen schwach ausgeprägt, die
Wirtschaftstätigkeit blieb jedoch robust. Aktuell halten sich die
Gewinne auf einem guten Niveau, obwohl die US-Wirtschaft deutliche
Anzeichen einer Abschwächung zeigt.
Das starke Gewinnwachstum dürfte dem Aktienmarkt zwar Auftrieb geben,
doch wir gehen davon aus, dass Anleger derzeit aufgrund der Erwartungen
hinsichtlich niedrigerer Zinsen und der Verheißungen der KI
ungerechtfertigte Risiken eingehen. Mit anderen Worten: Die Anleger
lassen sich womöglich allzu stark von den Schlagzeilen beeinflussen und
unterschätzen dabei das Risiko.
Sowohl die Volatilitätserwartungen als auch die Faktorerträge
untermauern diese Sichtweise. Seit der Marktkorrektur im April ist der
Cboe Volatility Index (VIX) – ein wichtiger Indikator für die erwartete
Volatilität des US-Aktienmarktes – äußerst stark gesunken (Abbildung).
Gleichzeitig sind Qualitätsaktien weltweit hinter spekulativen
Vermögenswerten wie Kryptowährungen und unrentablen Technologieaktien
zurückgeblieben. Die Faktorerträge verdeutlichen, dass das höchste
Quintil der Titel mit hohem Beta, hoher Volatilität und hoher
Verschuldung das niedrigste Quintil jeder Kohorte bei Weitem übertraf.
Im Vergleich dazu wurden Aktien mit hoher Dividendenrendite und hohen
Gewinnmargen überwiegend abgehängt.
Der Markt scheint anzunehmen, dass die größten Risiken überwunden sind.
Doch die offenen Fragen rund um Zölle und Handel, die Auslöser der
extremen Schwankungen im April waren, müssen erst noch geklärt werden.
Die Befugnis von Präsident Trump, Zölle eigenmächtig durchzusetzen,
wurde wiederholt vor Gericht angefochten, und seine Verwendung von
Durchführungsverordnungen zur Auferlegung von Zöllen ist noch immer
Gegenstand rechtlicher Überprüfungen.
Bis eine Lösung gefunden ist, stellen die Handelsfragen, die zuvor die
Märkte belastet haben, ein großes Risiko dar, das nicht übersehen werden
sollte. Hinzu kommen das nachlassende Wachstum, ein schwacher
Arbeitsmarkt, die bedrohte Unabhängigkeit der Fed sowie anhaltende
geopolitische Spannungen. Wir sind daher der Ansicht, dass es
ausreichend ungewisse Faktoren gibt, um eine vorsichtige Haltung zu
rechtfertigen.
Woher stammt also die Zuversicht am Markt? Seit dem 8. April wurde die
Stimmung durch Aufwärtskorrekturen der Gewinnprognosen, starke
Ergebnisse für das zweite Quartal, die Vorteile eines schwächeren
Dollars für US-Unternehmen und die Erwartung weiterer
Steuererleichterungen für US-Großunternehmen geprägt. Unserer Meinung
nach könnte der überschwängliche Optimismus durch diese Entwicklungen
die Anleger zu unangemessen guten Prognosen für besonders risikoreiche
Aktien verleitet haben, die sich langfristig möglicherweise nicht
realisieren werden.
Abweichungen zwischen US-Mega-Caps trotz Anstieg des Technologiesektors
Die risikofreudige Stimmung hat US-Technologiewerten Auftrieb
gegeben, die seit ihren Tiefpunkten am 8. April einen Anstieg von mehr
als 50% verzeichnet haben. Gleichzeitig driftet die Wertentwicklung bei
den Mega-Caps im amerikanischen Tech-Sektor, die auch als die
„Glorreichen Sieben“ bezeichnet werden, mittlerweile auseinander – denn
die Anleger belohnen Unternehmen, die stärker in KI investieren, und
achten genauer auf das Risiko mit Blick auf Handelskriege und auf die
Bewertungen. Da sich diese Tendenz bei den Aktienpreismustern der
US-Mega-Caps weiter fortsetzt, halten wir Selektivität in diesem Bereich
für ausschlaggebend.
Wir sind überzeugt, dass jenseits der Glorreichen Sieben durch jüngste Trends Gelegenheiten in anderen Marktsegmenten entstehen.
So verdient etwa das Gesundheitswesen in unseren Augen mehr
Aufmerksamkeit; der Sektor hat sich in letzter Zeit zwar
unterdurchschnittlich entwickelt, könnte aber künftig eine Quelle
stabilen Wachstums darstellen. Gesundheitswerte weisen in der Regel hohe
Qualitätskennzahlen auf, und der Gesundheitssektor hat in den letzten
20 Jahren einige der höchsten Gewinnwachstumsquoten aller Sektoren
verzeichnet. KI könnte ebenfalls als neuer Wachstumsmotor im
Gesundheitswesen wirken, da derzeit viele neue Anwendungen entwickelt
werden, die auf eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse für
Patienten abzielen.
Aktien mit steigenden Dividenden und Aktien mit hoher Dividendenrendite
könnten ebenfalls vorteilhaft positioniert sein, insbesondere vor dem
Hintergrund geldpolitischer Lockerungen. Bei sinkenden Zinsen suchen die
Anleger üblicherweise nach anderen Renditequellen, wodurch sich die
Nachfrage nach ertragsorientierten Aktien erhöhen kann. Da viele
US-Unternehmen aufgrund der höheren Steuereffizienz eher Aktienrückkäufe
bevorzugen, denken wir, dass Anleger weltweit nach ertragsorientierten
Aktien Ausschau halten sollten.
Angesichts der unzähligen Unsicherheiten verdienen defensive Titel
unserer Meinung nach ebenfalls mehr Beachtung. Aktien, die bei
rückläufigen Märkten weniger verlieren, müssen bei einer Markterholung
weniger Boden gutmachen. Dies bedeutet, dass sie besser von künftigen
Rallys profitieren können. Auf längere Sicht kann dieser gleichmäßigere
Ertragsverlauf zu robusten Erträgen führen und so dazu beitragen, dass
Anleger auch in turbulenten Zeiten investiert bleiben.
Deglobalisierung muss nicht Destabilisierung bedeuten
Angesichts der Handelsspannungen verlagern Unternehmen ihre
Lieferketten zunehmend zurück ins eigene Land. Damit hat eine neue Ära
der Deglobalisierung begonnen. Eine integrierte Weltwirtschaft mit
freiem Handel und geringen Handelsbarrieren bietet viele Vorteile. Doch
auch die Deglobalisierung kann Chancen für aktive Anleger eröffnen.
Ein Blick auf die regionalen Märkte ist hier aufschlussreich. Von Mitte
der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre nahmen die Korrelationen stark zu
– eine Entwicklung, die mit dem Höhepunkt der Globalisierung
zusammenfiel. Die Märkte in den USA, Europa, Japan und den Emerging
Markets bewegten sich somit tendenziell gemeinsam und die Erträge nach
Regionen unterschieden sich weniger stark. In den letzten Jahren haben
die Korrelationen zwischen den regionalen Märkten allerdings abgenommen
(Abbildung). Sollte sich die Deglobalisierung ungebremst fortsetzen,
könnten sich die Korrelationen künftig stärker ihren langfristigen
Durchschnittswerten annähern.
In Kombination mit der Abwertung des US-Dollars liefert die
Deglobalisierung starke Argumente für mehr internationale
Diversifizierung. Ein gutes Beispiel dafür ist China. Der Rückzug
westlicher Unternehmen aus den chinesischen Märkten könnte den Weg für
mehr Innovation in China ebnen und damit Chancen am Aktienmarkt
eröffnen, die sonst möglicherweise nicht existiert hätten. Zudem zeigt
sich, dass China seinen Anteil an den weltweiten Exporten trotz des
Drucks durch Handelszölle ausbauen konnte, indem es den Absatz in
anderen Emerging Markets erhöht hat.
Ebenso kann die Rückverlagerung der US-Lieferketten die Nachfrage nach
zuliefernden Unternehmen und Logistikdienstleistern ankurbeln. Einige
globale Unternehmen, die in den USA tätig sind, könnten sogar von
verstärkten Handelsbarrieren profitieren. Dies würde unter anderem
Hersteller von Elektronikprodukten und Anbieter von Konsumgütern
betreffen, die eine große Produktionspräsenz in den USA haben. Unserer
Ansicht nach könnte eine Strategie mit Dollar-Absicherung US-Anlegern
den Zugang zu internationalen Märkten erleichtern und gleichzeitig das
Währungsrisiko verringern.
Ein strategischerer Ansatz für Anlagen am Aktienmarkt
Die Aktienmärkte lassen sich seit einiger Zeit von immer neuen
Schlagzeilen treiben. Zollschwankungen, die Politik der Fed und der
KI-Boom haben zuletzt um die Aufmerksamkeit der Anleger konkurriert.
Einige Sektoren sind dabei überkauft und andere unterbewertet. Vor
diesem Hintergrund denken wir, dass ein strategischer Ansatz für den
Aktienmarkt aktiv auf Unternehmen mit wettbewerbsfähigen
Geschäftsmodellen und beständigen Ertragsströmen setzen und gleichzeitig
nach diversifizierten Quellen für potenzielle Erträge Ausschau halten
sollte.
Die Trends mit Blick auf Gewinne und Bewertungen deuten auf eine
Ausweitung des Potenzials am Markt hin. Während das Gewinnwachstum in
den USA das von Nicht-US-Unternehmen in den letzten Quartalen deutlich
übertroffen hat, legen die Konsensschätzungen eine Verlagerung nahe.
Tatsächlich wird erwartet, dass Unternehmen außerhalb der USA mit Blick
auf das Gewinnwachstum in den kommenden Quartalen zu US-Unternehmen
aufschließen werden (Abbildung). Zugleich notierten Nicht-US-Aktien,
dargestellt durch den MSCI EAFE Index, mit einem Abschlag von 32%
gegenüber dem S&P 500. Dieser Abschlag liegt deutlich unter dem
Durchschnittswert.
In den kommenden Monaten können aktive Manager weltweit falsch bewertete
Wertpapiere und Chancen in hochwertigen Unternehmen ausfindig machen,
die unter anderen Umständen vielleicht unentdeckt bleiben würden. Auf
Grundlage der Analyse von Fundamentaldaten lassen sich Portfolios
zusammenstellen, die Kunden dabei helfen, den Unsicherheiten der Zukunft
erfolgreich zu begegnen. Angesichts des nachlassenden
Wirtschaftswachstums und zahlreicher drohender Risiken können sich
Anleger derzeit keine Selbstgefälligkeit erlauben.
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