Warum die EU-Regulierung den Green Bond-Markt stärkt

Bei der Emission grüner Anleihen ist Europa ganz weit vorn. Das Thema wird für Emittenten und Investoren umso interessanter, je konkreter die europäischen Standards für das Segment werden.

11.03.2020 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Mit der Erkenntnis, dass der Verbrauch natürlicher Ressourcen in die Kosten industrieller Produktion eingepreist werden muss, ist der politische Wille gewachsen, diesem Preis eine Grundlage zur Berechnung zu geben. Green Bonds profitieren davon. Das zeigt sich an der Entwicklung dieses Segments in den vergangenen 13 Jahren: 2007 legte die Europäische Investitionsbank (EIB) ihre erste Klimaschutzanleihe auf. Damals belief sich das Neuemissionsvolumen weltweit auf gerade einmal 807 Millionen US-Dollar. Seitdem hat sich der globale Markt für Green Bonds dynamisch entwickelt. In den vergangenen 13 Jahren wurden grüne Anleihen mit einem Volumen von insgesamt rund 775 Milliarden US-Dollar emittiert. 2019 stieg das jährliche Neuemissionsvolumen am globalen Green Bond-Markt allein im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent auf fast 258 Milliarden US-Dollar – ein neuer Rekord. 

Damit rückt die Marke von einer Billion US-Dollar in den kommenden zwölf Monaten in Sichtweite. Der Erfolg lockt Investoren an. Viele Anleger und Emittenten schärfen ihr Bewusstsein für dieses enorm dynamische Wachstumssegment – wenn auch regional noch sehr unterschiedlich: Führend im Ranking der weltweit aktivsten Länder im Green Bond-Markt sind derzeit noch die USA, China und Frankreich (2019 zusammen Marktanteil von 44 %), dahinter folgen Deutschland und die Niederlande (mit 7 % bzw. 6 %). Innerhalb Europas ist Deutschland hinter Frankreich die Nummer Zwei bei grünen Anleihen. 

Unter den Regionen führt Europa aktuell mit einem Marktanteil von 45 Prozent vor Asien/Pazifik (25%) und Nordamerika (23 %). Aufgrund des rasanten Wachstums bei grünen Anleihen war Europa zuletzt Haupttriebkraft der globalen Entwicklung. So wurden hier im vergangenen Jahr Green Bonds im Wert von beinahe 117 Milliarden US-Dollar neu emittiert, das kumulierte Volumen 2010-2019 belief sich auf rund 307 Milliarden US-Dollar. Dabei standen Frankreich, Deutschland und die Niederlande zusammen für mehr als die Hälfte des europäischen Marktes grüner Anleihen. Großbritannien als größter Konkurrent Deutschlands im Finanzplatz-Wettbewerb kam mit einem Neuemissionsvolumen von nur gut 2 Milliarden US-Dollar lediglich auf zwei Prozent an europäischem Marktanteil und rangiert damit weit hinter den Top-3 im Ranking der Emissionsländer.

Das Spektrum der Emittenten diversifiziert sich zusehends. Und es gibt viele Debut-Emissionen. So steigt die Anzahl von Emittenten kontinuierlich und ihre geografische Verteilung wird immer breiter. Laut einer aktuellen Untersuchung der Helaba machten zuletzt vor allem nicht-finanzielle Unternehmen und Finanzdienstleister mit einem Marktanteil von 23 beziehungsweise 21 Prozent an Green-Bond-Neuemissionen auf sich aufmerksam.

Emissionsdynamik nimmt mit Schärfung der Standards zu

Dass immer mehr Green Bonds auf den Markt kommen, hat auch damit zu tun, dass die Definitionen, was grüne Anleihen überhaupt sind, konkreter werden. Denn grundsätzlich sind damit zwar Anleihen zur Finanzierung von Umweltprojekten gemeint. Der Begriff ist bislang aber noch nicht einheitlich rechtsverbindlich definiert. Immerhin: Der Weg dahin ist vorgezeichnet. Die Definitionen, welche Eigenschaften Anleihen erfüllen müssen, um als Green Bonds gelten zu dürfen, nehmen immer konkretere Formen an. Die Geschichte dahinter sieht so aus: 

Die International Capital Markets Association (ICMA) hat bereits 2014 die sogenannten Green Bond Principles (GBP) verabschiedet. Dabei handelt es sich um freiwillige Prozessleitlinien zur Emission grüner Anleihen. Die GBP haben sich schnell als weltweiter Marktstandard etabliert. Die Kernkomponenten der GBP sind unter anderem die Verwendung der Emissionserlöse, die Projektbewertung und -auswahl, das Management der Erlöse sowie die Berichterstattung. Diese Grundlagen hat die internationale Organisation Climate Bonds Initiative (CBI) aufgegriffen und den Climate Bonds Standard (CBS) entwickelt, der konsistent mit dem Pariser Klimaschutzabkommen ist. Neben der Rahmensetzung für Management und Berichterstattung handelt es sich bei den CBS um ein internationales Zertifizierungsschema. Mit den Zulassungskriterien dieses Klassifikationssystems können Sektoren und Unternehmen ökologisch klassifiziert werden.

Ein weiterer evolutionärer Schritt zu einer einheitlichen Bewertung ist die sogenannte EU-Taxonomie. Sie ist das zentrale Element des im Frühjahr 2018 vorgelegten EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Das Gerüst für das EU-eigene Klassifizierungssystem steht seit Ende 2019. Bald soll die finale Verabschiedung der Verordnung dazu erfolgen und von der Expertengruppe ein Abschlussbericht zur genauen Ausgestaltung der grünen Listen vorgelegt werden. Zum Jahresende 2020 wird ein delegierter Rechtsakt mit Fokus auf dem Klimaschutz vorbereitet, Ende 2021 könnte die positive Klimaliste dann in Kraft treten. Für die anderen von der EU avisierten Umweltziele ist der Erlass Ende 2021 und die Gültigkeit Ende 2022 geplant. Diese konsistente und rechtsverbindliche Klassifikation soll die Marktentwicklung von grünen Anleihen fördern. Die EU-Taxonomie dient dann unter anderem als Grundlage für die EU-Norm für grüne Anleihen (EU Green Bond Standard). Diese kurz als EU GBS bezeichnete Norm soll sich in Anlehnung an die beiden globalen Standards als Qualitätsmerkmal an den Finanzmärkten etablieren. 

Deutschland marschiert mit grünem Beispiel voran

Dass der Markt insbesondere in Deutschland dynamisch wächst, ist nicht zuletzt der ambitionierten Zielsetzung der Bundesregierung zu verdanken, Deutschland zum „führenden Standort für Sustainable Finance zu etablieren“. Die Regierung geht dabei selbst mit gutem Beispiel voran. In der zweiten Jahreshälfte 2020 soll erstmals eine grüne Bundesanleihe emittiert werden. Zudem gibt es zahlreiche Initiativen für nachhaltige Finanzen. Insbesondere die Aktivitäten des Sustainable Finance-Beirats (SFB) sind dabei erwähnenswert.

Der SFB agiert seit Mitte 2019 als spezielles Beratungsgremium der Bundesregierung und setzt sich aus rund 40 Experten zusammen, die vornehmlich aus der Wirtschaft sowie aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft stammen. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie Finanz- und Unternehmensverbände sind als Beobachter im Gremium vertreten. Auch die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen bringen ihre Expertise ein. Der SFB soll die Bundesregierung bei der Erarbeitung und Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie unterstützen, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Finanz- und Wirtschaftsstandort langfristig zu stärken. Im Oktober 2019 veröffentlichte der Beirat ein Thesenpapier, das er mit einem Zwischenbericht demnächst spezifizieren und um konkrete Handlungsvorschläge ergänzen wird. Dazu wird unter anderem ein Produktklassifizierungssystem gehören. Für den Spätsommer ist der Abschlussbericht des SFB geplant und für Anfang 2021 ein Bund-Länder-Gipfel, um die Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen in Deutschland auf den Weg zu bringen.

Fazit: Deutschland macht ordentlich Dampf beim Thema Green Bonds. Das ist auch nötig. Denn im Rahmen der demnächst anstehenden Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 kann Deutschland hier Akzente setzen. Es wäre fahrlässig, diese Chance ungenutzt zu lassen.

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