Warum der Kampf gegen das Coronavirus nicht nur ein Gesundheitsthema ist

FundResearch blickt auf eine Woche zurück, wie es sie noch niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit gab.

23.03.2020 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche 

Das Wort der Woche heißt Shutdown. Die Erde dreht sich noch, gefühlt sind wir aber nur noch einen Atemzug vom totalen Stillstand entfernt. In Italien arbeiten ab Montag noch Krankenhäuser, Ärzte, Apotheken, die für die Versorgung der Bevölkerung wichtigen Logistikunternehmen und die Lebensmittelindustrie weiter. Alle „nicht-strategischen“ Betriebe und Unternehmen werden geschlossen. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union fährt ihre Systeme auf Notbetrieb herunter. 

Italien ist leider nur der erste Stein in der Dominokette. Fast alle Länder in Europa halten mittlerweile ihre Grenzen dicht, blicken mit Sorge über die Entwicklung südlich der Alpen und diskutieren, ob oder wann sie dem italienischen Beispiel folgen sollen. 

Virologen fordern dazu auf. Vielleicht haben sie recht mit ihrer Empfehlung. Es erscheint logisch, dass man ein gefährliches Virus, das sich rasend schnell verbreitet, am besten dadurch stoppt, dass man menschliche Kontakte über die eigene Familie hinaus weitestgehend einschränkt, zwei bis drei Wochen abwartet, bis die Infektionskette durchbrochen ist und dann anfängt, die Beschränkungen wieder aufzuheben. 

Die Herausforderung dabei: Es müssen Alle mit gleicher Konsequenz und Disziplin mitmachen. In China, wo ein totaler Überwachungsstaat schon geübt darin ist, jeden, der ausschert, sofort hart zu bestrafen, ist das möglich. In Europa nicht. Die Freiheit des Einzelnen steht über Allem. Viele interpretieren das für sich leider falsch in dem Sinne, dass sie sich ihre persönlichen Freiheiten auch auf Kosten des Wohlergehens der Anderen um sie herum nehmen. Weder die vernünftige Mehrheit noch der Staat können solch ein Verhalten in einer Ausnahmesituation wie jetzt dulden. Deshalb ist die Mehrheit in diesen Tagen sehr einverstanden damit, dass Judikative und Exekutive rigoros härter durchgreifen, um das Wohl der Allgemeinheit zu schützen. Die Beschlüsse zur Einschränkung des öffentlichen Lebens in Deutschland, die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntagnachmittag verkündet hat, werden nur Wenige hierzulande infrage stellen. 

So richtig die Maßnahmen auch sind, so aufmerksam sollte die Gesellschaft die weitere Entwicklung verfolgen: Denn in der Dynamik, mit der Regierungen derzeit Entscheidungen treffen, liegt eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Politiker, die viel Lob dafür bekommen, dass sie eine immer strengere Regulierung des öffentlichen Lebens durchsetzen, könnten Gefallen daran finden. Das lässt sich schon jetzt in Anfängen beobachten. Markus Söder gefällt sich aktuell in der Rolle des Machers, der immer noch schärfere Maßnahmen in seinem Bundesland durchsetzt und dabei auch getroffene Absprachen unter den Ministerpräsidenten ignoriert. 

Und Jens Spahn fordert eben mal forsch, bundesweit die Handydaten der Bevölkerung auszulesen, um Bewegungsprofile nachzuvollziehen. So, wie die Chinesen es gemacht haben. Dort, das erwähnt er natürlich nicht, wurden die Menschen auch mit Drohnen und fest installierten Kameras auf den Straßen gefilmt. Wer die Auflagen verletzte, wurde in den „sozialen“ Medien öffentlich mit Foto an den Pranger gestellt. Das hat teilweise dazu geführt, dass die Gescholtenen auf offener Straße von ihren Mitbürgern gefesselt und geschlagen wurden.

So weit sind wir natürlich noch nicht. Wer sich durch die sozialen Medien klickt, lernt jedoch schnell, dass solche Szenarien auch hierzulande nicht mehr undenkbar sind. Und auch an eine starke Polizeipräsenz auf den Straßen werden wir uns in den kommenden Wochen gewöhnen müssen. Polizei, die das Treiben der Bürger argwöhnisch beobachtet und gegebenenfalls einschreitet. Unsere „Freunde und Helfer“ werden plötzlich zu Aufsehern. Das wird sich nicht gut anfühlen.

Deshalb sollten wir alle unsere in den vergangenen Jahrzehnten hart erkämpfte Freiheit aktuell vor allem dazu nutzen, um freiwillig und ohne Zwang unser Gehirn zu benutzen. Und nach reiflicher Überlegung klug und im Sinne des Gemeinwohls zu handeln. 

Das bedeutet konkret: Zwei Wochen lang Füße stillhalten und soziale Kontakte vermeiden oder mindestens zwei Meter Abstand halten. So, wie es jetzt die am Sonntag verkündeten Verordnungen sinnvollerweise vorsehen. Danach hängt viel davon ab, wie sich das Virus in Deutschland und die Welt um uns herum entwickelt. Die Bekämpfung einer weltumspannenden Pandemie kann schließlich kein Land im Alleingang gewinnen. 

Aber irgendwann wird es vorbei sein. Dann sollte man die Lage neu bewerten und insbesondere den Politikern, die sich jetzt durch besonders forsches Vorgehen auszeichnen, sehr genau auf die Finger schauen. Es steht in Europa nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung auf dem Spiel.

Normalerweise folgt hier der Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche. Das ist in Zeiten, in denen sich die Situation teilweise innerhalb von Stunden ändert, völlig obsolet. Dazu kommt, dass im Moment fast alle öffentlichen Veranstaltungen weltweit abgesagt werden. Deshalb bleibt diesmal nur zu sagen: Bleiben Sie gesund. Mindestens bis nächste Woche und hoffentlich bis weit darüber hinaus.

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