Schroders: Die Abflachung der Renditekurve

Viele Anleger fürchten die Abflachung der Renditekurve in den USA, da sie auf ein Umfeld mit niedrigem Wachstum hindeutet. Wir glauben allerdings, dass die quantitative Straffung der US-Notenbank beispiellose Auswirkungen auf den Anleihemarkt in den USA haben wird, genauso wie es bei der quantitativen Lockerung der Fall war.

13.12.2017 | 09:47 Uhr

Eine flachere US-Renditekurve wird häufig mit einer bevorstehenden Abkühlung des Wirtschaftswachstums in Verbindung gebracht. Und in der Tat sind in der Finanzpresse heute öfter Kommentare zu diesem historischen Zusammenhang und der zunehmenden Rezessionsgefahr zu lesen.

Unseres Erachtens ist die jüngste Abflachung der Renditekurve kein Vorbote eines schwächeren Wachstums in den USA – und zwar aus folgenden Gründen:

● Sowohl die absoluten als auch die realen Zinsen sind nach wie vor sehr niedrig, Liquidität ist weiterhin ausreichend vorhanden und der robuste Zustand des Bankensystems in den USA deutet darauf hin, dass Kredite weiterhin allgemein verfügbar sein werden.

● Außerdem geht die US-Notenbank Fed verglichen mit manchen Zinsstraffungszyklen in der Vergangenheit bei der Straffung weiter relativ behutsam vor.

● Gleichwohl deuten weitere Faktoren darauf hin, dass sich die Abflachung der Renditekurve verlangsamen und in den nächsten Quartalen sogar in eine leichte Versteilerung übergehen wird.

Trends bei der Renditekurve

Häufig können Investoren anhand der Steilheit der Renditekurve bzw. des Spreads zwischen zweijährigen und zehnjährigen US-Staatsanleihen Signale für Wachstums- und Inflationserwartungen erkennen. Eine flachere Kurve deutet oft auf sinkende Wachstumserwartungen hin, während eine steilere Kurve häufig die Erwartung eines höheren Wachstums und einer steigenden Inflation impliziert.

Die Kurve hat sich dieses Jahr deutlich verflacht, und diese Entwicklung hat sich zuletzt noch beschleunigt. Das geschieht nicht ganz unerwartet, da flachere Renditekurven häufig mit Straffungszyklen der Notenbank einhergehen. In der Regel erhöht die US-Notenbank Fed die Zinsen, um das Wachstum und die Inflation zu dämpfen und einen etwaigen „exzessiven Überschwang“ zu mäßigen, der sich daraus möglicherweise ergeben hat. In der Vergangenheit hatte eine aggressive und überambitionierte geldpolitische Straffung ein Ende des Konjunkturzyklus zur Folge. 

Während die US-Notenbank Fed die kurzfristigen Zinsen erhöht, sind die langfristigen Zinsen in der Regel besser verankert und spiegeln längerfristige Fundamentaldaten wider.

Es sind insbesondere zwei Faktoren, die einen stärkeren Einfluss auf die langfristigen Renditen haben: (1) die Erwartung für kurzfristige Zinsen über einen viel längeren Zeitraum und (2) die zusätzliche Kompensation, die für das Halten von Anleihen mit längerer Laufzeit verlangt wird. Die zweite Komponente wird als Laufzeitprämie bezeichnet und spiegelt die Unsicherheit wider, die unerwarteten Veränderungen bei Angebot, Nachfrage und Inflation innewohnt.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes waren die zweijährigen Renditen mit 1,70 % auf dem höchsten Stand seit neun Jahren, während zehnjährige Renditen mit 2,35 % unter dem Stand zum Jahresbeginn 2017 liegen. Die sich daraus ergebende Abflachung der Renditekurve lässt sich im Folgenden klar ablesen.

Renditekurve von zehnjährigen ggü. zweijährigen US-Staatsanleihen (Nov. 2016 – Nov. 2017)

(Quelle: Bloomberg; bis 16. November 2017. Die Renditen sind im Laufe der Zeit Schwankungen unterworfen.)

Für die jüngste Abflachung der Renditekurve waren zwei Faktoren maßgeblich: die Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed 2017 und die ungewöhnlich stark gestiegene Nachfrage nach längeren Laufzeiten von Anlegern außerhalb der USA, auf deren Heimatmärkten die Renditen weit unter denen in den USA liegen.

Mit einer Ausnahme verflachte sich die Kurve in jedem der vergangenen sechs Straffungszyklen der US-Notenbank Fed (bis ins Jahr 1984 zurück). Der Ausreißer passierte von 1986 bis 1987. Gründe dafür waren Bedenken, dass die US-Notenbank Fed die durch einen schwächeren US-Dollar verursachte höhere Inflation tolerieren würde, sowie ein steigendes US-Haushaltsdefizit aufgrund der Verabschiedung einer Steuerreform. Nach historischen Präzedenzfällen sollte sich die Renditekurve mit weiteren Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed zwar weiter verflachen. Allerdings gibt es Gründe dafür, dass es dieses Mal anders ablaufen und die Kurve stattdessen steiler werden könnte.

Dieses Mal ist alles anders

Dieser Konjunkturzyklus war geprägt von einer außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahme – der quantitativen Lockerung. Damit sollte unter anderem erreicht werden, die langfristigen Zinsen zu senken, um das Kreditwachstum zu stimulieren. Zu diesem Zweck kaufte die US-Notenbank Fed in der Hoffnung, die Laufzeitprämie zu senken, gewaltige Mengen langfristiger US-Staatsanleihen – zeitweise hielt sie fast 50 % des gesamten Angebots an ausstehenden 30-jährigen US-Staatsanleihen. 

Nun, da die US-Notenbank Fed begonnen hat, ihre Bilanz zu verkürzen bzw. die quantitativen Lockerungsmaßnahmen zurückzufahren, könnte es zu einer Abkehr von dieser Geldpolitik kommen.

Dabei sollten wir nicht nur im Hinterkopf behalten, dass die quantitativen Lockerungsmaßnahmen ein noch nie da gewesenes Ausmaß hatten, sondern auch, dass uns darüber hinaus in der modernen Finanzgeschichte jegliche Vergleichsmöglichkeit fehlt, wie die Märkte auf diese Umkehr reagieren. Die Laufzeitprämien korrelieren in der Regel weltweit, sodass auch geldpolitische Kurswechsel der Europäischen Zentralbank EZB, der japanischen Notenbank oder der chinesischen Zentralbank dazu führen können, dass die langfristigen Renditen aufhören weiter zu fallen.

Wir gehen davon aus, dass das Anleiheangebot angesichts der Beendigung der lockeren Geldpolitik in den nächsten Quartalen deutlich steigen wird. Das dürfte eine Normalisierung (einen Anstieg) der Laufzeitprämien weltweit zur Folge haben.

Auch fiskalpolitische Veränderungen könnten einen Anstieg der langfristigen Zinsen zur Folge haben – insbesondere fremdfinanzierte Programme, durch die sich das Angebot an US-Staatsanleihen erhöht. Wenngleich Washington Pläne für eine expansive Fiskalpolitik hat, erwartet der Markt, dass diese weitgehend durch US-Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit und nicht durch Anleihen mit langer Laufzeit finanziert wird. Sollte das US-Finanzministerium die Emission von Papieren mit langer Laufzeit unerwartet erhöhen, um diese expansivere Fiskalpolitik teilweise zu finanzieren, könnte sich die Kurve der US-Staatsanleihen versteilern. Ende der 1980er-Jahre könnten steigende Haushaltsdefizite zu der ungewöhnlichen Versteilerung in diesem Straffungszyklus beigetragen haben.

Zu guter Letzt könnten auch Veränderungen beim Mandat der US-Notenbank Fed einen Einfluss auf die Renditekurve haben. Derzeit verfolgt sie zwei Ziele: das Maximieren der Beschäftigung und eine anhaltend stabile Inflation. Sie hat sich eine Preisinflation von 2 % zum Ziel gesetzt; allerdings hat sie Probleme, dies zu erreichen. Infolgedessen wurde von Zeit zu Zeit zur Debatte gestellt, das Inflationsziel zu erhöhen, oder zuzulassen, dass die Inflation dauerhaft über dem Ziel liegt, um das Preisverhalten zu beeinflussen.

Charles Evans, der Präsident der Federal Reserve Bank of Chicago, schlug jüngst vor, das Ziel auf 2,5 % anzuheben, um zu verhindern, dass sich die niedrigen Inflationserwartungen hartnäckig halten. Durch diesen geldpolitischen Richtungswechsel dürften die langfristigen Renditen steigen, da die längerfristigen Inflationserwartungen eine höhere Laufzeitprämie zur Folge haben.

Fazit

Die Abflachung der Renditekurve 2017 war bedingt durch die restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank Fed und die steigende Nachfrage nach längeren Laufzeiten, da die Inflation weiter niedrig ist. Diese Gegebenheiten deuten jedoch nicht auf ein bevorstehendes schwächeres Wachstum hin. Das Gegenteil ist der Fall: Die Zinsen bleiben in jeder Hinsicht niedrig, und die Fiskalpolitik der USA dürfte expansiver werden.

Jüngsten Daten zur Marktpositionierung zufolge ist es unseres Erachtens klar, dass die Anleger von einer weiteren Abflachung ausgehen. Obwohl die Entwicklung in der Vergangenheit nahelegt, dass diese Einschätzung begründet ist, könnte es überraschend zu einem gewissen Versteilerungsdruck kommen. Wir wären vorsichtig, zu viel in die flachere diesjährige Renditekurve hineinzuinterpretieren. 

 

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 08.12.17 auch auf schroders.com veröffentlicht.

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