Robeco: "Schluss mit dem Gejammer über die US-Zinsstrukturkurve!"

Befürchtungen, dass eine invertierte Zinsstrukturkurve in den USA eine Rezession ankündigt, sind völlig unangebracht. Warum die abflachende Kurve, die die Renditeunterschiede zwischen Staatsanleihen mit kürzeren und längeren Laufzeiten anzeigt, kein schlechtes Omen ist – und welche Rolle die US-Notenbanker dabei spielen.

15.01.2018 | 16:21 Uhr

„Die flachere US-Zinsstrukturkurve hat zu großer Unruhe geführt, da viele Anleger dies als Zeichen für das Ende der Wachstumsphase in den USA deuten“, erklärt Lukas Daalder, Chief Investment Officer bei Robeco Investment Solutions. Daalder begründet seine Beobachtung mit der Historie: Seit Mitte der 1970er Jahre ist allen Rezessionen eine Phase mit umgekehrter Zinsstrukturkurve vorausgegangen, bei der die Rendite zehnjähriger Papiere niedriger war als die zweijähriger Anleihen. Dieses Phänomen war ein korrektes Signal bei fünf von fünf Rezessionen.

Abbildung 1: Eine fallende Zinsstrukturkurve steht für Unheil – so wirkt es jedenfalls. Quelle: St. Louis Fed, Robeco

„Obwohl der Kurvenverlauf ein zuverlässiger Frühindikator zu sein scheint – für mich sprechen mehrere Gründe dafür, dass das ganze Thema um eine kurz bevorstehende Rezession völlig übertrieben ist“, so der Robeco-Experte.

Vorsicht vor falschen Signalen

Für Daalder ist eine invertierte Zinsstrukturkurve als Frühwarnsystem nicht unfehlbar. Das gelte vor allem dann, wenn sich die Durationen der verwendeten Anleihen ändern (siehe Abbildung 2). „Die Sache sieht schon anders aus, wenn wir das Zeitfenster etwas erweitern, zum Beispiel durch einen Wechsel von der Rendite 2-jähriger Schatzanleihen zu einem 3-Monats-Zinssatz. Hier haben wir nun zwei falsche Signale: Weder die Invertierung von 1966 noch die von 1998 waren Vorzeichen einer Rezession. Es ist somit klar, dass die Zinsstrukturkurve nicht immer als zuverlässiges Frühwarnsystem fungiert hat. Und es ist fraglich, ob sie in den heutigen Zeiten der Zentralbankinterventionen an den Anleihemärkten immer noch dasselbe Prognosepotenzial wie zuvor hat“, erklärt der Robeco-Stratege.

Abbildung 2: Der längere Rückblick eröffnet eine leicht andere Perspektive. Quelle: St Louis Fed, Siller und Robeco

Warum also halten sich die Befürchtungen so hartnäckig, obwohl sich in den USA bei Verwendung von 2-jährigen Anleihen oder 3-Monats-Zinssätzen am kurzen Ende überhaupt keine Anzeichen für eine umgekehrte Zinsstrukturkurve zeigen? Die Sorgen wurden durch die Hinweise der US-Notenbank ausgelöst, die Zinsen 2018 möglicherweise um drei Viertelpunkte zu erhöhen. Dadurch würden die Leitzinsen zum ersten Mal seit 2008 über zwei Prozent steigen. „Schlägt man Zinserhöhungen um 75 Basispunkte auf die 2-jährigen Renditen auf und hält gleichzeitig die 10-jährigen Renditen konstant... voilà: Hier ist sie, die invertierte Zinsstrukturkurve“, erläutert Daalder. Wären die Dinge nur so einfach: Laut Daalder werden hier mehrere wichtige Annahmen vorausgesetzt, die alle hinterfragt werden können.

Drei angreifbare Grundannahmen

„Geht es um Zinserhöhungen, konnten wir in den letzten Jahren – erstens – beobachten, dass die Vorhersagen der Fed üblicherweise zu optimistisch sind. Daher erwarten die Finanzmärkte nur einen Anstieg der Zinssätze um 50 Basispunkte, wie der Federal Funds Future für Dezember 2018 zeigt“, gibt Daalder zu bedenken. Zweitens ist der Zusammenhang zwischen dem Fed-Leitzins und den 2-jährigen Renditen ziemlich undeutlich. Aber die allerwichtigste – und am wenigsten wahrscheinliche – Annahme ist, dass die Renditen 10-jähriger Papiere 2018 unverändert bleiben. Denn das würde bedeuten, dass die Staatsanleihenmärkte nicht durch den kontinuierlichen Abbau der Fed-Anleihebestände, Steuererleichterungen durch die Trump-Regierung oder das knappe Arbeitsangebot beeinflusst werden. „Oder anders formuliert: Sollte die Fed die Zinssätze infolge der laufenden Wachstumssteigerung erhöhen, würde jedoch unterstellt, dass genau dies keine Auswirkungen auf Anleihen hätten. Diese Geschichte klingt wenig plausibel“, so Daalder.

Rezession kommt mit 18-monatiger Zeitverzögerung

Für Daalder würde es selbst dann nicht bedeuten, dass eine Rezession vor der Tür steht, wenn es letztendlich zu einer Invertierung der Zinsstrukturkurve käme. Historisch betrachtet habe es immer weitere 18 Monate gedauert, bis die Rezession einsetzte. „Angesichts der Tatsache, dass die Aktienkurse üblicherweise vier Monate vor einer Rezession zu sinken beginnen, wird klar, dass dies kein besonders zuverlässiges Verkaufssignal ist – jedenfalls jetzt nicht“, so Daalder. Ein weiterer Irrtum sei, dass die Steigung der Zinsstrukturkurve ein Indikator für die grundlegende Stärke einer Volkswirtschaft ist. Wäre dem so, würde klar, warum die Besorgnis angesichts des flacheren Kurvenverlaufs zunimmt: „Die Abflachung würde eine noch niedrigere Wachstumsrate signalisieren, als wir sie in den letzten Jahren gesehen haben. Bislang hat es aber keinen deutlichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren gegeben. Weder in den späten 1980er Jahren noch in den späten 1990ern fiel die Abflachung der Zinsstrukturkurve mit einer niedrigeren Wachstumsrate zusammen. Stattdessen war diese sogar höher. Bei einer Betrachtung des Wachstums und der Zinsstrukturkurve während der aktuellen Expansionsphase könnte man sogar behaupten, dass die Beziehung invers gewesen zu sein scheint“, schlussfolgert der Robeco-Experte.

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