Metzler: US-Staatsfinanzen in schlechtem Zustand Könnte „Crowding-out“ zu einem Problem werden?

Obwohl der Aufschwung der US-Wirtschaft schon seit 2009 andauert und sich die Arbeitslosenquote mehr als halbierte, dürften die USA in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von etwa 1,7 % des BIP haben. Dazu kommt eine Staatsverschuldung in Rekordhöhe. Kommt es zu einem "Crowding-out"?

17.07.2017 | 08:09 Uhr

Die US-Wirtschaft befindet sich schon seit dem zweiten Quartal 2009 in einem ununterbrochenen Aufschwung. Die Arbeitslosenquote ist von einem Hoch im Oktober 2009 von 10 % auf zuletzt nur noch 4,4 % gefallen und signalisiert damit einen schon weit fortgeschrittenen Konjunkturzyklus. 

USA: stabiler Aufschwung seit dem zweiten Quartal 2009 Reales BIP in Billionen USD  


Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 30.4.2017 

Normalerweise sorgt ein langanhaltender Aufschwung für zunehmende Steuereinnahmen und sinkende Sozialausgaben, sodass das Haushaltssaldo ohne die Zinszahlungen meistens zu diesem Zeitpunkt schon im positiven Bereich rangiert. Die OECD schätzt jedoch, dass die USA ein Haushaltsdefizit vor Zinszahlungen von etwa 1,7 % des BIP in diesem Jahr und von 2,1 % des BIP im Jahr 2018 haben werden, was sogar unter dem langfristigen Durchschnitt von einem Defizit von etwa 1,4 % des BIP liegt. Gleichzeitig kämpfen die USA mit einer voraussichtlichen Rekordverschuldung von 107,8 % des BIP in diesem Jahr. 

USA: ungewöhnlich hohes Staatsdefizit trotz langjährigem Aufschwung – verschärft noch durch die anstehende Bilanzreduktion der Fed Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen (Primärsaldo) in % des BIP 

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 30.4.2017 

Der schlechte Zustand der US-Staatsfinanzen bietet eigentlich keinen Spielraum für Steuersenkungen oder schuldenfinanzierte Infrastrukturprogramme. Wahrscheinlich werden die Bemühungen Donald Trumps in diese Richtung entweder ins Leere laufen oder durch andere Maßnahmen gegenfinanziert werden müssen. Darüber hinaus mehren sich die Anzeichen, dass die privaten Investitionsausgaben langsam wieder anspringen. Die Digitalisierungswelle, der zunehmende Einsatz von Robotern sowie der technische Wandel in vielen anderen Bereichen dürften die Unternehmen zunehmend zu steigenden Investitionsausgaben zwingen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Einen ersten Anhaltspunkt dafür ist der Sprung der Investitionsausgaben im ersten Quartal dieses Jahres. 

USA: private Investitionsausgaben springen an   
Reale private Investitionsausgaben in Billionen USD 

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 30.4.2017 

Die spannende Frage ist nun, ob es bei anhaltend hohem Finanzbedarf des US-Staates in Kombination mit einem zunehmenden Finanzbedarf des privaten Sektors nicht zu einem „Crowding-out“ kommen könnte – in dem Sinne, dass die Konkurrenz um Ersparnisse einen merklichen Anstieg der Realzinsen bewirkt. Bis vor kurzem entschärfte die US-Notenbank diesen potenziellen Konflikt noch durch den Kauf von Staatsanleihen in einem erheblichen Umfang. Ab September möchte die US-Notenbank jedoch voraussichtlich ihre Bilanz schrumpfen, was für ein zusätzliches Angebot an US-Staatsanleihen sorgen wird und möglicherweise den Konflikt verschärfen könnte. Würde die US-Notenbank ihre Bilanz um 100 Mrd. USD in diesem Jahr und um 300 Mrd. USD in 2018 reduzieren, würde der Finanzierungsbedarf des US-Staates gegenüber den Finanzmärkten zusätzlich steigen und sich das Defizit auf 2,2 % im Jahr 2017 und auf 4,0 % im Jahr 2018 erhöhen. 

Die Voraussetzung für ein „Crowding-out“-Szenario ist jedoch eine weiterhin stabile konjunkturelle Entwicklung in den USA: NAHB-Index (Dienstag), Wohnungsbaubeginne und -genehmigungen (Mittwoch) sowie Philadelphia-Fed-Index (Donnerstag). 

Deutschland: Musterknabe bei den Staatsfinanzen 
Deutschland glänzt dagegen bei den Staatsfinanzen. Nach Berechnungen der OECD wird Deutschland dieses Jahr einen gesamtstaatlichen Haushaltsüberschuss von etwa 0,7 % des BIP erzielen und damit die Verschuldung von 76,6 % des BIP in 2016 auf 73,5 % in diesem Jahr reduzieren. Noch im Jahr 2010 kämpfte Deutschland mit einem Haushaltsdefizit von 4,2 % des BIP. Der Umschwung von einem Haushaltsdefizit zu einem Überschuss von insgesamt etwa 5 %-Punkten des BIP bedeutet, dass der deutsche Staat über diesen Zeitraum seine gesamtwirtschaftliche Nachfrage in ebendieser Höhe reduzierte. Trotzdem wuchs die deutsche Wirtschaft sehr dynamisch, da der private Sektor die Nachfrage merklich erhöhte und so die geringere staatliche Nachfrage teilweise ausgleichen konnte. Gleichzeitig stieg jedoch auch der Leistungsbilanzüberschuss von 5,4 % des BIP 2010 auf voraussichtlich 7,5 % in diesem Jahr, sodass die geringere staatliche Nachfrage in Deutschland auch von einer höheren Nachfrage aus dem Ausland in Höhe von etwa 2 %-Punkten des deutschen BIP kompensiert wurde. 

Die merkliche Wachstumsbeschleunigung in der Eurozone in den vergangenen Monaten dürfte jedoch unter anderem auch die Arbeitskräfteknappheit in Deutschland verschärfen und somit für eine Beschleunigung des Lohnwachstums sorgen. Die Folge wären eine geringere Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft und steigende Importe, sodass sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss aufgrund einer steigenden privaten Nachfrage im Inland in den kommenden Jahren automatisch wieder verringern dürfte. Bestätigung für die guten Konjunkturperspektiven dürfte dabei vom ZEW-Index (Dienstag) und von der Umfrage der EZB bei den Geschäftsbanken (Dienstag) kommen. 

Nachdem EZB-Präsident Draghi kürzlich die Trendwende der Geldpolitik der EZB ausrief, wird er hoffentlich auf der Pressekonferenz (Donnerstag) konkreter werden. Die großen Probleme in Italien sprechen jedoch dafür, dass die EZB den allgemeinen Erwartungen folgen wird und erst ab Januar 2018 das Wertpapierkaufprogramm reduzieren und im vierten Quartal 2018 den Leitzins anheben dürfte. Die Fundamentaldaten würden auch schon zum jetzigen Zeitpunkt ein Ende der Negativzinspolitik durchaus rechtfertigen. 

UK und China 
China veröffentlicht traditionell als erste große Volkswirtschaft die BIP-Daten (Montag) für das abgelaufene Quartal. Interessanterweise kam erst kürzlich eine Studie zu dem Schluss, dass die chinesische Statistikbehörde das tatsächliche Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren sogar zu niedrig eingeschätzt hat. Die Studie arbeitete dabei mit Satellitendaten, wie in dem bald erscheinenden markt:aktuell-Spezial näher ausgeführt werden wird.   

Darüber hinaus werden noch die Inflationsdaten in Großbritannien (Dienstag) und die Einzelhandelsumsätze in Großbritannien (Freitag) veröffentlicht. 


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht 

Edgar Walk 
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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